Kaum Verluste an Ukraine-Front: Challenger-Panzer bleibt der Quälgeist für Putins Armee
Gelobt und verflucht: Der britische Challenger-2-Panzer versieht weiter seinen Dienst in der Ukraine – mit weniger Verlusten als Leopard und Abrams.
Kiew – „,Die Geländegängigkeit ist schwierig‘, beschwert sich ein Panzerfahrer“, schreibt David Axe. Der Kriegsreporter hat den britischen Kampfpanzer Challenger 2 auf seinem Blog Trench Art zum Anachronismus im Ukraine-Krieg erklärt. Der deutsche Leopard-Panzer oder der US-amerikanische Abrams gelten als schlagkräftiger im Kampf. Dennoch bleibt der Challenger (zu Deutsch: Herausforderer) der Quälgeist für Wladimir Putins Invasionstruppen.
Westliches Bollwerk gegen Putin: Die kleine Flotte der Challenger-Kampfpanzer hat kaum Verluste erlitten
Die kleine Flotte der Challenger-Kampfpanzer in der Ukraine hat kaum Verluste erlitten – lediglich zwei von 14 gelieferten Exemplaren gelten als Totalverluste laut den Open Source Analysten von Oryx – wobei andere Quellen von Beschädigungen an mehr Fahrzeugen sprechen. Dabei gilt die Waffe als die im Ukraine-Krieg am stärksten kritisierte. „Der britische Panzer wurde zwar für seine Genauigkeit und den Schutz der Besatzung gelobt, doch wie immer muss dem durch Kritik an anderen Aspekten Rechnung getragen werden“, schreibt Stuart Crawford. Für den ehemaligen britischen Panzer-Offizier ist aber der Waffe größter Nachteil ihre geringe Stückzahl, um in einem modernen Krieg eine entscheidende Rolle zu spielen, wie er im Uk Defence Journal geschrieben hat.
Allerdings haben die US-amerikanischen Kampfpanzer in der Ukraine ihren Nimbus weitgehend verloren; der Challenger steht auch im vierten Kriegsjahr an der Front, worauf das Magazin Defense Express hinweist. Und das aus gutem Grund. Gezwungenermaßen scheint er zur Avantgarde der neuen Rolle von Kampfpanzern geworden zu sein. Das jedenfalls behauptet Viktor Murachowski, wie ihn Anfang 2024 das deutsche Militärmagazin hartpunkt zitiert hat: Murachowski zufolge sei in der Ukraine zu beobachten, dass „Kampfpanzer zunehmend als ,Waffenlafette‘ genutzt würden und insofern mit Aufgaben betraut, die ,klassischerweise der Artillerie obliegen‘“, wie hartpunkt-Autor Waldemar Geiger den Chefredakteur der russischen Militärfachzeitschrift Arsenal des Vaterlandes wiedergibt.
„Früher war man in der britischen Armee stolz darauf, dass im Kampf kein einziger CR2 verloren gegangen war (von Friendly Fire-Vorfällen einmal abgesehen). Der Einsatz in der Ukraine hat dies geändert“
Eine Rolle, die der hergebrachten Aufgabe der Panzerwaffe widerspricht; die dem Challenger aber offenbar auf den Leib geschneidert ist: die des selbstfahrenden Artilleriegeschützes, das aus einer gesicherten Stellung heraus feuert. Dazu wurden sie im Kampf um die gefallene Festungsstatdt Robotyne eingesetzt oder im Verwaltungsbezirk Saporischschja, im Süden der Ukraine, wie das Magazin Forbes berichtet hat. Die Challenger 2, die zur 82. Brigade der ukrainischen Luftangriffsstreitkräfte gehören, feuern hochexplosive Geschosse aus ihren 120-Millimeter-Glattrohrgeschützen ab und unterstützen damit die Infanterie. Damit kehrt sich der Sinn der Panzer eigentlich um: Ihren Kampfwert erreichen sie aus der Kombination von Feuerkraft, Schutz und Bewegung. Allerdings kommt der Challenger in der Ukraine nur schwerfällig voran – wenn überhaupt.
Artillerie im Ukraine-Krieg: In von der Ukraine kontrollierten Gebieten operieren sie von Waldrändern aus
Deren Panzerbesatzungen erzählten Forbes, in den von der Ukraine kontrollierten Gebieten operierten sie von Waldrändern aus und bekämpften von den Russen kontrollierte Waldränder in ungefähr drei Kilometern Entfernung. Als eine Form der Artillerie versuchten sie deren voll betonierte, eingegrabene Stellungen zu sprengen. Die britischen Challenger 2 sind die ersten Kampfpanzer westlicher Bauart, die in den Ukraine-Krieg gezogen waren. Lediglich Großbritannien und der Oman – letzterer in sehr geringer Stückzahl – setzen dieses Modell ein. Die britische Armee verfügt nach eigenen Angaben über etwa 230 verbleibende einsetzbereite Challenger 2. Rund 80 weitere Kampfpanzer sollen eingelagert sein; möglicherweise verfügen die Herstellerunternehmen noch über weitere Reserven. 14 Stück sind in die Ukraine gegangen.
