Elias‘ Traumjob: Pfleger in der Psychiatrie

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Tischtennisspielen kann therapeutische Wirkung haben, findet Elias Bundlechner aus Steinhöring, Pfleger am Bezirksklinikum Wasserburg-Gabersee, wo auch das Bild entstand. © Josef Ametsbichler

Als Pfleger im Bezirksklinikum Gabersee bei Wasserburg betreut Elias Bundlechner aus Steinhöring Menschen in psychischen Krisensituationen. Für den 20-Jährigen ist es sein Traumberuf, Patienten bei deren Weg aus der Krise zurück ins Leben zu begleiten.

Steinhöring/Wasserburg – Im lindgrünen Pflegekittel sitzt Elias Bundlechner zurückgelehnt im Cafeteria-Stuhl, als sein Zeigefinger über die Tischplatte nach vorne schießt. Verkündung von Regel Nummer Eins. „Gut gelaunt und mit einem Lächeln in die Arbeit gehen – so macht man einen guten Eindruck beim Patienten!“, sagt er, und ein Zwinkern huscht über sein Gesicht. Der 20-jährige Steinhöringer hat gerade sein Examen zum Pflegefachmann bestanden. Sein Arbeitsplatz: Das kbo-Inn-Salzach-Klinikum in Wasserburg, dem Volksmund besser unter dem namensgebenden Ortsteil bekannt.

Der Name Gabersee ist bis heute in der Region mit Vorurteilen behaftet

„Reiß dich zamm, sonst kommst du nach Gabersee!“ – generationenalte Vorurteile gegenüber der psychiatrischen Einrichtung sind bis heute im regionalen Sprachgebrauch verankert. Das Klinikum bei Wasserburg mit rund 1900 Mitarbeitern ist Anlaufstelle für Menschen mit psychischen Erkrankungen auch aus dem südlichen Landkreis Ebersberg. Rund 500 Landkreisbürger wurden dem Klinikum zufolge seit Anfang 2023 in Wasserburg behandelt, die meisten aus dem Raum Ebersberg, Grafing, Glonn, Aßling und Steinhöring. In der Kreisstadt eröffnete jüngst eine neue Tagesklinik. Gabersee – der Ort, an dem die Verrückten eingesperrt sind, so geht das Klischee. Elias Bundlechner sagt: „Es ist hier überhaupt nicht so gaga, wie es sich die Leute erzählen. Im Gegenteil.“ Ihn habe von Anfang an beeindruckt, wie Ärzte und Pfleger auf jede Patientin und jeden Patienten individuell eingingen.

Eine psychische Erkrankung sei eben etwas anderes als ein Armbruch, die Bedürfnisse und Probleme bei jedem anders. „Das macht es für mich spannend; kitzlig“, sagt der 20-Jährige. „Mir taugt das Arbeiten mit den Menschen. Und ich mag ihnen helfen, wenn sie psychisch ein fettes Problem haben.“ Das heiße übrigens nicht, dass die Pflegekräfte ständig damit beschäftigt seien, körperlich aggressive Patienten zu bändigen. Klar gebe es Deeskalationstrainings, Übungseinheiten und Notfallpläne für die Mitarbeiter, sagt Wolfgang Janeczka (62), Pflegevorsteher und damit Bundlechners Chef. Im Ernstfall gelte: „Selbst nicht verletzt werden und mit möglichst wenig Energie“ einzuschreiten, als Pflege-Team. „Die Übermacht macht es dann aus.“

Körperliche Übergriffe sind selten – trotzdem ist die Psychiatrie kein Arbeitsplatz wie jeder andere

Körperliche Konflikte mit den Patienten könne man im Isar-Amper-Klinikum aber „im Jahr an einer Hand abzählen“, betont der Pflege-Chef. Und anders, als landläufig vermutet werde, fänden die wenigsten davon in der forensischen Abteilung statt, wo auf dem ansonsten offenen, parkähnlichen, weitläufigen Klinikgelände hinter roten Backsteinmauern psychisch kranke Straftäter untergebracht sind. Vielmehr seien es eher die Patienten in der Gerontopsychiatrie, die vereinzelt gewalttätig würden, also Senioren, die es angesichts der Klinik-Umgebung mit der Angst zu tun bekämen. Dass ein psychiatrisches Klinikum dennoch kein Arbeitsplatz wie alle anderen ist, zeigt der tragische Vorfall aus dem April: Ein ehemaliger Patient erstach mitten auf dem Gelände einen Forensik-Oberarzt, vermutlich um sich Jahre nach seiner Unterbringung dort zu rächen.

