„Demütigung“: Trumps Ex-Berater rechnet mit Putin-Sieg in Ukraine
Diplomatie nutzt Wladimir Putin nur als Zeitgewinn zum Sammeln seiner Truppen. Vom Frieden scheint die Ukraine so weit entfernt zu sein wie eh und je.
Washington D.C. – „Putin scheint überzeugt zu sein, dass der alte Zauber wieder wirkt“, sagt John Bolton. Im jüngsten Gipfel zwischen Donald Trump mit Russlands Diktator Wladimir Putin über einen Frieden des Ukraine-Krieges hat er ein Desaster für den republikanischen US-Präsidenten gesehen. Während die Moscow Times Putin dahingehend zitiert, dass sein Treffen mit Trump dazu beitragen könne, den Weg zum Frieden in der Ukraine zu ebnen, ist Bolton gegenteiliger Meinung.
Ukraine-Krieg: Jede Art von Feuerpause würde Putin dazu nutzen, seine Kräfte neu zu bündeln
Jede Art von Feuerpause würde Putin dazu nutzen, seine Kräfte neu zu bündeln und seine Invasionstruppen für eine dritte Offensive vorzubereiten, wie der Nationale Sicherheitsberater aus Trumps erster Amtszeit zwischen 2017 und 2021 gegenüber dem US-Sender Sky News geäußert hat. Bolton zufolge sei Putin darauf aus, das russische Imperium wieder zu errichten, wie er das sei mehr als 20 Jahren propagiere, so Bolton. Tatsächlich sei in den Tagen nach dem Gipfel auf der US-Militärbasis Elmendorf-Richardson in Anchorage (Alaska) der Optimismus auf ein greifbares Ergebnis „weitgehend verflogen“, so die Moscow Times. Andere Medien greifen die Skepsis von John Bolton auf – ihnen schwant ebenfalls Böses.
Als „taktische Verzögerung“ bezeichnet Daniel Kestenholz die Intention Putins bezüglich seines Auftritts in Alaska. Der Autor des Schweizer Blick bezieht sich auf Aussagen des US-Thinktanks Institute for the Study of War (ISW), nach der der Geheimdienst der Ukraine bereits Mitte August gewarnt hatte, Russland bereite sich aktuell auf eine Offensive im Oktober beziehungsweise November dieses Jahres vor. Allerdings sei noch herauszufinden, worauf sich russische Truppen in einer „Herbstoffensive“ stürzen wollten. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte am 12. August, Russland könne 15.000 Soldaten in Richtung Saporischschja, 7000 Soldaten in Richtung Pokrowsk und 5000 Soldaten in Richtung Nowopawliwka verlegen, „um die Offensivoperationen in diesen Gebieten in naher Zukunft zu intensivieren“, schreibt das ISW.
„Zunächst einmal freute sich Trump sichtlich über die Gelegenheit, den Friedensstifter zu spielen, und genoss den Prunk seines fürs Fernsehen inszenierten Gipfels in Alaska, inklusive rotem Teppich und Überflug von Tarnkappenbombern“
Fakt ist, dass Russland beispielsweise Pokrowsk weiter im Visier hat, dort jedoch kaum Fortschritte erzielen kann. „Ein taktischer Einbruch kann sich schnell zu einem operativen Durchbruch entwickeln“, hat kürzlich Ex-Nato-General Erhard Bühler gegenüber dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) bestätigt. Den aktuellen Meldungen des ISW zufolge scheint Russland aber gerade dazu außerstande zu sein und sich quasi in einem äußeren Ring um die Metropole festgefahren zu haben. Das ISW macht das fest an der Kritik eines Militärbloggers und vermeintlich früheren Ausbilders der russischen Truppen; der habe behauptet, „der russische Vorstoß bei Dobropillya sei erfolglos gewesen, weil er im Verhältnis zu seiner Tiefe zu wenig in die Breite gegangen sei“.
Frieden im Ukraine-Krieg? „Wir sind genau da, wo wir vor Trumps Amtsantritt waren“
Dobropillya liegt rund 30 Kilometer im Norden Pokrowsks, und Russland war offenbar unfähig, unterstützende Truppen heranzuziehen, um eigene Angriffe abzuschließen oder Gegenangriffe der Ukraine zu verhindern. Offenbar gleichen sich die militärischen Operationen in ihrem Ergebnis mit den diplomatischen Bemühungen. Beide Seiten pochen auf ihre Positionen – Kernpunkt ist, dass Moskau weiterhin territoriale Zugeständnisse für unabdingbar hält und die Ukraine jeden Handbreit der Heimat militärisch wie diplomatisch verbissen verteidigt. Seiner Meinung nach sei die Chance auf Frieden in der Ukraine nach dem Alaska-Gipfel eher noch gesunken zum Stand vor dem Treffen, so Bolton. Auf Nachfrage des Sky-Moderators stimmte er zu, dass dieses Treffen als „Demütigung“ Trumps zu bezeichnen sei.
