Acht-Stunden-Tag abschaffen? Umfrage zeigt: Deutsche für Merz-Plan – rote Linie liegt an anderer Stelle
Die schwarz-rote Regierung will die Wochenarbeitszeit flexibler gestalten. Die neuen Arbeits-Pläne sorgen bei der Bevölkerung für Wirbel.
Berlin – Bundeskanzler Friedrich Merz und die Regierungskoalition aus Union und SPD wollen mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit ermöglichen – das würde jedoch den Acht-Stunden-Tag beenden. Stattdessen soll es eine wöchentliche Höchstarbeitszeit geben. Sind die Deutschen wirklich bereit, für die Sicherung des Wohlstands mehr zu arbeiten?
Weg mit dem Acht-Stunden-Tag: Bundesregierung will mehr Flexibilität bei den Arbeitszeiten
Mehrere Umfragen der vergangenen Wochen zeigen, dass die Pläne der Bundesregierung zur flexibleren Arbeitszeitgestaltung auf ein gespaltenes Echo in der Bevölkerung stoßen. Eine Ipsos-Umfrage zeigte, dass knapp die Hälfte der Bevölkerung (46 Prozent) eine wöchentliche Höchstarbeitszeit der bislang geltenden täglichen Höchstarbeitszeit von acht Stunden vorziehen würde. Ein fast ebenso großer Anteil von 44 Prozent lehnt eine solche Änderung allerdings auch ab.
In einer Yougov-Umfrage für die Deutsche Presse-Agentur befürworteten 38 Prozent der Befragten die Pläne der Bundesregierung, eine wöchentliche statt einer täglichen Höchstarbeitszeit einzuführen. Jeder fünfte (20 Prozent) lehnte dagegen den Vorstoß ab, 37 Prozent sahen das neutral.
Bisherige Regelung
Aktuell gilt in Deutschland eine tägliche Arbeitszeit von maximal acht Stunden. In Ausnahmefällen dürfen Arbeitnehmende auch mal zehn Stunden am Stück arbeiten, wenn sie im Schnitt innerhalb von 24 Wochen nicht mehr als acht Stunden gearbeitet haben (die Überstunden müssen also ausgeglichen werden).
In der EU gibt es keine tägliche Höchstarbeitszeit, sondern eine wöchentliche Höchstarbeitszeit. Alle 7 Tage dürfen demnach Arbeitnehmende maximal 48 Stunden einschließlich Überstunden leisten. Dies würde bei einer Umgestaltung des deutschen Rechts auch die zu einhaltende Devise sein.
Statt Acht-Stunden-Tag: Deutsche wären für mehr Arbeit bereit – bei früherem Renteneintritt
Auffällig ist aber: Bei der Rente ist die Mehrheit nicht bereit für Kompromisse. Viele Deutsche wären bereit, mehr zu arbeiten – vorausgesetzt, es bringt ihnen einen früheren Renteneintritt. Laut einer neuen Insa-Umfrage vom 23. bis 26. Mai unter 1003 Befragten würden 63 Prozent lieber eine Stunde pro Woche länger arbeiten und dafür ein Jahr früher in Rente gehen. Nur 22 Prozent würden einen späteren Rentenbeginn bevorzugen, um am Acht-Stunden-Tag festzuhalten. 15 Prozent zeigten sich unentschlossen.
Mehr Produktivität für höheren Wohlstand: Linnemann unterstützt Abschaffung des Acht-Stunden-Tages
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hatte gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) erklärt: „Unser Wohlstand, unsere sozialen Sicherungssysteme, aber auch die Funktionsfähigkeit unseres Landes beruhen darauf, dass wir produktiv sind.“ Er betonte, dass Work-Life-Balance grundsätzlich nichts Verwerfliches sei, fügte jedoch hinzu: „Man hat manchmal den Eindruck, dass es nicht mehr um Work-Life-Balance geht, sondern nur noch um Life-Life-Balance.“
Die Flexibilisierung der Arbeitszeit sei insbesondere für Familien mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen von Bedeutung, so Linnemann. Hier habe Deutschland „einen Rückstand aufzuholen“. Für junge Menschen gelte: „Es ist wichtig, erstmal eine Ausbildung zu machen und einen Beruf zu erlernen. Da müssen wir wieder hinkommen: Sich etwas selbst zu erarbeitet.“
Gewerkschaften gegen die Arbeitszeitreform von Merz: Die Flexibilität sein „ein schlechter Witz“
Obwohl viele Menschen den Umfragen zufolge bereit wären, etwas mehr zu arbeiten, um im Alter früher Ruhe zu haben, gibt es Widerstand von den Gewerkschaften. Der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Werneke, hat die angekündigte Arbeitszeitreform scharf kritisiert.
Die „Aufweichung“ der täglichen Höchstarbeitszeit durch die Einführung einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit unter der Überschrift mehr Flexibilität für die Beschäftigten verkaufen zu wollen, sei „ein schlechter Witz“, erklärte Werneke laut AFP schon Mitte Mai. Dieses Vorhaben setze stattdessen viele Menschen „massiv“ unter Druck, länger arbeiten zu müssen. (lw)