Professor Heinemann-Grüder - „Russland könnte die Atempause nutzen“, warnt Experte und macht Taurus-Ansage an Merz
Der Politikwissenschaftler Andreas Heinemann-Grüder kritisiert den Ukraine-Kurs von Noch-Kanzler Olaf Scholz (SPD) scharf. An die neue Bundesregierung hat er klare Forderungen. Eindringlich warnt er vor einem „schmutzigen Frieden“ nach Plänen von Trump und Putin.
Mit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump ist Bewegung in die Weltpolitik gekommen. Das betrifft auch das seit nunmehr drei Jahre andauernde Blutvergießen in der Ukraine.
Am 24. Februar 2022 hatten russische Truppen das Nachbarland überfallen. Seitdem tobt ein heftiger Krieg mit Hunderttausenden Toten, Vertreibungen und Zerstörungen unfassbaren Ausmaßes.
Donald Trump glaubt, er könne den grausamen Konflikt sehr schnell beenden – und führt mit Russlands Präsident Wladimir Putin Gespräche über Friedenslösungen. Dabei lässt er die Ukraine mit Präsident Wolodymyr Selenskyj und die EU weitgehend außen vor.
Politikwissenschaftler warnt vor „schmutzigem Frieden“
Der Politikwissenschaftler Andreas Heinemann-Grüder sieht die Entwicklung kritisch. Gegenüber FOCUS online sagte er: „Drei Jahre nach Kriegsbeginn sind die Signale unmissverständlich: Die USA kündigen die Unterstützung der Ukraine auf und sind bereit, sich in imperialer Manier mit dem Aggressor Putin zu einigen.“
Wie das in Deutschland bisweilen ankommt, beschreibt er so: „Politiker am linken und rechten Rand frohlocken: Endlich wird mit Putin verhandelt. Den Preis eines schmutzigen Friedens müssen sie allerdings nicht selbst zahlen.“
Auf die Frage, wie Europa und insbesondere Deutschland mit neuer Bundesregierung auf die neue Trump-Putin-Allianz reagieren müsse, sagte der Experte vom Centre for Advanced Security, Strategic and Integration Studies (CASSIS) der Universität Bonn:
„Die Rüstungsproduktion in der Ukraine sollte entscheidend durch bilaterale und multilaterale Partnerschaften gestärkt werden.“
Neue Regierung: „Kanzler Merz sollte den Taurus liefern"
Die gescheiterte Ampel-Regierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe die Reichweiten der gelieferten Raketen bisher beschränkt, so der Politikwissenschaftler. Mit Blick auf den wahrscheinlichen Scholz-Nachfolger Friedrich Merz (CDU) forderte er auf FOCUS online:
„Kanzler Merz sollte den Taurus liefern und dem Beispiel von Frankreich und Großbritannien folgen.“ Die beiden Länder haben der Ukraine die Erlaubnis zum Einsatz weitreichender Waffen gegen Ziele auf russischem Staatsgebiet erteilt – „in der Logik der Selbstverteidigung“, wie Frankreichs Außenminister Jean-Noël Barrot betonte.
Umfängliche Lieferungen auch schwerer und reichweitenstarker Waffen in die Ukraine seien dringend notwendig, meint Heinemann-Grüder. Er warnt: „Warum sollte ein von Trump und Putin ausgehandelter schmutziger Frieden ohne militärische Unterstützung der Ukraine halten?“

Mit seinen Vorgaben – die Ukraine dürfe nicht Mitglied der Nato werden, die russisch besetzten Gebiete bleiben bei Russland, Europa soll künftig für die Sicherheit der Ukraine verantwortlich zeichnen – habe Trump die transatlantische Wertegemeinschaft „faktisch aufgekündigt“, so der 67-Jährige.
Von Reparationen, von Völkermord, einem Kriegsverbrechertribunal, der territorialen Unversehrtheit oder dem Recht auf Rückkehr sei schon nicht mehr die Rede. „Wollten die Russen früher Europa gegen die USA in Stellung bringen, finden sie in Trump nun einen Verbündeten“, konstatiert der Professor.
Zugleich kritisiert er die Kritik an der Entwicklung in europäischen Hauptstädten als „wohlfeil“, denn die Ukraine sollte „de facto nie ertüchtigt werden, russisch besetzte Gebiete zurückzuerobern. Putins Krieg sollte nur verlangsamt werden.“
„Russland könnte die Atempause zur Regeneration nutzen“
Andreas Heinemann-Grüder: „Die Reichweitenbeschränkung bei Raketen für die Ukraine und die zögerliche Lieferung schwerer Waffen durch die Scholz-Regierung garantierte stets die Ungleichheit der Waffen zu Putins Gunsten.“
Das größte Risiko eines Deals zwischen Trump und Putin bestehe darin, „dass infolge eines Waffenstillstandes der Frieden vermeintlich ausgebrochen ist und die Unterstützung nicht nur der Amerikaner, sondern auch der Europäer einbricht“.
Russland könnte die Atempause zur Regeneration nutzen, wieder aufrüsten und später versuchen, „sich doch noch die gesamte Ukraine einzuverleiben“, warnt der Professor gegenüber FOCUS online.