Eigentlich hatten CDU/CSU und SPD dem Koalitionsvertrag gemäß ein Rentenpaket ausgehandelt, dass alle glücklich machen sollte. Die CDU brachte ihr Projekt der Aktivrente dort unter, die CSU die Mütterrente III und die SPD ließ die Haltelinie beim Rentenniveau bis 2031 auf weiterhin 48 Prozent festschreiben. Doch dieses Paket könnte so am Ende nie beschlossen werden.
18 Abgeordnete der Jungen Union im Bundestag protestieren vehement dagegen. Ihnen geht gegen den Strich, dass das Paket eine Andeutung enthält, wonach die Haltelinie auch nach 2031 noch bestehen bleiben könnte. Das würde höhere Ausgaben für die Rentenversicherung und damit auch den Bundeshaushalt und/oder höhere Rentenbeiträge für Arbeitnehmer bedeuten. Den jungen Abgeordneten pflichten auch immer mehr ältere Politiker bei. Die Mehrheit der Koalition steht damit jetzt auf der Kippe.
Finanzierung der Rente wird immer teurer
In dem Streit geht es um eine sehr grundsätzliche Entscheidung. Die Finanzierung der Rente wird mit oder ohne diesem Rentenpaket in den kommenden Jahren immer teurer werden. Dafür sorgt allein der demographische Wandel im Land. Ende vergangenen Jahres gab es geschätzt rund 38,95 Millionen Beitragszahler in der Gesetzlichen Rentenversicherung, die rund 17,5 Millionen Rentner mit ihren Beiträgen unterstützen mussten. Bis 2040 wird die Zahl der Beitragszahler nach Vorausberechnungen des Statistischen Bundesamtes um rund 0,9 Millionen Menschen sinken, während die Zahl der Rentner um 3,2 Millionen Menschen steigen wird.
Rein mathematisch ist hier also klar, dass mehr Rentner auch insgesamt mehr Renten ausgezahlt bekommen werden. Diese höheren Kosten müssen wiederum von denen getragen werden, die Beiträge bezahlen, also von immer weniger Erwerbstätigen. Alternativ könnte der Staat auch immer mehr Geld über den Bundeshaushalt hinzuschießen, aber diese Summen kämen letztendlich aus den Steuereinnahmen. Zwar zahlen auch Rentner Steuern – sowohl direkt für ihre Rente als auch indirekt etwa über die Mehrwertsteuer beim Einkauf – aber der Großteil des Steueraufkommens stammt auch hier von den jüngeren, noch erwerbstätigen Generationen.
Um welche Kosten geht es überhaupt?
Der durchschnittliche Rentner bekommt heute eine monatliche Zahlung von etwa 1563 Euro im Monat. Das ist die letzte Angabe der Deutschen Rentenversicherung für das Jahr 2023 inklusive der Rentenerhöhungen der Jahre 2024 und 2025. Selbst, wenn die Renten um keinen einzigen Euro erhöht würden, würde diese Summe mit der Zahl der Rentner steigen. In diesem Extremfall würden die Kosten von heute 328 Milliarden Euro pro Jahr auf 388 Milliarden Euro im Jahr 2040 steigen. Kumuliert wären das in den kommenden 15 Jahren Mehrkosten von 567 Milliarden Euro.
Jede Rentenerhöhung erhöht diese Mehrkosten. Bekämen Rentner nur einen Inflationsausgleich bei einer durchschnittlichen Inflationsrate von 2,0 Prozent pro Jahr, lägen die kumulierten Mehrkosten schon bei rund 1,6 Billionen Euro. Jede Rentenerhöhung darüber hinaus erhöht sie weiter.
Wer soll diese Kosten tragen?
Erhöhen sich die Löhne wie im Durchschnitt der vergangenen 15 Jahre um 2,7 Prozent pro Jahr, ergeben sich trotz sinkender Zahlen von Erwerbstätigen hohe Mehreinnahmen. Ohne jede Erhöhung des Beitragssatzes würden allein dadurch bis 2040 rund 1,5 Billionen Euro. Um Rentnern also nur einen Inflationsausgleich jedes Jahr zu zahlen, müsste lediglich eine Mini-Lücke von zwölf Milliarden Euro bis 2040 geschlossen werden – weniger als eine Milliarde Euro pro Jahr.
Allerdings würde das bedeuten, dass sich der Einkommensabstand zwischen Rentnern und Erwerbstätigen jedes Jahr vergrößert. Während erstere nur die Inflation von 2,0 Prozent ersetzt bekommen, wären es bei Letzteren 2,7 Prozent mehr pro Jahr. Das Verhältnis der beiden Gruppen wird mit dem Standardrentenniveau gemessen. Das ist definiert als eine Rente nach 45 Beitragsjahren und durchschnittlichem Lohn gegenüber dem durchschnittlichen Lohn eines aktuellen Erwerbstätigen abzüglich seiner Sozialabgaben. Aktuell liegt dieses Standardrentenniveau eben bei 48 Prozent.
Bekämen Rentner nun nur einen Inflationsausgleich, würde das Niveau jedes Jahr absinken. 2040 läge es dann noch bei 43,3 Prozent. In diesem Fall würden Rentner also gegenüber dem heutigen Niveau auf kumuliert 462 Milliarden Euro bis 2040 verzichten. Im Gegenzug müssten die Beiträge nicht erhöht werden.
