Selbe Taktiken wie Putins Schattenflotte – Ukraine setzt Getreide-Frachter fest
Die Ukraine hat ein verdächtiges Schiff festgesetzt. Dieses soll mit der Krim gehandelt haben. Parallelen zur Schattenflotte tun sich auf.
Odessa – Seit mehreren Jahren beeinträchtigt die Ukraine den Seehandel aus russischen Häfen entlang des Schwarzen Meers. Nachdem Russland größere Teile der Ukraine eingenommen hat, stehen dem Kreml-Diktator Wladimir Putin weitere Häfen zur Verfügung – den die Ukraine teilweise auch unterbinden kann. Eine Schattenflotte könnte die neue Lösung sein.
Ukraine setzt Getreidefrachter fest – Neue Schattenflotte für Putin?
Nach Angaben der Ukraine haben ukrainische Behörden auf der Donau einen Frachter festgesetzt, der illegal Getreide von der Krim-Halbinsel transportiert haben soll – diese ist aktuell von russischen Kräften besetzt. Laut Lloyd‘s List Intelligence, einem auf die Auswertung von Schiffsdaten spezialisierten Portal, handelte es sich konkret um den Frachter Usko Mfu, der unter der Flagge Kameruns fuhr und stellenweise sein Schiffs-Identifikationssystem AIS ausgeschaltet hatte. Den ersten Bericht über eine Lücke im Verkehr der Usko Mfu hatte Lloyd‘s List Intelligence am 8. Juli veröffentlicht.
Die Behörden hätten erfahren, dass das Schiff zwischen 2023 und 2024 mindestens zweimal den Hafen Sewastopol angesteuert hatte – nach ukrainischem Recht ist es verboten, Güter aus dem besetzten Gebiet zu exportieren. Usko Mfu hatte Gerste geladen, der Zielhafen sei die griechische Stadt Souda gewesen. Auf den Kapitän warten nun bis zu fünf Jahre Haft. Schon im Juli 2014, nach der illegalen Annexion der Krim durch Russland, hatte die Ukraine die Häfen der Halbinsel für den Schiffsverkehr geschlossen.
Die letzte bekannte Position der Usko Mfu ist eine Stelle in der Donau, nahe dem ukrainischen Hafen in Reni.
So stützt die Schattenflotte Russlands Wirtschaft
Das Verhalten des Frachters gleicht den üblichen Taktiken, die die Schattenflotte des russischen Präsidenten Wladimir Putin durchführt, um russisches Öl in den Westen zu transportieren. Nachdem die westlichen Industrienationen einen Ölpreisdeckel auf russisches Öl gelegt hatten, um Putins Einnahmen aus dem Ölexport zu verringern, hatte der Kreml sich verschiedene Tricks des Irans und Nordkorea angeeignet, die jahrelange Erfahrung darin haben, Sanktionen zu umgehen. Die Hauptakteure im Falle des Seehandels sind Öltanker, die mutmaßlich keine Versicherungen abschließen und regelmäßig ihre Identifikationssysteme ausschalten, damit ihre Transfers unbemerkt bleiben.
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Unter anderem hatten der britische Guardian und die Financial Times schon von Schiffen berichtet, die seit 2022 verstärkt ihre Ortungssysteme ausschalten oder gleich völlig gefälschte Positionsdaten übermitteln. Der Fall des Transporters Usko Mfu zeigt, dass Russland auch in anderen Wirtschaftszweigen – hier eben Getreide – auf illegal agierende Frachtschiffe setzen könnte, um trotz aller Restriktionen weiter Handel über die Krim zu treiben.
Liefert die Schattenflotte ukrainisches Getreide?
Speziell im Falle der gehandelten Gerste steht es zu befürchten, dass Russland seine eigenen Wirtschaftseinnahmen zumindest teilweise mit gestohlenen Gütern hochtreibt. Das US Department of Agriculture hatte 2020 noch berichtet, dass 22 Prozent aller Gerste-Erzeugnisse innerhalb der Ukraine aus Gebieten kamen, die Russland aktuell (Stand 12. Juli 2024) militärisch besetzt hält. Darunter befinden sich etwa die Region Saporischschja (sechs Prozent), die Krim (fünf Prozent) oder Donetzk (vier Prozent).
Auf der anderen Seite ist dabei nicht eingerechnet, dass in großen Teilen der besetzten Ukraine mittlerweile eher Minen anstatt Getreidesaat in der Erde stecken. Hinzu kommt, dass die ukrainischen Verteidiger genau wissen, wie sie vorgehen müssen, um die Gewinne für Russland zu minimieren und Mehrkosten zu verursachen. Die Krim zum Beispiel ist zur finanziellen Belastung für Russland geworden.
Innerhalb der letzten zehn Jahre ist die russische Getreideproduktion trotzdem stetig angestiegen. Laut dem US Department of Agriculture sind dafür sowohl die Vergrößerung der Saatfläche als auch die verbesserte Ausbeute verantwortlich – für „alle größeren Getreidesorten und Ölsaat“ sei die Produktion deutlich besser. Beim Weizen, bei Sonnenblumenkernen und Raps sei 2022 sogar eine Rekordsumme geerntet worden. In der Ukraine hatte der Krieg eine genau gegenteilige Entwicklung bewirkt. Die „Kornkammer Europas“ hatte drastische Einbußen zu verzeichnen, was die Getreideproduktion anging.
Ukraine erlangt Kontrolle über Schwarzes Meer zurück – Schattenflotte der einzige Ausweg?
Das führt uns wieder zur Usko Mfu und dem Schwarzen Meer. Dieser vergleichsweise kleine Ozean beinhaltet sowohl für Russland als auch für die Ukraine wichtige Handelskorridore – 2022 war es Russland gelungen, weite Teile davon unter seine Kontrolle zu bringen und damit die ukrainischen Exporte einzuschränken. Im Laufe der Kriegsjahre aber hatte die Ukraine eine erstaunliche Expertise im Drohnenkampf erlangt und ein Drittel der russischen Schwarzmeerflotte zerstört. Einige der wichtigsten Schiffe sind dabei vernichtet worden, andere mussten den wichtigen Hafen in Sewastopol verlassen und sich in sichere Gebiete zurückziehen. Seitdem kann die Ukraine wieder mehr über den Schwarzmeerkorridor exportieren.
„Die Ukrainer haben die Russen im Schwarzen Meer erschreckt“, zitierte die Financial Times dazu Daniel Fiott, Assistenzprofessor am Zentrum für Sicherheit, Diplomatie und Strategie der Brussels School of Governance. „Das hat die Fähigkeit Russlands, Transportrouten (im Schwarzen Meer) zu planen, zu koordinieren und zu kontrollieren, erheblich beeinträchtigt. Ich denke, das ist auch einer der Gründe, warum Sie diesen Anstieg auch bei den Getreidelieferungen gesehen haben.“
Die Europäische Union (EU) hatte russisches Getreide noch nicht sanktioniert. Stattdessen hatte die Union im März 2024 die Strafzölle auf russisches und weißrussisches Getreide erhöht. „Abhängig vom spezifischen Produkt werden die Strafzölle auf entweder 95 Euro pro Tonne oder auf einen Wertzoll von 50 Prozent“, hatte die EU-Kommission mitgeteilt. Außerdem sollte Russland und Weißrussland der Zugang zu den EU-Quoten der Welthandelsorganisation haben, wie ihnen für bestimmte Produkte eine bessere Behandlung ermöglicht hätten.