Sollte eigentlich hinter Gittern sitzen: Die brisante Akte des Aschaffenburg-Verdächtigen

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Bereits vor der tödlichen Messerattacke wurde gegen den verdächtigen Afghanen ermittelt. Zum Zeitpunkt der Tat hätte er laut Behörden nicht frei sein sollen.

Aschaffenburg – Gut eine Woche nach der schrecklichen Messerattacke von Aschaffenburg sitzt der Schock bei den Menschen immer noch tief. Am Mittwoch (22. Januar) hatte ein 28-jähriger Afghane im Schöntal-Park einen zweijährigen Jungen und einen 41-Jährigen getötet. Drei Menschen, darunter ein zweijähriges Mädchen, wurden schwer verletzt.

Seither kommen immer mehr Details zur Vergangenheit des Verdächtigen ans Licht. So wurde der 28-Jährige bereits vor der Messerattacke im Park immer wieder polizeilich auffällig und hätte laut Staatsanwaltschaft gar nicht auf freiem Fuß sein sollen. Die brisante Strafakte des Verdächtigen von Aschaffenburg im Überblick.

Verdächtiger auf dem Weg zum Haftrichter
Der mutmaßliche Messerangreifer aus dem Schöntal-Park wurde seit 2022 mehrfach straffällig. © Daniel Löb/dpa

Verdächtiger von Aschaffenburg wurde das erste Mal 2022 verhaltensauffällig

Auf Anfrage unserer Redaktion gewährte die Staatsanwaltschaft Schweinfurt einen Einblick in die Delikte, die dem 28-jährigen Afghanen vor seiner Messerattacke im Schöntal-Park zur Last gelegt wurden. Wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft erklärt, wurde seit Dezember 2022 in gleich sieben Delikten gegen den mutmaßlichen Messerangreifer ermittelt. Ein Einblick:

  • 8. Dezember 2022: In der Anker-Einrichtung in Niederwerrn, in der der Verdächtige zu dieser Zeit untergebracht war, kommt es zu einer körperlichen Auseinandersetzung. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den 28-Jährigen wegen des Verdachts auf Körperverletzungsdelikte zum Nachteil eines anderen Bewohners, stellt das Verfahren allerdings am 20. März 2023 wegen widersprüchlicher Angaben der Beteiligten ein.
  • 4. März 2023: Der Verdächtige verletzt in der Anker-Einrichtung in Niederwerrn einen anderen Bewohner. Am 22. Juni 2024 wird er wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen à 10 Euro verurteilt.
  • 18. März 2023: In der Anker-Einrichtung in Niederwerrn soll der 28-Jährige einen anderen Bewohner beleidigt haben. Das Verfahren wird eingestellt, da der mutmaßlich Beleidigte keinen erforderlichen Strafantrag stellte.
  • 11. April 2023: Der Verdächtige soll einen anderen Bewohner in der Anker-Einrichtung körperlich angegangen haben. Das Ermittlungsverfahren wird eingestellt, da eine rechtfertigende Notwehrhandlung auch nach Vernehmung eines unbeteiligten Zeugen nicht ausgeschlossen werden konnte.
  • 7. Juni 2023: An diesem Tag soll der Verdächtige einen anderen Bewohner im Anker-Zentrum in Niederwerrn verletzt haben. Die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren ein, da dem Beschuldigten die Tat aufgrund widersprechender Angaben der Beteiligten nicht nachgewiesen werden konnte.
  • 18. Januar 2024: Der 28-Jährige soll das Zutrittserfassungssystem im Schleusenbereich der Anker-Einrichtung im alkoholisierten Zustand vorsätzlich beschädigt haben. Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen den Beschuldigten beim Amtsgericht Schweinfurt, das die Anklage am 21. August 2024 zur Hauptverhandlung zulässt. Diese fand jedoch noch nicht statt.
  • Ein Ermittlungsverfahren wegen des Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz im Zusammenhang mit der illegalen Einreise wurde ebenfalls eingestellt.

Darüber hinaus soll der Beschuldigte laut Informationen der Bild auch mehrmals im Raum Frankfurt polizeilich in Erscheinung getreten sein. Zu etwaigen Vergehen äußerte sich die Staatsanwaltschaft Schweinfurt jedoch nicht.

Staatsanwaltschaft: 28-Jähriger hätte zum Zeitpunkt der Messerattacke gar nicht frei sein sollen

Im Fall der vorsätzlichen Körperverletzung vom 4. März 2023 bezahlte der 28-Jährige laut der Staatsanwaltschaft die vom Gericht verhängte Geldstrafe in Gesamthöhe von 800 Euro nicht und wurde deshalb zum Antritt einer Ersatzfreiheitsstrafe von 40 Tagen geladen. Die Vorladung wurde dem Mann am 23. Dezember 2024, also einen Tag vor Heiligabend, übermittelt. Der 28-Jährige trat die Ersatzfreiheitsstrafe jedoch nicht an.

„Parallel zu diesem Vollstreckungsverfahren hatte sich aufgrund einer weiteren, am 1. Juli 2024 ergangenen Verurteilung des Beschuldigten durch das Amtsgericht Aschaffenburg wegen versuchten Betrugs zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen à 10 Euro (gesamt 150 Euro) eine sogenannte Gesamtstrafenlage ergeben“, erklärt der Sprecher der Staatsanwaltschaft Schweinfurt. In solchen Fällen müsse dann ein Gericht über die Bildung einer Gesamtstrafe entscheiden. „Eine solche Entscheidung hat das dafür zuständige Amtsgericht Schweinfurt – unter anderem wegen zwingend erforderlicher Zustellungen und Übersetzungen noch nicht treffen können“, so der Sprecher.

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Verdächtiger landete trotz verhängter Ersatzfreiheitsstrafe nicht hinter Gitter

Dass der Afghane trotz der verhängten Ersatzfreiheitsstrafe nicht hinter Gittern landete, begründet die Staatsanwaltschaft mit dem einzuhaltenden Rechtsweg. So müsse bei ausstehenden Strafen aus verschiedenen rechtskräftigen Urteilen immer erst eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung nach den Vorgaben der Strafvollstreckungsordnung (StVollstrO) erfolgen, ehe ein Haftbefehl zur Vollstreckung ergehe.

 § 49 Abs. 3 der Strafvollstreckungsordnung (StVollstrO)

„Sind mehrere Ersatzfreiheitsstrafen zu vollstrecken, so gilt § 48 Absatz 2 Satz 1 und 2. Die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafen ist in der Regel bis zur Entscheidung des Gerichts über die Bildung einer Gesamtstrafe zurückzustellen.“

Quelle: Bayerische Staatskanzlei

Das habe laut Staatsanwaltschaft damit zu tun, dass erst nach der Gesamtstrafenbildung die Höhe der Strafe final feststehe. Zudem hätte der 28-Jährige die Ersatzfreiheitsstrafen jederzeit durch die Zahlung der geforderten Geldbeträge abwenden können. Der tödliche Messerangriff im Schöntal-Park konnte so dennoch nicht verhindert werden. (jr)

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