Therapie zu Hause statt in der Klinik?

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Mit kbo-Vorständin Margitta Borrmann-Hassenbach (links) versuchte sich OBin Doris Baumgartl (Mitte) unter Anleitung von Ergotherapeutin Ruth Riker im Siebdruck. © Osman

Nicht jeder, der eine stationäre psychiatrische Behandlung braucht, kann in die Klinik gehen. Diesen Erkrankten bietet die am Klinikum Landsberg angesiedelte kbo Lech-Mangfall-Klinik die stationsäquivalente Behandlung (StäB) an – die Patienten werden von Ärzten und Therapeuten zu Hause aufgesucht.

Landsberg - Seit einem halben Jahr gibt es das Angebot in Landsberg, an den kbo-Standorten Garmisch-Partenkirchen und Agatharied schon etwas länger. Doch insgesamt ist StäB ein noch junges Konzept. 2018 kam es in Berlin erstmals zur Anwendung, wie Oberarzt Dr. Fabian Holzhüter im Gespräch mit dem KREISBOTEN erzählt. Es handele sich dabei nicht um klassische Hausbesuche, sondern um eine aufsuchende Akutbehandlung.

„Über einen Zeitraum von einigen Wochen kommt ein multiprofessionelles Team zum Patienten nach Hause, jeden Tag in der Woche ein anderer Spezialist“, erklärt Holzhüter. Das Team umfasst Ärzte, Psychologen, Bewegungs-, Musik- und andere Therapeuten sowie Pflegekräfte und steht untereinander im engen Austausch.

kbo Landsberg - Dr. Fabian Holzhütter - Oberarzt
Ist von der stationsäquivalenten Behandlung (StäB) als Alternative zum Klinikaufent­halt überzeugt: Dr. Fabian Holzhütter, Oberarzt an der kbo Lech-Mangfall-Klinik. © Osman

Die Patienten müssen hierfür einige Voraussetzungen erfüllen. StäB eignet sich für Erwachsene mit Depressionen, Psychosen, Angsterkrankungen, Persönlichkeitsstörungen sowie psychischen Erkrankungen im höheren Alter. Die Erkrankten dürfen nicht eigen- oder fremdgefährdend sein. Auch für Suchterkrankte gilt das Angebot, zumindest vorläufig, noch nicht.

Angst vor der Klinik?

Was aber kann ein Grund sein, bei den genannten Krankheitsbildern nicht in die Klinik zu gehen? Ein klassischer Fall für StäB ist der Patient, der Angst vor Krankenhäusern hat – oder Angst, überhaupt sein Haus zu verlassen, erklärt Holzhüter. Aber auch an Allein­erziehende richtet sich das Angebot, an Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten und Tiere zu versorgen haben – und auch an die Besitzer von Haustieren, die niemanden haben, der ihnen die Betreuung der Vierbeiner abnimmt.

Eine weitere Voraussetzung ist, dass in der Wohnung ein Rückzugsort vorhanden ist, an dem Vier-Augen-Gespräche möglich sind, und dass alle Haushaltsangehörigen den Besuchen durch das StäB-Team zustimmen. „Im Vorgespräch schauen wir, ob die Indikation und die Rahmenbedingungen passen, und entscheiden gemeinsam“, erklärt Holzhüter.

In Fällen, in denen das häusliche Umfeld zur Erkrankung beiträgt, eignet sich StäB logischerweise nicht. Diese Patienten sind in der vollstationären Behandlung besser aufgehoben. Andererseits kann es erfolgversprechender sein, Verhaltensänderungen in der gewohnten Umgebung anzugehen statt in der Klinik, herausgerissen aus dem Alltag. Holzhüter spricht von langfristigen positiven Effekten, die sich ergeben können, von einer selteneren Re-Hospitalisierung und von größerer Nachhaltigkeit. Vor allem aber werden Patienten erreicht, die anders keine Hilfe bekommen hätten.

Gut, aber aufwändig

In Landsberg gab es am Anfang vier StäB-Patienten, mittlerweile sind es acht, die zur gleichen Zeit betreut werden. „Ziel ist es, bis auf 18 Patienten zu kommen“, sagt Holzhüter. Insgesamt wurden bisher rund 20 Patienten im gesamten Landkreis behandelt. Die Erfahrung zeige, dass StäB „mindestens so erfolgreich ist wie eine stationäre Behandlung“, so der Oberarzt. Die Akzeptanz bei Patienten und Angehörigen sei größer. „Auch die Mitarbeiter arbeiten gerne in diesem Setting.“

Um eines geht es bei StäB nicht – um Kostenersparnis. Die aufsuchende Behandlung ist aufwendig. „StäB ist nicht teurer, aber auch nicht günstiger als eine stationäre Behandlung“, stellt Holzhüter klar. In der am Klinikum untergebrachten kbo Landsberg sind zwölf Teilzeitmitarbeitende in das Konzept involviert, fast alle aus dem bestehenden Klinikteam. Abgedeckt wird das gesamte Landkreisgebiet von Egling bis Apfeldorf.

Lob von der Politik

Die aufsuchende Behandlung war eines der Themen, die beim ,Tag der offenen Tür‘ der kbo am vergangenen Samstag vorgestellt wurden. Oberbürgermeisterin Doris Baumgartl (UBV) und Landrat Thomas Eichinger (CSU) lobten im Rahmen der offiziellen Eröffnung das Konzept. Zu Hause könnten mitunter bessere Ergebnisse erzielt werden als in einem fremden Umfeld, so Eichinger.

Baumgartl betonte, StäB sei gerade für Frauen ein wesentlicher Fortschritt, denn oft sind gerade sie es, die durch Kinder­betreuung, Arbeit in der Landwirtschaft und die Versorgung von Tieren davon abgehalten würden, in eine Klinik zu gehen. Die Zahlen belegen das. In einem von der Deutschen Krankenhausgesellschaft und den Spitzenverbänden der Krankenkassen veröffentlichten „Bericht über die Auswirkungen der stationsäquivalenten Behandlung“ ist zu lesen, dass in den Jahren 2018 bis 2020 die Anzahl der weiblichen Patienten fast doppelt so hoch war wie die der männlichen.

Mitmachangebote beim ,Tag der offenen Tür‘

Im Anschluss an den offiziellen Teil versuchten sich Eichinger und Baumgartl im Siebdruck, einem Angebot der Kunsttherapie. Den ganzen Tag über erhielten Besucher Einblick in die vielfältigen Therapiemöglichkeiten rund um Kreativität, Bewegung, Musik und Entspannung.

Zahlreiche Mitmachangebote ermöglichten es, Dinge selbst auszuprobieren und ihre Wirkung unmittelbar zu spüren – ob beim Trommeln, Tanzen oder Singen, bei einer Klangschalenmeditation, bei Achtsamkeitsübungen oder den langsamen, bewussten Bewegungsübungen des Qi Gong. Vorgestellt wurden außerdem Elemente der Gartentherapie, die heilsame Wirkung bestimmter Kräuter und entspannender Düfte sowie die Mutter-Kind-Therapie. Eine Ausstellung zeigte sehenswerte Patientenarbeiten aus der Ergo-, Arbeits- und Kunsttherapie.