Das Fahrzeug ist eigenwillig, und die Briten arbeiten daran, im Nato-Verbund weiterhin kriegstüchtig zu bleiben – sie wollen an dem Fahrzeug festhalten und für viel Geld modernisieren; zum Challenger 3. Caleb Larson hat dieses Update sogar schon zum potenziell besten Panzer der Nato stilisiert. Dennoch macht der eigenwillige Koloss auch in der Modernisierung seine Schwierigkeiten, wie Larson im Magazin The National Security mit Bezug auf eine Einschätzung des britischen Thinktanks Royal United Services Institute (RUSI) darstellt. Für den RUSI-Analysten Jack Watling verdeutliche der Challenger 2 beziehungsweise Challenger 3 die Schwierigkeiten der Nato mit einer Kriegsführung, die Russland aktuell der Ukraine aufnötigt beziehungsweise auch an die westliche Verteidigungsallianz herantragen werde.
Challenger 3 als große Stütze der Nato? Zu teuer, zu schwer und: zu wenige Exemplare
Watling lobt ausdrücklich die Bereitschaft des Vereinigten Königreichs, den Verteidigern im Ukraine-Krieg schnell und entschlossen beigestanden zu haben. Unter den Verbündeten habe das den Briten einen enormen Gewinn an Glaubwürdigkeit beschert. „Um diese Glaubwürdigkeit in Einfluss umzumünzen, muss die britische Regierung ihren Verbündeten jedoch zeigen, dass die britische Armee im Falle einer Ausweitung der russischen Aggression über die Ukraine hinaus mit mehr als nur Bajonetten zur Stelle sein wird“, schreibt Watling. Anders als beispielsweise das ambitionierte und mit Japan und Italien trilateral gestartete Flugzeugprojekt „Tempest“ wird auch die Modernisierung des Challenger vom Start weg kritisiert – zu teuer, zu schwer und: zu wenige Exemplare.

Sein Gewicht hat bereits den Challenger 2 charakterisiert – Anfang 2024 hatte das britische Boulevardblatt Sun eine Reportage über den Kampfwert des Briten-Boliden drehen wollen und filmte ein Fiasko: Der 70-Tonnen schwere Koloss hat sich im weichen Boden der Ukraine festgefahren und war mit seinen Ketten eingesunken. „Früher war man in der britischen Armee stolz darauf, dass im Kampf kein einziger CR2 verloren gegangen war (von Friendly Fire-Vorfällen einmal abgesehen). Der Einsatz in der Ukraine hat dies geändert“, schreibt Ex-Panzermann Stuart Crawford im UK Defence Journal. Watling hatte seine Analyse bereits kurz nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs veröffentlicht – also lange vor der PR-Katastrophe der Sun.
Ständige Updates von Nato-Panzern zweifelhaft: „Das Resultat wäre ein gänzlich neuer Kampfpanzer“
Die Schwierigkeiten bleiben: Laut Richard Thomas sei die britische Armee noch Jahre davon entfernt, den Challenger 3 in den Einsatz zu bringen, wie er Ende 2024 im Magazin Army Technology gemutmaßt hat. Die zu modernisierenden Panzer würden der Nato mit voller Betriebstauglichkeit wohl erst im Jahr 2030 zur Verfügung stehen. Ursprünglich soll mit einem Einsatz im Jahr 2027 gerechnet worden sein. Wenn die Waffen dann modernisiert sind, sollen sie bis 2040 im Einsatz bleiben, so Richard Thomas. Er kritisiert neben der zeitlichen Verzögerung vor allem den Preis: „In Dollar umgerechnet kostet jedes Challenger 3-Upgrade etwa 11,2 Millionen Dollar oder so viel wie ein kompletter Leopard 2A4.“ Dabei sollen auch wohl nur rund 150 Fahrzeuge modernisiert werden.
Als größtes Manko des Fahrzeugs wurde angesehen, dass die Briten ein individuelles Geschütz verbaut und damit den Nato-Standard gesprengt hatten: ein gezogenen L30A1-Geschütz, das kein anderer Nato-Partner einsetzt. Die Lösung für die Umrüstung sei gewesen, die 120-mm-Glattrohrkanone L55A1 von Rheinmetall in den Challenger 3 einzupassen – was eine Änderung des Turmes nach sich zog, aber die logistischen Herausforderungen minimiert, weil das Geschütz beispielsweise auch im Leopard 2A7-Kampfpanzer verbaut ist. „Die Interoperabilität der Nato-Standardmunition im Kaliber 120 mm ermöglicht es den Briten auch, auf die Munitionsbestände der Nato-Verbündeten zurückzugreifen und umgekehrt die Nato-Verbündeten stärker als bisher in die Kampfhandlungen einzubinden“, schreibt Caleb Johnson für das National Security Journal.
In hartpunkt thematisiert Waldemar Geiger den Sinn einer Aufrüstung älterer Panzer, da der Ukraine-Krieg den Kolossen vor allem eine bessere Panzerung abverlangt – gegen Drohnen genauso wie gegen Minen. Damit könnten die älteren Modelle sicherlich sukzessive nachgerüstet werden. Was zu mehr Gewicht führte und dann zur zwingend notwendigen neuen beziehungsweise stärkeren Motorisierung. Und das wiederum verlange womöglich die Modifizierung des kompletten Antriebs, vermutet Geiger. „Das Resultat wäre ein gänzlich neuer Kampfpanzer.“