„Wir sind genau da, wo wir vor Trumps Amtsantritt waren. Russland hat seine Position kein Jota geändert. Der Krieg tobt weiter […] wir haben keine klare Strategie, wie wir Putin dazu bringen können, den Krieg zu beenden“, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters Kurt Volker – der ehemalige US-Botschafter bei der Nato hatte der während Trumps erster Amtszeit als US-Sondergesandter für die Ukraine fungiert, so die Nachrichtenagentur. Ihm zufolge sei die Ukraine von einem Frieden so weit entfernt wie eh und je. Nach übereinstimmender Meinung von Beobachtern brächten die ukrainischen Langstreckenangriffe auf Energieinfrastruktur in Putins Hinterland kein ausreichendes militärisches Gewicht auf, um Putin zu schwächen.

Für Trump nichts Neues: Von einem irgendwie gearteten Einlenken Putins kann keine Rede sein
Jennifer Kavanagh ist überzeugt davon, dass Wladimir Putin den Krieg gewinnt – in Alaska hätte er schon gewonnen, so die Autorin des Magazins Responsible Statecraft: Um die angedrohten Wirtschaftssanktionen sei er herumgekommen und habe seine Angriffe auf die ukrainische Zivilbevölkerung ohne Unterlass fortgesetzt. Tatsächlich scheint auch die Nato aktuell zu rätseln, was jetzt zu tun ist. Von einem irgendwie gearteten Einlenken Putins kann keine Rede sein. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) listet vor Alaska fünf Treffen der beiden Staatenlenker auf – überwiegend habe Trump die Treffen als Erfolg betrachtet. Wie auch das Treffen in Alaska.
„Zunächst einmal freute sich Trump sichtlich über die Gelegenheit, den Friedensstifter zu spielen, und genoss den Prunk seines fürs Fernsehen inszenierten Gipfels in Alaska, inklusive rotem Teppich und Überflug von Tarnkappenbombern“, wie Kavanagh schreibt. Die Erleichterung aus dem Westen, dass überhaupt ein Dialog stattgefunden hatte, stärkte den Eindruck, in Alaska wäre das Eis getaut. Vielmehr wird in Alaska die Neuauflage eines Kalten Krieges wahrscheinlicher geworden sein. Laut Jennifer Kavanagh sitzen die wahren Verlierer in Europa. Wolodymyr Selenskyj sowieso, denn die Zeit gilt als starker Verbündeter Wladimir Putins. Jeden Monat drängt sich die Frage stärker auf, welche Kriegspartei länger würde durchhalten können.
Der Ukraine läuft die Zeit davon: Putin will wohl „,Ukraine-Frage‘ bis 2026 lösen“
Aber auch in Europa drängt die Frage, ob eine „Koalition der Willigen“ tatsächlich die Kraft hätte, mittels militärischen Personals Sicherheit für die Ukraine garantieren zu können. John Bolton deutete im Interview mit Sky jedenfalls an, dass Putin in Methoden seiner Zeit als Agent des russischen Geheimdienstes KGB zurückgefallen sei und auch vor Mord nicht zurückschrecke – Bolton zielte damit vor allem ab auf den Terror gegen die ukrainische Zivilbevölkerung. Allerdings stellt sich die Frage, welchen Kalibers eine europäische Friedenstruppe sein müsste, um Russland vor einem erneuten Zugriff auf die Ukraine abzuschrecken.
Lediglich britische und französische Truppen sind nachweislich kampferprobt, die Finnen und Schweden scheinbar wenigstens auf den Punkt trainiert. Wie so viele UN-Missionen über die Jahrzehnte gezeigt haben, wird sich möglicherweise als schwierig erweisen zu entscheiden, wann die Friedenstruppen schießen dürften, um eine Situation zu lösen, ohne einen Krieg zu riskieren. Und ein Soldat ist sinnlos eingesetzt, wenn ihm zu feuern verboten wird. Die Ukraine rechnet damit, dass jetzt alles ganz schnell gehen könnte, wie Vadym Skibitsky bereits kurz vor dem Alaska-Treffen verdeutlicht hat. Laut dem Generalmajor und stellvertretendem Leiter der Hauptverwaltung für Aufklärung des ukrainischen Verteidigungsministeriums, GUR, wolle Russland die „,Ukraine-Frage‘ bis 2026 lösen“, wie er gegenüber dem ukrainischen Sender Nazionalna Suspilna Teleradiokompanija Ukrajiny sagte.
„Das Erreichen der bisherigen Ergebnisse soll bis zum Ende des Sommers beziehungsweise Anfang Herbst gelingen. Dies gilt sowohl für Kupjansk als auch für Pokrowsk, Torezk und Chasiv Yar – die Termine sind dort klar definiert. Es ist Ende August beziehungsweise. Anfang September“, so Skibitsky. Damit wären dann auch die Nato und ebenfalls die USA in ihrer militärischen Integrität bedroht, argumentiert Sky News-Autor Dominic Waghorn: „Ein Krieg, der als verrückte Idee eines einzelnen Mannes begann, hat sich innerhalb von dreieinhalb Jahren zu einem titanischen Kampf zwischen Ost und West ausgeweitet, der in einer dystopischen Evolution des Krieges zunehmend mit Maschinen ausgetragen wird.“