Kommunikationsexperte Michael Ehlers: Achtung: Toxische Motivation kann teuer werden
“Steh endlich auf! Reiß dich zusammen! Wenn du es wirklich wolltest, hättest du es längst getan!“
Solche Sätze klingen nach aggressivem Drill, autoritärem Chef oder toxischem Coach. Und trotzdem – sie wirken. Kurzfristig.
Denn toxische Motivation funktioniert – und das ist keine Meinung, sondern Psychologie. Warum der Tritt in den Allerwertesten in Bewegung bringt, aber langfristig die Seele ausbremst, erkläre ich Ihnen hier.
Über Michael Ehlers
Michael Ehlers ist Rhetoriktrainer und coacht seit über drei Jahrzehnten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Unternehmer, Top-Manager/innen, Profi-Sporttrainer, Influencer und viele mehr. Der mehrfache Bestsellerautor (u.a. "Rhetorik - Die Kunst der Rede im digitalen Zeitalter“ und „Der Fisch stinkt vom Kopf mit seinem Alter Ego Hein Hansen“) ist gefragter Experte und hat zum Beispiel für Focus, N-TV, ZDF und nahezu allen ARD-Sendern Rhetorik-Analysen durchgeführt (Kanzler-Duelle, Putin-Analysen). Ehlers ist Geschäftsführender Gesellschafter der Institut Michael Ehlers GmbH, Bamberg, Director of the Center for Rhetoric at SGMI Management Institute St. Gallen und Dozent des St. Galler Management Programm (SMP). Er tritt regelmäßig auf Veranstaltungen als Keynote-Speaker auf.
1. Schmerz schlägt Komfort
Die meisten Menschen handeln nicht, weil es ihnen zu schlecht geht – sondern weil es ihnen zu gut geht. Oder, sagen wir besser: zu bequem. Der toxisch motivierende Mensch – nennen wir ihn den „Drill Sergeant im Hoodie“ – weiß das. Also erzeugt er künstlichen Schmerz:
Schuld, Scham, Druck, Angst vor dem Scheitern. Er trickst Ihr Gehirn aus: Raus aus dem Wohlfühlmodus – rein in den Überlebensmodus. Das macht wach. Das setzt Energie frei. Und plötzlich erledigen Sie in zwei Stunden, wovor Sie sich zwei Wochen gedrückt hast.
Willkommen in der Schmerz-Produktivitätszone.
2. Identitäts-Herausforderung
„Du benimmst dich gerade wie jemand, der scheitert.“ Autsch. Solche Sätze sind keine Kritik – sie sind ein Frontalangriff auf Ihr Selbstbild. Denn toxische Motivation trifft einen wunden Punkt: Die Frage „Wer will ich sein?“ Und wenn jemand Ihre Identität in Zweifel zieht, springt nicht nur Ihr Ehrgeiz an – sondern auch Ihr innerer Stolz.
„Ich? Ein Versager? Niemals!“ Und zack – arbeiten Sie wie wild, nur um zu beweisen, dass Sie nicht dieser Mensch sind. Das ist kein Zufall. Das ist Identitätsmanagement durch Provokation.
3. Rebellion erzeugt Aktion
„Du wirst das eh nicht schaffen.“
„Mach dir nichts vor – das ist eine Nummer zu groß für dich.“
Diese Sätze sind nicht hilfreich. Sie sind Gift.
Aber genau dieses Gift wirkt auf manche wie ein doppelter Espresso mit Pfeffer und Nitro-Boost.
Der Trotz-Modus wird aktiviert. Jetzt will man es wissen. Sich beweisen. Den anderen Lügen strafen. Und ja – auch sich selbst.
Der Mensch liebt es, sich gegen Widerstände durchzusetzen – solange er das Gefühl hat, selbst zu bestimmen. Toxische Motivation macht sich das zunutze. Sie reizt deinen inneren Rebellen.
Aber Achtung: Der Preis ist hoch
Toxische Motivation ist wie ein Schuss Espresso auf nüchternen Magen: Er wirkt. Aber er macht dich nicht satt.
Wer dauerhaft auf Druck, Scham oder Trotz setzt, riskiert:
- Selbstzweifel, wenn’s nicht klappt.
- Burnout, wenn’s nie reicht.
- Abhängigkeit, wenn’s ohne Druck nicht mehr geht.
Denn wer immer wieder angeschrien werden muss, um in Bewegung zu kommen, hat irgendwann verlernt, sich selbst zu führen.
Fazit: Zwischen Tritt und Trick – was wirklich wirkt
Toxische Motivation hat einen Effekt – aber keinen Charakter. Sie bringt Sie ins Handeln, aber nicht ins Wachsen. Deshalb gilt: Ab und zu ein ironischer Tritt in den Hintern? Kein Problem. Mit einem Augenzwinkern, einem Witz und einem Lächeln. Humor entgiftet.
Aber dauerhaft toxisch zu motivieren – ob andere oder sich selbst – ist, wie mit Stacheldraht zu kuscheln: Unvergesslich, aber nicht gesund.
Dieser Beitrag stammt aus dem EXPERTS Circle – einem Netzwerk ausgewählter Fachleute mit fundiertem Wissen und langjähriger Erfahrung. Die Inhalte basieren auf individuellen Einschätzungen und orientieren sich am aktuellen Stand von Wissenschaft und Praxis.