Kein Ende des Ukraine-Kriegs: Ex-CIA-Beamter mit Warnung wegen Trumps Friedensplan – „fataler Fehler“

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In Kiew herrschen gleichzeitig Offenheit für und Entsetzen über den US-Friedensplan. Ein ehemaliger CIA-Analyst fasst die Risiken zusammen.

Kiew – „Die publik gewordenen Dokumente zum US-Friedensplan für die Ukraine beruhen auf einem fatalen Fehler“, sagt Paul Globe, ehemaliger CIA-Analyst aus den USA. „Sie beruhen auf der Annahme, dass ein Ende der Kämpfe auch eine Lösung des Konflikts darstellt“. Gegenüber der Kiew Post ordnete er das Papier der Trump-Regierung als großes Risiko für die Ukraine ein - sogar als grundlegend undurchführbar.

„Ich sehe keine Möglichkeit, dass die Ukrainer auch nur annähernd die Pläne akzeptieren werden, die mir bekannt geworden sind. Sie sind einseitig, sie stellen Zugeständnisse an die Russen dar, und ich denke, es wird enormen Widerstand geben“, meinte Globe gegenüber der Kiew Post.

AFP_84PR763.jpg © picture alliance/ALEXANDER NEMENOV

Das sind die Bedingungen des US-Friedensplans für die Ukraine

Im Kern könnten vor allem folgende Bedingungen des US-Friedensplans für die Ukraine unakzeptabel sein: kein Nato-Beitritt der Ukraine, ein kleineres Heer und dauerhafte Gebietsabtretungen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj machte sich bisher den Vorschlag der USA ausdrücklich nicht zu eigen, zeigte sich aber zumindest gesprächsbereit. 

Eine Delegation unter Leitung von Daniel Driscoll, einem Staatssekretär im US-Verteidigungsministerium, hatte die neuesten Vorstellungen der Regierung von Präsident Donald Trump bei Gesprächen in Kiew präsentiert. Nun müsse an den einzelnen Punkten gearbeitet werden, sagte Selenskyj. „Wir sind bereit zu klarer und ehrlicher Arbeit - die Ukraine, die USA, unsere Partner in Europa und weltweit.“ Nach Angaben seines Büros will Selenskyj bald mit Trump telefonieren.

Europäische Ukraine-Unterstützer von US-Friedensplan überrumpelt

Allerdings wurden die europäischen Unterstützer der Ukraine, die an Verhandlungen stets beteiligt werden wollen, von dem US-Vorstoß eher überrascht. Bundesaußenminister Johann Wadephul wertete das Konzept nicht als fertigen Plan, sondern als Beitrag, um die Konfliktparteien an einen Tisch zu bringen. Und tatsächlich enthält der Kompromissvorschlag mehrere Punkte, die auch aus Sicht der Europäer wohl kaum hinzunehmen wären.

Für Globe liegt hier auch eine Krux: Die Ukraine würde durch Ablehnung des Plans riskieren, die USA als Verbündete zu verprellen. Gleichzeitig sei es für die Regierung möglicherweise unmöglich, den Menschen darzustellen, dass weitgehende Zugeständnisse gemacht werden müssen, nachdem so viele Menschen im Krieg verstorben sind.

Das sieht der Vorschlag vor

Laut übereinstimmenden Berichten des US-Nachrichtenportals „Axios“ und anderer Medien sieht der Entwurf aus Washington territoriale Zugeständnisse der Ukraine und noch vieles mehr vor: Die Krim und die ebenfalls besetzten ukrainischen Gebiete Donezk und Luhansk werden als faktisch russisch anerkannt. Dazu muss die Ukraine qua Verfassung auf einen Beitritt zur Nato verzichten, die Größe ihres Heers auf 600.000 Mann beschränken und atomwaffenfrei bleiben. Zwar darf sie - zumindest theoretisch - der EU beitreten, angesichts der komplizierten Gemengelage dürfte es dazu in absehbarer Zukunft aber ohnehin kaum kommen. Im Gegenzug werden der Ukraine „zuverlässige Sicherheitsgarantien“ der USA in Aussicht gestellt, wobei völlig offen bleibt, was das in der Praxis bedeuten soll. Außerdem wollen die USA entlohnt werden.

Einordnung von Bundesaußenminister Wadephul nach Telefonat mit US-Sondergesandtem Witkoff

Bundesaußenminister Wadephul hatte nach eigenen Angaben ausführlich mit dem US-Sondergesandten Witkoff telefoniert. Im ZDF-„heute journal“ sagte der CDU-Politiker, jedes Engagement dafür, dass beide Seiten miteinander ins Gespräch kommen, sei richtig und unterstützenswert. Alles sei im Fluss, und auch US-Außenminister Rubio habe gesagt, dass es um eine Auflistung von Themen und Optionen gehe, die noch abzuwägen und zu besprechen seien. 

Laut Politico habe die EU-Außenbeauftragte Katja Kallas in einer ersten Reaktion gesagt, dass der Plan ohne Einbeziehung der EU zum Scheitern verurteilt sei. In der Ukraine selbst soll es neben einer Offenheit zur Diskussion und viel Entsetzen und Kritik auch eine Stimme geben, die im Vorhinein bereits Einverständnis mit dem US-Plan signalisiert habe: Rustem Umjerov, ehemaliger Verteidigungsminister, jetziger nationaler Sicherheitsberater, möglicherweise verwickelt in den Korruptionsskandal. Das berichtet die New York Post.

Eine offizielle Reaktion aus Moskau gab es nach Bekanntwerden der 28 Punkte zunächst nicht. Präsident Wladimir Putin besuchte indes demonstrativ einen Kommandoposten der russischen Armee und bekräftigte bei einem Auftritt in Tarnuniform das Festhalten an seinen Kriegszielen. „Wir haben unsere gemeinsamen Aufgaben, unsere Ziele. Das Wichtigste ist, unbedingt die Ziele der speziellen Militäroperation zu erreichen“, wurde Putin vom Kreml zitiert. Der Staatschef ließ sich demnach von Generälen über den Vormarsch seiner Truppen in der Ukraine unterrichten.

Eine Chance auf Frieden in der Ukraine? So ordnen Friedensforscher „Kompromisse“ ein

Wie könnte es weitergehen? Für die Friedensforscher Ute Schneider und Ulrich Willems ist bei einem Kompromissvorschlag vor allem eines entscheidend: Ob der gefundene Kompromiss für die Konfliktparteien gegenüber den anderen Konfliktregelungsoptionen Vorteile hat.

Bei der Bundeszentrale für Politische Bildung ordnen sie ein: „Der Kompromiss ist auch deshalb eine so effektive Konfliktregelungstechnik, weil er so voraussetzungslos ist. Die Konfliktparteien müssen sich nicht wechselseitig respektieren, anerkennen oder als vertrauenswürdig erachten.“ All dies könne nur die Kompromissbereitschaft fördern. Notwendig sei allein, dass die andere Konfliktpartei der eigenen Zielerreichung im Wege steht und dass andere Arten und Weisen des Umgangs mit dem Konflikt, darunter die offene Konfliktaustragung, keine vorzugswürdigen Alternativen darstellen. Russland befindet sich aktuell an einigen Frontlinien im Vorteil. (Quellen: dpa, Kyiv Post, Bundeszentrale für Politische Bldung, Politico, New York Post)