Aufruhr im Urlaubsparadies: „Die Menschen wollen, dass sich in Thailand etwas verändert“

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Anhänger von Move Forward demonstrierten am Mittwoch vor der Zentrale der Partei gegen die Entscheidung des thailändischen Verfassungsgerichts. © Chanakarn Laosarakham/AFP

Thailands Verfassungsgericht hat die Partei des Siegers der letzten Wahl verboten, und auch der aktuelle Premier könnte aus seinem Amt entfernt werden. Wie gefährdet ist die Demokratie in dem Land?

Er war als Hoffnungsträger angetreten, galt als „Thailands Barack Obama“: Im Frühjahr 2023 gewann Pita Limjaroenrat hat mit seiner Move Forward Partei die Parlamentswahlen in dem südostasiatischen Land, fast 40 Prozent der Menschen hatten ihm ihre Stimme gegeben, vor allem junge Thais unterstützten Pita. Doch Premierminister wurde ein anderer, die mächtigen Eliten aus Militärs und Anhängern des Königshauses stellten sich gegen den Reformer Pita. Nun wurde auch noch seine Partei verboten, Pita selbst darf nach einer Entscheidung des thailändischen Verfassungsgerichts zehn Jahre kein politisches Amt übernehmen. Was das für die fragile Demokratie in Thailand bedeutet, erklärt Vanessa Steinmetz. Sie leitet das Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung in Bangkok.

Frau Steinmetz, nach der Entscheidung, die Partei von Wahlsieger Pita Limjaroenrat zu verbieten und ihn selbst von allen politischen Ämtern auszuschließen: Wie groß ist die Wut unter seinen Anhängerinnen und Anhängern?

Dass es so kommt, hat viele nicht überrascht. Schon die Vorgängerpartei von Move Forward war ja verboten worden. Die Enttäuschung ist natürlich dennoch groß. Gleichzeitig hat mir eben erst ein Abgeordneter von Move Forward gesagt, dass ihn viele Menschen ansprechen würden und ihm sagen, dass sie trotz allem weiter hinter Pita und seiner Partei stehen. 

Vor allem junge Menschen hatten Pita gewählt, er galt vielen als Hoffnungsträger.

Ja, Pita war ein sehr charismatischer Führer, er hat in Harvard studiert, ist international gut vernetzt. Seine Partei wird sich nun unter anderem Namen neu gründen und versuchen, wieder eine so charismatische Person wie ihn als Anführer zu finden. Dieses Mal wird es wohl eine Frau werden.

„Seit dem Militärputsch wurden in Thailand mehr als 30 Parteien verboten“

Rechnen Sie damit, dass es in Thailand jetzt zu Massenprotesten wie 2020 kommt, als die Vorgängerpartei von Move Forward verboten wurde?

Für Pitas Partei haben 14 Millionen Menschen gestimmt. Diese Menschen wollen, dass sich in Thailand etwas verändert. Einige von ihnen könnten angesichts des Urteils die Hoffnung verlieren, dass eine progressive Partei in Thailand auch tatsächlich in die Regierung kommt, nachdem nun ja schon zum zweiten Mal die Partei verboten wurde, die sie gewählt haben. Zu Protesten wie vor vier Jahren wird es meiner Meinung nach aber nicht kommen. Stattdessen werden die Menschen eben das nächste Mal die Nachfolgepartei von Move Forward wählen, um so ihrem Willen Ausdruck zu verleihen. Das hofft zumindest die Partei selbst.

Pita Limjaroenrat im Kreise seiner Anhänger
Wahlsieger Pita Limjaroenrat darf zehn Jahre kein politsches Amt mehr ausüben. © Lillian Suwanrumpha/AFP

Wie lange kann das gutgehen, dass die Wahlsieger immer wieder davon abgehalten werden, die Macht auch auszuüben?

Seit dem Militärputsch 2006 wurden in Thailand mehr als 30 Parteien verboten. Das Militär ist nach wie vor sehr mächtig, auch einige wenige Familien üben Einfluss auf die Politik aus. Das ist ein sehr verkrustetes System, es ist nicht leicht, diesen Zirkel zu durchbrechen.

Hinzu kommt, dass die Meinungsfreiheit in Thailand stark eingeschränkt ist. Vor allem durch das Gesetz gegen Majestätsbeleidigung, das drakonische Haftstrafen vorsieht.

Das Gesetz sieht pro Vergehen bis zu 15 Jahre Haft vor. Und weil die Strafen für einzelne Vergehen aufaddiert werden können, müssen Menschen manchmal noch länger in Haft. Erst Anfang des Jahres wurde ein Mann zu 50 Jahren Haft verurteilt, wegen Posts auf Facebook. Das Gesetz wurde seit 2020 häufiger als zuvor angewendet. Mehr als 280 Menschen sind seitdem wegen Majestätsbeleidigung angeklagt worden. 80 Prozent der Verurteilten wurden schuldig befunden, Freisprüche gibt es selten. Eine der Forderungen von Move Forward war es, die Haftstrafen zu reduzieren.

„Sollte Srettha sein Amt verlieren, wäre das ein politisches Beben“

Das thailändische Verfassungsgericht hatte das Verbot der Partei damit begründet, dass Move Forward versucht habe, die Monarchie in Thailand abzuschaffen.

Von außen betrachtet sind die Forderungen, die Move Forward aufgestellt hat, eher milde. Neben geringeren Haftstrafen hatte die Partei gefordert, dass nur noch das Büro des Königlichen Hofes Beschwerde wegen Majestätsbeleidigung einreichen können sollte. Und es ist ja auch Aufgabe von Politikern, Gesetzesänderungen vorzuschlagen. Das Verfassungsgericht sieht das nun offenbar anders.

Im vergangenen August ist Thaksin Shinawatra nach Thailand zurückgekehrt, der noch immer einflussreiche Ex-Premier, der das Land 2006 nach einem Militärputsch verlassen hatte. Welche Rolle spielt er heute in Thailand?

Es heißt, dass er sehr aktiv im Hintergrund wirkt. Er gilt noch immer als heimlicher Mann an der Spitze der derzeitigen Regierungspartei Pheu Thai, deren Vorsitzende seine Tochter Paetongtarn Shinawatra ist.

Premierminister ist seit August 2023 Srettha Thavisin. Nächste Woche muss auch er sich vor Gericht verantworten.

Ja, ihm wird vorgeworfen, gegen ethische Standards verstoßen zu haben, da er einen vormals Verurteilten in sein Kabinett berufen hatte. Pichit Chuenban ist der ehemalige Anwalt von Thaksin Shinawatra und musste wegen versuchter Bestechung 2008 eine Haftstrafe verbüßen. Das Verfassungsgericht könnte nun urteilen, dass Srettha wegen dieser Personalentscheidung nicht für sein Amt geeignet ist. Paetongtarn Shinawatra – die Tochter von Thaksin - wird als mögliche Nachfolgerin gehandelt. Sollte das Verfassungsgericht wirklich entscheiden, dass Srettha sein Amt verliert, dann wäre das ein politisches Beben. Erst wird die Partei des Wahlsiegers verboten, dann verliert der Premierminister sein Amt.

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