Umgekehrtes Beispiel: Die Haltelinie
Das eine Extrembeispiel sind also stabile Beiträge, dafür aber ein sinkendes Rentenniveau, was ausschließlich zu Lasten von Rentnern ginge. Das andere Extrembeispiel wäre die bisher festgeschriebene Haltelinie. Sie sagt, dass das Rentenniveau immer bei 48 Prozent liegen soll. Bisher gilt das nur bis 2031, wir rechnen es jetzt aber fiktiv bis 2040 weiter. Würde die Haltelinie bis dahin festgeschrieben, würden die Kosten für die Renten um 1,867 Billionen Euro steigen. Abzüglich der durch Lohnerhöhungen hereinkommenden Mehreinnahmen bliebe ein Defizit von rund 393 Milliarden Euro, das durch Beitragszahler gestemmt werden müsste. Das ginge nur über Beitragserhöhungen. Theoretisch würde dafür eine Steigerung des monatlichen Beitrags um ein Prozent von 18,6 auf 19,6 Prozent ausreichen, allerdings nur, wenn dies ab 2026 gelten würde. Jede spätere Erhöhung müsste entsprechend höher ausfallen, um die notwendigen Einnahmen bis 2040 zu generieren.
Tatsächlich wird es am Ende einen Kompromiss geben müssen. Der ist auch im jetzigen Rentenpaket schon vorgesehen. So wird die Haltelinie bisher bis 2031 festgeschrieben und der Rentenbeitragssatz dafür entsprechend erhöht. Da der Anstieg erst ab 2027 erfolgt und dann auch langsamer als notwendig, soll der Beitragssatz 2031 bei 20,3 Prozent liegen. Ob er danach weiter steigen muss, hängt stark von den dann geltenden Bevölkerungs- und Wirtschaftsprognosen ab sowie davon, wie sich Renten und Beiträge entwickeln sollen. Mutmaßlich dürfte das Rentenniveau ab dann aber bis 2040 leicht sinken.
Das bedeutet die Haltelinie für den Rentner und Arbeiter
Bisher haben wir nur über die gesamtgesellschaftlichen Kosten geredet, aber hinter denen stecken natürlich immer einzelne Personen. Ohne Haltelinie etwa muss jeder einzelne Rentner auf Geld verzichten. Die Standardrente nach 45 durchschnittlichen Beitragsjahren liegt aktuell bei 1836 Euro brutto, tatsächlich werden im Schnitt 1563 Euro pro Monat ausgezahlt.
Gibt es keine Haltelinie und sollen die Beiträge nicht erhöht werden, würde die Standardrente bis 2040 auf 2470 Euro pro Monat steigen. Das sind immerhin 35 Prozent mehr als heute, aber auch 267 Euro pro Monat weniger, als wenn das Rentenniveau bei 48 Prozent gehalten würde. Durch das Szenario des Rentenpakets, bei dem die Beiträge ansteigen, würde das Niveau bis 2040 wohl nur auf rund 45 Prozent fallen. Aber auch das wären dann 167 Euro weniger pro Monat und Rentner als mit 48 Prozent. Kumuliert würde das Rentenpaket den Standardrentner bis 2040 rund 14.000 Euro an Einnahmen kosten. Beim Durchschnittsrentner sind es mit rund 12.000 Euro etwas weniger.
Ausgaben für Beitragszahler steigen
Auf der anderen Seite muss jeder Beitragszahler schon jetzt mit höheren Ausgaben rechnen. Die Bundesregierung erhöht den Beitragssatz 2027 auf 18,8 Prozent. Ab 2028 soll der Beitragssatz dann sogar auf 20,0 Prozent steigen, ab 2031 rechnet die Bundesregierung mit 20,3 Prozent, ab 2035 mit 21,2 Prozent und ab 2040 mit 21,4 Prozent. Als Arbeitnehmer tragen Sie davon jeweils die Hälfte.
Mit dieser Progression wären das ab 2027 für den Durchschnittsverdiener 24 Euro mehr Rentenbeitrag pro Monat. Die Summe steigert sich bis 2040 auf 143 Euro pro Monat. Kumuliert ergibt das für den Durchschnittsverdiener eine Zusatzbelastung von knapp 2400 Euro in den kommenden 14 Jahren. Dass die pro Person geringer ausfällt als bei Rentnern, ist logisch. Es gibt schließlich auch mehr als doppelt so viele Erwerbstätige wie Senioren.
Bleibt die Haltelinie, erhalten Rentner 12.000 Euro mehr
Umgekehrt zeigt das aber auch die Kosten, gegen die sich die Junge Union jetzt so vehement wehrt. Würde die Haltelinie tatsächlich bis 2040 verlängert, müsste eben jeder Rentner bis dahin im Schnitt 12.000 Euro mehr erhalten. Bei mehr als 20 Millionen Rentnern kommt das eine Summe von rund 243 Milliarden Euro zusammen. Die erhöhten Beiträge würden sich aber nur auf 91 Milliarden Euro summieren. Die restlichen 152 Milliarden Euro bleiben offen. Die JU selbst rechnet mit 120 Milliarden Euro. Wie gesagt, diese Zahlen hängen sehr stark davon ab, mit welchen Bevölkerungszahlen man rechnet. Entweder müsste das über den Bundeshaushalt finanziert werden oder über stärkere Beitragserhöhungen.
Die jungen Politiker wollen jetzt also erreichen, dass die ältere Generation ebenfalls an diesen Kosten beteiligt wird. Das geht nur, indem das Rentenniveau abgesenkt wird.