Deshalb wäre Trumps Friedensplan für die Ukraine katastrophal

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Trump und Selenskyj bei einem Besuch im Weißen Haus. © Alex Brandon/AP/dpa

Der amerikanische Präsident muss seinen Wunsch nach einer schnellen, Putin-freundlichen Lösung durch das Streben nach einer gerechten Einigung ersetzen.

Obwohl Präsident Donald Trump versprach, den Ukraine-Krieg innerhalb von 24 Stunden nach Amtsantritt zu beenden, zeigt die russische Aggression keinerlei Anzeichen eines Nachlassens. Am Donnerstag schlugen russische X-101-Marschflugkörper in einem Wohnkomplex in der westukrainischen Stadt Ternopil ein und töteten 26 Zivilisten. Russland verschärfte diesen verheerenden Angriff durch weitere Schläge auf die ukrainische Energieinfrastruktur, was landesweite Stromausfälle zur Folge hatte.

Diese düsteren Entwicklungen gehören für die Menschen in der Ukraine zum Alltag. Um die Pattsituation zu beenden und sein Vermächtnis als Friedenspräsident zu sichern, hat Trump den Dialog zwischen Amerika und Russland neu entfacht. Diese Verhandlungen führten zu einem Entwurf für einen Friedensplan, der ein baldiges Ende des Krieges auf Kosten der Ukraine und der langfristigen Sicherheit Europas bringen könnte.

Das erschütterndste Element des Plans ist die Forderung nach einer einseitigen ukrainischen Abtretung von Krim und Donbas an Russland. Während die Krim bereits im März 2014 von Russland annektiert wurde und Luhansk seit Mitte 2022 größtenteils unter russischer Kontrolle steht, bleibt die Zukunft von Donezk weiterhin offen.

Russische Offensiven und ihre Folgen für Donezk

Die Dynamik der russischen Offensive in Donezk bleibt äußerst langsam. Russische Truppen benötigten mehr als zwei Jahre, um 11 km vom westlichen Bachmut bis zum Westrand von Tschassiw Jar vorzurücken, und fast 18 Monate, um an den Rand der Einnahme von Pokrowsk zu gelangen.

Im August äußerte das in Washington DC ansässige Institute for the Study of War, dass „Russland nur dann schnell die gesamte Region Donezk einnehmen könnte, wenn die Ukraine Putins Forderung nachgibt und sich daraus zurückzieht“. Trotz jüngster Frontgewinne Russlands gilt diese Einschätzung weiterhin. Der Widerstand der Ukraine in Großstädten wie Slowjansk und Kramatorsk könnte noch Monate oder gar Jahre andauern, und Russland betrachtet eine Friedensregelung als einzig realistische Möglichkeit, dieses Gebiet zügig zu übernehmen.

Humanitäre und sicherheitspolitische Konsequenzen

Vor diesem Hintergrund ist die Forderung des Trump-Friedensplans nach einseitigen Gebietsabtretungen ein unkluger Schritt. Aus humanitärer Sicht würde dies Millionen von Ukrainern dauerhaft der brutalen Realität eines Lebens unter russischer Besatzung ausliefern.

Seit dem ersten Überfall Russlands auf die Ukraine im Jahr 2014 wurden Ukrainer, die sich der Russifizierung widersetzten, verschleppt, gefoltert und Opfer abscheulicher sexualisierter Gewalt. Die Wiedereinführung der Todesstrafe in Donezk und Luhansk hat eine juristische Grundlage für außergerichtliche und politisch motivierte Hinrichtungen geschaffen.

Kinder in den besetzten Gebieten sind mit einem Bildungssystem konfrontiert, das den russischen Militarismus verherrlicht, und der Widerstand der Eltern kann strafrechtliche Konsequenzen haben. Am 22. April suchte die russische Polizei eine Mutter in Luhansk auf, weil sie ihr Kind nicht zum wöchentlichen Unterricht „Gespräche über das Wesentliche“ schickte, der Wladimir Putins dystopische Vorstellung eines neuen russischen Imperialismus propagiert. Aus Angst, ihr Kind an Pflegefamilien oder eine Zwangsadoption nach Russland zu verlieren, musste die Mutter aus ihrer Heimat im Donbas fliehen.

Auswirkungen auf die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine

Auch aus sicherheitspolitischer Sicht ist eine solche Kapitulation verheerend. In den vergangenen 11 Jahren hat die Ukraine massiv in den Bau eines 50 km langen Verteidigungsgürtels im westlichen Donezk investiert. Dieser ist mit Schützengräben, Bunkern und Minenfeldern versehen und hält Russland davon ab, weiter nach Westen vorzudringen. Gemäß Trumps Friedensplan müssten diese Befestigungen abgebaut werden, und es könnten Jahre vergehen, bis vergleichbare Infrastruktur an neuen Grenzlinien aufgebaut ist.

Verschärfend kommt hinzu, dass Trump nun versucht, die militärischen Möglichkeiten der Ukraine nach dem Krieg einzuschränken. Auch wenn dies eine leichte Verbesserung gegenüber Russlands angeblichen Forderungen nach einer 50.000-Mann-Armee während der Istanbuler Friedensgespräche im März 2022 darstellt, würde die Reduzierung auf eine 400.000-Mann-Armee bedeuten, dass der Großteil der derzeitigen Streitkräfte entlassen wird. Zudem schrumpft damit auch der Spielraum für die geplante drohnenzentrierte Militärinnovation nach dem Krieg und Kyjiws Fähigkeit, hochmoderne Nato-Technologie zu integrieren.

Ungleiche Demilitarisierungsbedingungen und politische Lage

Russlands gleichzeitige Zusage einer entmilitarisierten Zone im Donbas ist ein völlig unausgewogenes Zugeständnis. Von 2014 bis 2022 bestritt Russland regelmäßig die Präsenz eigener Truppen in der Ukraine und setzte stattdessen Milizen wie die Volksrepubliken Donezk und Luhansk ein. Nach einem ähnlichen Muster könnte Russland Kräfte nahe der neuen ukrainischen Grenzen konzentrieren und Kyjiw ohne echte Verteidigungsmöglichkeiten zurücklassen.

Obwohl Wolodymyr Selenskyj Trumps Friedensplan nicht rundweg ablehnt, wird er die amerikanischen Entscheidungsträger nachdrücklich bitten, die Folgen von Gebietsabtretungen zu bedenken und sich mit Europas „Stachelschwein-Strategie“ eines hochgerüsteten ukrainischen Staats zu solidarisieren.

Selenskyj wird zudem weiterhin um Rüstungsgüter für den bevorstehenden russischen Winterkrieg und robuste westliche Sicherheitsgarantien kämpfen. Trumps bisherige Ungeduld mit den Bitten der Ukraine macht Selenskyjs Vorhaben zur schwierigen Aufgabe und könnte eine Rückkehr zu dessen negativem Kurs gegen Kyjiw, wie nach dem Treffen im Oval Office im Februar, auslösen.

Trumps Engagement für ein Ende des Leids

Trumps hartnäckiges Bemühen, das große menschliche Leid in der Ukraine zu beenden, ist grundsätzlich lobenswert. Doch um dieses Ziel zu erreichen, muss der amerikanische Präsident seinen Wunsch nach einer schnellen, Putin-freundlichen Lösung durch das Streben nach einer gerechten Einigung ersetzen, die langfristige russische Aggression abschreckt. (Dieser Artikel von Samuel Ramani entstand in Kooperation mit telegraph.co.uk)