Nato-Land rüstet auf: Polen bildet seine Schüler an Sturmgewehren aus

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Angesichts der weltpolitischen Lage verstärken Nato-Staaten ihre Verteidigungsfähigkeit. In Polen werden sogar Schüler an der Waffe ausgebildet.

Warschau – Im Zuge des Ukraine-Kriegs und der aktuell unvorhersehbaren transatlantischen Beziehungen arbeiten mehrere europäische Nato-Länder daran, ihre Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Ein Land sticht dabei als Spitzenreiter hervor: Polen. Knapp vier Prozent seines Bruttoinlandsproduktes investiert Polen in die Verteidigung. Die polnische Armee entwickelt sich immer weiter zu Europas stärkster Kampftruppe. Dabei wird nicht nur in das Militär selbst investiert – auch in den Schulen wird auf militärische Ausbildung gesetzt.

Nato-Land Polen bildet Schüler an der Waffe aus: Das neue Schulfach „Sicherheitserziehung“

Schülerinnen und Schüler in Polen haben ein ganz besonderes Pflichtfach: Schießtraining. Schon kurz nach der russischen Invasion in der Ukraine 2022, hatte das von der national-konservativen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) geleitete Bildungsministerium den Schießunterricht in der Oberschule eingeführt. Mangels geeigneter Ausstattung mit Waffen und Schießständen war der praktische Unterricht an der Waffe jedoch für eine Übergangsfrist von zwei Jahren freiwillig.

Seit diesem Schuljahr ist das Schießen jedoch obligatorisch und wird sogar benotet. Im Rahmen des neuen Schulfachs „Sicherheitserziehung“ sind in der achten und neunten Klasse jeweils 18 Stunden pro Semester vorgesehen – darunter drei Stunden reines Schießtraining pro Schuljahr, wie der Stern berichtete.

Gewehr statt Grammatik: In Polen lernen die Schüler den Umgang mit Waffen

An der Grundschule Nummer zehn in Pruszkow ist der Schießunterricht schon fest etabliert. Noch reiche das Unterrichtsmaterial nicht aus, um eine ganze Klasse gleichzeitig zu unterrichten, weshalb erstmal nur in Kleingruppen an den zwei Lasergewehr-Sets der pommerschen Firma „Smart Target“ ausgebildet wird. „Das ist erst ein Anfang, wenn es gut geht, kaufen wir mehr Gewehre“, sagte die Schuldirektorin, Miroslawa Sliwinska, dem Stern.

Der Schießunterricht im Rahmen der „Sicherheitserziehung“ sei wichtig. „In der Ukraine herrscht Krieg, wir müssen uns auf ein Überschwappen auf Polen vorbereiten“, erklärte Sliwinska. Mit Unterstützung der Stadtverwaltung konnte die Schule für umgerechnet 2850 Euro ein „Smart Target“-Set mit zwei Laserpistolen und zwei Lasersturmgewehren anschaffen, berichtet der Stern.

Ein Schüler zielt mit einem Luftgewehr. Eine Soldatin erklärt ihm den Waffengebrauch.
Auch in der Ukraine trainieren Schüler mit Waffen (Symbolfoto) © Mykola Tys/dpa

An der Nato-Grenze: Polens militärische Bedeutung für Europa

Es mag drastisch erscheinen, Schüler im Umgang mit Waffen auszubilden, doch angesichts der aktuellen weltpolitischen Lage und Polens militärischer Bedeutung für Europa könnte es ein wichtiger Schritt sein. Als strategischer Puffer zwischen Westeuropa und Russland spielt Polen eine zentrale Rolle in der europäischen Sicherheit.

Mit NATO-Truppen auf seinem Boden und einer wachsenden Armee stärkt es die Verteidigung der Ostflanke. Besonders der Suwałki-Korridor ist von geopolitischer Bedeutung, da er die baltischen Staaten mit dem restlichen NATO-Gebiet verbindet. Zudem unterstützt Polen die Ukraine maßgeblich durch Waffenlieferungen und logistische Hilfe. Damit bleibt Polen ein militärisches Rückgrat Europas und ein entscheidender Akteur für die regionale Stabilität.

Land Polen
Hauptstadt Warschau
Amtssprache Polnisch
Nato-Mitglied seit 1999
Einwohnerzahl ca. 37.000.000

Für Nato-Land Polen ist es ein Zeichen der Selbstbestimmung: Auch Russland bildet Schüler an der Waffe aus

Auch Russland setzt auf Ausbildung im jungen Alter. „Drittklässlern wird in den Schulen beigebracht, keine Angst davor zu haben, auf dem Schlachtfeld für das russische Vaterland zu sterben“, erklärte der Osteuropa-Historiker Prof. Dr. Klaus Gestwa gegenüber IPPEN.MEDIA. In höheren Klassen werde den Schülern die russische Geschichte als Abfolge großer Kriegstriumphe und Eroberungen vermittelt. Gleichzeitig würden sie im Umgang mit Maschinengewehren, Kampfdrohnen und anderen militärischen Fähigkeiten für den Ukraine-Krieg „gedrillt“.

Der Experte Bastian Sendhardt vom Deutschen Polen-Institut betonte im Interview mit 20 Minuten den entscheidenden Unterschied des polnischen Schusswaffenunterrichts zum russischen: Sie lernen nicht, wie man tötet, sondern wie man ein Gewehr bedient – ganz im Gegensatz zu russischen Schulen, wo tatsächlich das Töten gelehrt wird und mit dem Westen als Feindbild gearbeitet wird“.

Der Unterricht werde in Polen als Ausdruck von Resilienz und Patriotismus verstanden. Die kollektive Erinnerung des Landes sei geprägt von mehrfachen Verlusten der Souveränität – durch Deutschland im Zweiten Weltkrieg und anschließend durch die Sowjetunion. Die Fähigkeit, sich mit einer Waffe verteidigen zu können, werde daher in Polen als ein Zeichen von Selbstbestimmung und nationaler Stärke gesehen.

Präsidentschaftswahl in Polen: Umfrage deutet auf Stichwahl hin

Ob Polens hohe Verteidigungsausgaben langfristig beibehalten werden, ist unklar. Am 18. Mai wählt das Land ein neues Staatsoberhaupt. Der amtierende Präsident Andrzej Duda darf nicht erneut kandidieren, was einen möglichen Politikwechsel zur Folge haben könnte. Aktuelle Umfragen zur Wahl zeigen, dass voraussichtlich nur drei Männer realistische Chancen auf den Sieg haben: Rafał Trzaskowski, Karol Nawrocki und Sławomir Mentzen.

Um die Wahl bereits im ersten Wahlgang am 18. Mai zu gewinnen, muss ein Kandidat mehr als 50 Prozent der Stimmen erhalten. Aufgrund der aktuellen Umfragen ist jedoch zu erwarten, dass die Entscheidung über Polens neues Staatsoberhaupt erst in der Stichwahl am 1. Juni fallen wird. (lw)

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