Elias Bundlechner hat die diversen Abteilungen der psychiatrischen Klinik während seiner Ausbildung durchlaufen. Seit einem runden halben Jahr arbeitet er auf der Station S3. Das S steht für Sucht. Dort kümmert er sich um Menschen mit Doppel-Diagnosen: Zu einer Abhängigkeit kommt auf seiner Station eine psychiatrische Erkrankung, etwa Psychosen, Schizophrenie, Verhaltungsstörungen. Letztere oft ausgelöst vom Alkohol. „Die schlimmste aller Drogen“, lautet Bundlechners Beobachtung aus seinem Arbeitsalltag.

Der Weg zurück ins Leben beginnt manchmal mit einem Spaziergang – oder an der Tischtennisplatte

Tischtennisspielen kann therapeutische Wirkung haben, findet Elias Bundlechner (re.) aus Steinhöring, Pfleger am Bezirksklinikum Wasserburg-Gabersee, wo auch das Bild mit seinem Chef, Pflegevorstand Wolfgang Janeczek, entstand.
Tischtennisspielen kann therapeutische Wirkung haben, findet Elias Bundlechner (re.) aus Steinhöring, Pfleger am Bezirksklinikum Wasserburg-Gabersee, wo auch das Bild mit seinem Chef, Pflegevorstand Wolfgang Janeczek, entstand. © Josef Ametsbichler

Der eine Teil seiner Patienten ist freiwillig in Behandlung. Andere sind gegen ihren Willen auf der Station untergebracht, weil sie sich oder andere gefährden könnten. Der Pfleger möchte keinen großen Unterschied machen. Seine wichtigste Aufgabe sei, nicht nur Medikamente zu verteilen, sondern gemeinsam mit den Patienten Tag für Tag eine Brücke zurück ins Leben, in den Alltag zu bauen. Bis zu vier Wochen dauere ein üblicher Aufenthalt, wobei auch die Zeit in der Klinik von Mensch zu Mensch komplett variieren könne.

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Schon ein Spaziergang übers Klinikgelände könnte die ersten Schritte auf dem Rückweg ins Leben bedeuten, wenn man sich zuvor am Ende glaubte. Oder Elias Bundlechner geht mit den Patienten an eine der Tischtennisplatten, die übers Gelände verstreut sind; der Sport ist ohnehin eins seiner Hobbys. Bewegung tut auch dem Kopf gut, deswegen gibt es auf der Klinik auch Plätze zum Fußball- und zum Tennisspielen. „Manchmal kann man den Menschen nicht helfen, das muss man akzeptieren“, sagt Pflege-Chef Janeczek. „Ich will mich als Pflegekraft nicht aufgeben“, sagt der 20-jährige Bundlechner. Manchmal bedeute das halt schlicht, dem Patienten seinen Raum zu geben, ihn gleichzeitig wissen zu lassen, dass jemand für ihn da ist. „Den Menschen nicht alleine lassen“, sagt der 20-Jährige.

Mir taugt das Arbeiten mit den Menschen. Und ich mag ihnen helfen, wenn sie psychisch ein fettes Problem haben.

Für ihn sei schon ab der 7. Klasse klar gewesen, dass er in der Pflege arbeiten möchte. Über seinen Bundesfreiwilligendienst, den er mit frischen 16 Jahren schließlich in der Gaberseer Klinik absolvierte, sagt er: „Das war das Beste, was mir passieren konnte!“ Er blieb und bleibt dem Haus treu, bestand nun seine Abschlussprüfung – das Ergebnis „deutlich besser als erwartet“, wie er schmunzelnd zugibt.

Es ist Elias Bundlechner wichtig, eine Lanze für seinen Beruf und seine Klinik zu brechen: „Ich würde mir wünschen, dass das mehr junge Leute machen“, sagt er. Der Zusammenhalt im Kollegium sei das Entscheidende, weshalb er nie an seiner Berufswahl gezweifelt habe. „Und die Kohle stimmt auch!“ Hier ergänzt sein Chef Wolfgang Janeczek, dass nur Fluglotsen-Azubis mehr in ihrer Ausbildung verdienen würden. Das Image vom Pflege-Job als Arbeit unter Lebensgefahr bei schlechter Bezahlung stimme einfach nicht, sondern stamme aus der Corona-Pandemie und aus „Fernseh-Talkrunden mit Menschen mit wenig Sachkenntnis“.

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