US-Kongressmitglieder fordern von Biden Maßnahmen gegen Erdogan

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US-Präsident Joe Biden soll laut 142 US-Abgeordneten gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vorgehen. (Archivfoto) © dpa/Sedat Suna

142 US-Abgeordnete kritisieren in einem gemeinsamen Brief an Präsident Biden die türkische Regierung wegen Menschenrechtsverstößen. Biden müsse deswegen handeln.

Washington, D.C. – 142 demokratische und republikanische Abgeordnete fordern in einem gemeinsamen Brief Präsident Joe Biden auf, Maßnahmen gegen die türkische Regierung zu ergreifen. Grund dafür sind vor allem Menschenrechtsverstöße, insbesondere nach dem Putschversuch vom 15. Juli 2016.

„Wir fordern Sie, Präsident Biden, dringend auf, den Menschenrechten Priorität einzuräumen und die türkische Regierung zu drängen, ihre länderübergreifende Unterdrückungskampagne einzustellen, politische Gefangene bedingungslos freizulassen, und die Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen“, schreiben die Abgeordneten. Mit dem Satz „Ihr Eingreifen ist entscheidend für die Wahrung der Werte von Demokratie und der Menschenrechte auf der Weltbühne“, beenden die Unterzeichner ihren Brief.

US-Abgeordnete prangern Menschenrechtsverstöße der Türkei an

Die Abgeordneten aus dem US-Kongress kritisieren, dass die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan seine Kritiker auch im Ausland mundtot machen möchte. Als Beispiel nennen die US-Abgeordneten den Fall des ehemaligen NBA-Spieler Enes Kanter Freedom. Die Erdogan-Regierung habe versucht, ihn zum Schweigen zu bringen, „indem sie gegen seine Familie in der Türkei vorging, sie verfolgte und einen Interpol-Haftbefehl und ein Kopfgeld auf ihn und viele andere aussetzte“.

Immer wieder hatte die türkische Regierung in den vergangenen Jahren Interpol dafür missbraucht, um Regierungskritiker im Ausland festnehmen zu lassen und sie dann in die Türkei zu bringen. FR.de von IPPEN.MEDIA hatte über den Fall eines Berliner Deutsch-Kurden berichtet, der auf diese Weise bei seinem Urlaub auf Sardinien festgenommen wurde.

Massenentlassungen von Beamten nach dem Putschversuch

Die Volksvertreter kritisieren auch die Massenentlassungen von Beamten nach dem Putschversuch. Zehntausende der Staatsbediensteten wurde später verhaftet, weil sie Terroristen seien. Auch sei die Medienlandschaft zu 90 Prozent unter die Kontrolle der Erdogan-Regierung gefallen und Journalisten verhaftet worden, vor allem zwei Gruppen von Journalisten würden dabei besonders verfolgt werden.

Sympathisanten des im Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen und kurdische Journalisten seien unverhältnismäßig stark von solchen Repressalien betroffen. Lange Inhaftierungen und häufige Polizeirazzien in den Büros von Zeitungen würden die wichtige Arbeit der Journalisten behindern.

Erdogan lässt Gülen-Anhänger im Ausland entführen

Kritisiert wird auch die Entführung über von Gülen-Anhängern im Ausland. Diese wurden auch aus europäischen Ländern wie dem Kosovo und Moldavien durch den türkischen Geheimdienst MIT in die Türkei entführt. Viele unter ihnen wurde anschließend in Geheimgefängnisse gebracht und dort gefoltert. Ein internationales Journalisten-Team hatte das Entführungsprogramm des MIT unter dem Namen „Black Sites Turkey“ aufgedeckt.

Auch die Lage in den türkischen Gefängnissen gehört zu den Kritikpunkten in dem Brief an den US-Präsidenten. 1.605 Patienten gebe es derzeit in den türkischen Haftanstalten, von denen 604 schwer krank seien. Bei den Zahlen verweisen die US-Politiker auf die Daten der türkischen Menschenrechtsvereinigung IHD.

Türkei ignoriert EGMR-Urteile

Die Türkei ist auch ein Land, dass immer wieder vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verurteilt wird und oft dessen Urteile ignoriert. Der EGMR hatte mehrmals die Freilassung des Kulturförderers Osman Kavala angeordnet, der seit sechs Jahren im Zusammenhang mit den regierungskritischen Gezi-Protesten im Gefängnis sitzt.

Auch im Fall des prominenten kurdischen Politikers und ehemaligen Co-Vorsitzenden der oppositionellen HDP, Selahattin Demirtas, ignoriert Erdogan und seine Regierungspartei AKP Völkerrecht. Der EGMR hatte auch das Verfahren in der Vergangenheit kritisiert und die Freilassung Demirtas‘ verlangt. Der seit 2016 inhaftierte Demirtas wurde stattdessen im Mai zu mehr als 40 Jahren Gefängnis verurteilt. Kavala wurde im April 2022 zu lebenslanger Haft verurteilt. 

Türkei-Berichterstatter des Europaparlaments nennt Justizsystem „dysfunktional“

Auch der Türkei-Berichterstatter des Europaparlaments, Nacho Sánchez Amor, kritisiert immer wieder die Türkei wegen ihrer massiven Menschenrechtsverstöße. Nach dem Urteil zu Demirtas hatte Amor eine klare Botschaft an Ankara. „Solche Aktionen und ein dysfunktionales Justizsystem untergraben die Glaubwürdigkeit der Türkei. Der Preis? Kein Unternehmen kann einem Umfeld, in dem die Justiz ständig infrage gestellt wird, voll vertrauen“, schrieb der Experte auf X.

Erdogan wollte mithilfe von Lobbyorganisationen Brief an Biden verhindern

Der NBA-Spieler Enes Kanter Freedom, ein überzeugter Anhänger der Gülen-Bewegung, hat sich in einer Videobotschaft auf X zu dem Brief geäußert. Danach habe das türkische Außenministerium versucht, den Brief zu verhindern. Erdogan selbst habe die Anweisung dazu gegeben.

„Der Brief, den Sie in meiner Hand sehen, ist der Brief, den das Außenministerium der Republik Türkei seit Wochen versucht in die Hände zu bekommen. Der Brief, den Sie in meiner Hand sehen, ist der Brief, den die Republik Türkei zu stoppen versucht hat, indem sie jedes Jahr Millionen von Dollar an amerikanische Lobbyunternehmen ausgegeben hat“, sagt der ehemalige Basketball-Profi. Viele Minister und Abgeordnete in der Türkei hätten in den USA angerufen, um Druck auf die US-Abgeordneten auszuüben. (erpe)

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