„Möchte das Meditative vermitteln“: Jachenauer Künstler setzt Waldbaden in Bildern um
Zur 20. Kunstwoche in Lenggries: Künstler Günter Unbescheid aus der Jachenau berichtet über seine ungewöhnliche Arbeit mit der Lochkamera und Einflüsse aus Japan.
Lenggries – Die Künstlervereinigung Lenggries veranstaltet in diesem Jahr zum 20. Mal die Kunstwoche – eine Ausstellung, die weit über die Grenzen des Tölzer Lands bekannt ist. Organisiert wird die große Schau, die heuer von 6. bis 29. September wieder in der ehemaligen Kaserne stattfindet, von neun Künstlerinnen und Künstlern aus Lenggries und Umgebung. Der Tölzer Kurier stellt sie aus Anlass des Jubiläums in Porträts vor – zum Auftakt Vorstand Günter Unbescheid aus der Jachenau.
Ausgedehnte Reisen durch Asien
Die Begeisterung für Fotografie erwachte in Günter Unbescheid, geboren 1951 in Düsseldorf, schon zu Schulzeiten. Als er später in Heidelberg Indologie und Religionswissenschaften studierte, konnte er das Fotolabor der Uni nutzen – ein Segen für den jungen Mann, der während seiner ausgedehnten Reisen in Asien und einem fünfjährigen Forschungsprojekt in Nepal nach seiner Promotion die Kamera kaum aus der Hand legte. Es entstanden Dokumentationen von hinduistischen und buddhistischen Festen und Ritualen, außerdem zahlreiche Landschafts- und Reisefotos in Farbe und in Schwarz-Weiß.

Nach dieser Zeit wechselte Unbescheid in die Wirtschaftsinformatik – und kam so 1988 in die Jachenau. Die Leidenschaft für die Fotografie blieb, deshalb gibt es im Keller von Familie Unbescheid auch ein kleines Labor. Durch einen neuen Job in München verschob sich dann aber der Fokus: Unbescheid entflammte für die Architekturfotografie, gerne moderne Gebäude im Großformat. Sei es der Münchner Flughafen, die Munich Re oder die Speicherstadt in Hamburg – mit Genehmigung der Unternehmen machte Unbescheid seine Streifzüge. „Mich haben immer ungewöhnliche Perspektiven interessiert, zum Beispiel auch mit Doppel㈠belichtungen“, erzählt er. Dann kam 2008 die Finanzkrise. „In dieser Zeit wurde ich kritischer gegenüber den Wirtschaftseinrichtungen“, sagt der 72-Jährige. Eine Zeitlang konzentrierte er sich darauf, in seinen Fotografien auch soziale Konflikte zu diesem Thema aufzugreifen.
Bei mir wird im Vorfeld nichts durchkomponiert.
Dann fand er wieder zurück zur Naturfotografie. „Für mich ist es egal, wie ein Bild entsteht: Die Wirkung ist wichtig“, sagt der 72-Jährige. Er ist sowohl digital als auch analog unterwegs und arbeitet durchaus mal mit einer Lochkamera. „Ich arbeite auch gerne mal archaisch“, sagt er lächelnd. Eine Loch㈠kamera hat er vor einigen Jahren selbst aus einer Plastikdose gebastelt. Er befestigte sie an einem Baum am Walchensee und ließ sie zwei Wochen hängen. „Auf dem Fotopapier muss die Belichtungszeit sehr lang sein.“ Dann entnahm er das Papier, scannte es ein und erhöhte den Kontrast. Heraus kam ein besonderes Bild, auf dem Wasser, Wald und ein Berg deutlich zu erkennen sind, links oben ein außergewöhnlicher Streifen der Sonne. Es sieht aus wie ein Gemälde. „Ich finde es immer sehr spannend, die Dinge dem Zufall zu überlassen“, sagt Unbescheid. „Bei mir wird im Vorfeld nichts durchkomponiert.“
Was ihn antreibt, sei nicht nur der äußere Reiz der Technik, sondern später auch das innere Erleben des Fotos. „Es geht mir nicht darum, einfach nur etwas abzulichten“, sagt der Künstler, der jedes Jahr in verschiedenen Gruppen- und Einzelausstellungen in der ganzen Region seine Werke zeigt.
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Baum-Fotos aus dem Engadin
Immer wieder greift Unbescheid auch Themen auf, die ihn beschäftigen, und macht dann Collagen: Zum Beispiel zur Plastik-Vermüllung unseres Planeten („Plastozän“) oder darüber, wie die Digitalisierung das Leben verändert.
Gelegentlich macht er auch Makroaufnahmen, zum Beispiel von einer Holzrinde. Gerne beobachtet er die Reaktionen in einer Ausstellung. „Das Verblüffende ist: Wenn die Leute so etwas sehen, wollen sie immer ganz genau wissen, was es ist. Bei einem Maler wäre das nicht so“, sagt er lächelnd.
2015 wurde er zum Vorsitzenden der Künstlervereinigung gewählt. Das Motto der Ausstellung in diesem Jahr lautet „Dialog“. Unbescheid beschäftigt sich dafür auf besondere Weise mit dem Wald. Zum einen geht es ihm um den Wald an sich, bezogen auf die Epoche der deutschen Romantik. Zum anderen möchte er einen Bezug zum asiatischen Kulturraum schaffen, von wo aus der Begriff des „Waldbadens“ auch in Deutschland bekannt geworden ist. „Waldbaden“ steht für Entspannung und Ruhe.
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Unbescheid möchte den Stil der japanischen Tuschemalerei mit seinen Bildern verbinden. „Für mich ist das nicht nur ein Dialog der verschiedenen Kunst-, sondern auch der Kulturformen.“ Seine imposanten Baum-Bilder hat Unbescheid im Engadin aufgenommen. Zuhause hat er dann am PC mehrere Bilder übereinandergelegt und mit verschiedenen Mischmodi bearbeitet – bis ihm das Ergebnis gefiel. Die Fotografien sehen aus, als seien sie mit Tusche gemalt, gelegentlich sieht man auch etwas Farbe. „Ich möchte bei der Kunstwoche das Entspannende, Meditative des Waldes vermitteln und gleichzeitig dazu anregen, darüber nachzudenken, was uns kulturell verbindet.“ (müh)