Zoff bei den Unterhändlern der Koalitionsverhandlungen

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Heute sollen die Unterhändler von Union und SPD ihren Chefs einen Zwischenstand vorlegen. Viel Konsens, wenige Streitpunkte, so war der Plan. Doch es knallt in den Arbeitsgruppen, teils heftig. Dauert alles länger?

Berlin – Es ist ein kleiner giftiger Eklat, der da aus der Arbeitsgruppe Haushalt/Steuer erzählt wird. Am Donnerstag saßen die Unterhändler von CDU, CSU und SPD beisammen, als es plötzlich wegen des Ehegatten-Splittings hitzig wurde. Die armen Frauen seien Opfer, würden in schlechte Steuerklassen gedrängt, argumentierte eine SPD-Politikerin sinngemäß. „Halten Sie die Frauen wirklich für so dumm?“, konterte die CSU-Finanzpolitikerin Mechthilde Wittmann. Binnen Sekunden eskalierte die Lage, die SPD forderte eine „sofortige Entschuldigung“, marschierte unter Protest aus dem Raum.

Aus diesen Mienen spricht wenig Fröhlichkeit: Friedrich Merz im Bundestag mit Karl Lauterbach, Lars Klingbeil und Alexander Dobrindt.
Aus diesen Mienen spricht wenig Fröhlichkeit: Friedrich Merz im Bundestag mit Karl Lauterbach, Lars Klingbeil und Alexander Dobrindt. © RALF HIRSCHBERGER

Der Knall bei den Haushältern mag für sich genommen nicht dramatisch sein. In der Union gibt es eher Sympathien dafür, dass mal jemand den Genossen Widerworte gab. Nach einer Stunde fand sich die SPD eh wieder ein, und die Unions-Leute schauten sich in der Zwischenzeit Halbzeit eins des Fußball-Länderspiels an. Doch der Vorgang steht dafür, dass sich schon nach einer Verhandlungswoche Frust staut.

Koalitionsverhandlungen angespannt: Zwist in der Haushaltsgruppe ist am größten

In der Haushalts-Gruppe ist das am deutlichsten. Dem Vernehmen nach ist da fast keine Frage gelöst. Die SPD will den Spitzensteuersatz anheben, intern kursieren Zahlen von 47 bis 49 Prozent, dafür die Unternehmenssteuern nur minimal um einen Punkt senken. Um Gastro- und um Mehrwertsteuer gibt es Zoff, ums Splitting und um eine temporär erhöhte Abschreibung von Investitionen. Das ist heikel, denn heute, 17 Uhr, sollen die 16 Arbeitsgruppen ihre Vorschläge in die Chefetage geben. Geplant war, dass dann eine Steuerungsgruppe und notfalls die Parteivorsitzenden selbst daraus einen Koalitionsvertragsentwurf redigieren. Zeit: eine Woche.

Unterhändler berichten aber, dass es auch bei Migration wieder Dissens gibt, bei Mindestlohn (die SPD beharrt auf 15 Euro 2026), Rentengarantie, Heizgesetz-Rücknahme, Verbandsklagerecht und Abtreibungsrecht. Der Zeitplan für eine Einigung scheint zu wackeln. Gleichzeitig steigt der Druck. CDU-Chef Friedrich Merz sieht sich wachsender Kritik ausgesetzt. Er hätte im Wahlkampf ehrlicher über die Schulden reden sollen, lässt ihn etwa Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther via ZDF-Interview wissen. „In der Tat ist dieser Widerspruch natürlich da.“ Im neuen Politbarometer der Forschungsgruppe Wahlen hätten Union (27) und SPD (16) ihre Mandatsmehrheit schon wieder verloren, andere Umfragen haben ähnliche Daten. Die AfD holt mit 22 bis 23 Prozent auf.

Kreise: SPD fährt bei Koalitionsverhandlungen Zermürbungstaktik

Mehrere Unions-Unterhändler aus den Fachgruppen schildern im vertraulichen Gespräch ihren Eindruck, die SPD spiele auf Zeit, wolle die CDU- und CSU-Kollegen damit zermürben, gefundene Kompromisse plötzlich wieder aufzukündigen. „Bis ins Mark frustrierend“ sei das, zitiert die „FAZ“ die Unionsseite. Ebenso rumort es bei der SPD, wo pragmatischere Politiker von ihrer Führung angeblich fordern, sich bei der Migration mehr zu bewegen. Kleine Fouls häufen sich. Unter anderem wurde publik, dass SPD-Chefin Saskia Esken sich mitten in den Verhandlungen zu einem Kurzurlaub zurückgezogen hat – von „Palmenhainen in Lanzarote“ schreibt „Bild“, Esken wolle erst wieder in der Chef-Runde ab dieser Woche eingreifen.

Das Wahlergebnis muss sich im Inhalt des Koalitionsvertrags widerspiegeln.

CSU-Chefverhandler Alexander Dobrindt erinnert die SPD nun mal ans Größenverhältnis. „Das Wahlergebnis muss sich im Inhalt des Koalitionsvertrags widerspiegeln“, sagt er unserer Zeitung. Der Dreiklang Investieren, Konsolidieren, Reformieren müsse gelingen, das sei eine der großen Herausforderungen der Verhandlungen gerade. „Das Gleiche gilt für den Stopp der illegalen Migration. Hier muss der Politikwechsel besonders deutlich werden“, verlangt Dobrindt.

Merz klingt düster

Merz klang am Wochenende schon etwas düsterer. Er arbeite mit SPD-Chef Lars Klingbeil gerade bei der Migrationswende zusammen in der Erwartung, dass es gelinge. „Wenn es uns nicht gelingt, ist meine politische Karriere eh beendet.“ Das sei dann „zu einem Zeitpunkt, zu dem ich damit umgehen kann“, für Klingbeil sei „der Zeitpunkt aber ein bisschen zu früh“. (Christian Deutschländer)

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