Demos radikaler Islamisten: Die giftigen Rufe nach einem Kalifat als „Lösung“

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In Hamburg demonstrierten 1100 Islamisten für ein Kalifat. Die Polizei sicherte die friedliche Kundgebung, die von der extremistischen Gruppe „Muslim Interaktiv“ organisiert wurde. © Axel Heimken/dpa

„Das Kalifat ist die Lösung“: Islamisten ziehen offen durch Hamburg und fordern einen islamischen Gottesstaat in Deutschland. Was läuft da falsch? Parteiübergreifend gibt es Entsetzen. Aber bisher auch keine Lösungen.

Hamburg/München – Es mag ja nach dem freundlichen Kalifen aus dem Märchen klingen, doch die Realität ist anders. Als „Kalifat“ versteht man die weltliche wie religiöse Regentschaft eines islamischen Herrschers, es gilt die Scharia mitsamt Auspeitschen und Steinigung – statt Grundgesetz, Demokratie, Gewaltenteilung. Das also wollten die Demonstranten in Hamburg, die am Wochenende durch die Stadt gezogen sind mit Schildern wie „Kalifat ist die Lösung“.

„Kalifat ist die Lösung“: Radikale Islamisten ziehen durch Hamburg und fordern Gottesstaat

Die rund 1100 Islamisten sind wieder abgezogen. Viele Fragezeichen bleiben. Zum Beispiel die bohrende Frage, ob eine solche Demonstration zum Abschaffen von Demokratie und Menschenrechten zugelassen werden muss. Und wie weit die Meinungsfreiheit dehnbar ist von ihren extremistischen Gegnern. Hamburgs Polizeipräsident Falk Schnabel verteidigt die Entscheidung, den Aufmarsch im Stadtteil St. Georg zuzulassen. „Unser Versammlungsrecht ist nicht nur ein hohes Gut, sondern hat auch sehr weite Grenzen, und es war die einhellige Meinung aller Juristen, dass ein Verbot sich nicht rechtfertigen lässt“, sagte Schnabel im ZDF. Er spricht von „strengen Auflagen“. Im Nachgang werde die Staatsanwaltschaft einzelne Parolen und Transparente prüfen.

Reicht das? Der Frage, ob der Slogan „Kalifat ist die Lösung“ strafbar ist, weicht das Bundesjustizministerium aus, die Bewertung von Einzelfällen obliege den Strafverfolgungsbehörden und den Gerichten. Minister Marco Buschmann (FDP) äußert sich bisher dazu nur politisch: „Wem ein Kalifat lieber sein sollte als der Staat des Grundgesetzes, dem steht es frei auszuwandern.“

So markig das klingt – erzwingen kann der Staat das nur selten. Ein extremistischer Ausländer kann ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit, freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik gefährdet. Bei jeder Einzelfallentscheidung muss das Ausweisungsinteresse gegen die Bleibeinteressen – etwa die familiäre Situation – abgewogen werden.

Politik entsetzt über „Kalifat“-Rufe: „Steht in krassem Widerspruch“ zur freiheitlichen Demokratie

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) fordert in der Kalifat-Debatte, den rechtlichen Rahmen auszunutzen. „Das muss ein Weckruf sein. Ein Kalifat steht in krassem Widerspruch zu dem, was unsere Vorstellung ist von einer freiheitlichen Demokratie“, sagte er unserer Zeitung. Man dürfe nicht akzeptieren, dass jemand mit solchen Vorstellungen in unser Land komme und das hier verbreite. „Wer so etwas fordert und kein Bleiberecht hat, muss unser Land wieder verlassen.“ Herrmann macht daran einen Kurswechsel in der Asylpolitik fest: „2024 muss das Jahr der Begrenzung der irregulären Migration werden.“

Ein weiterer Schritt wären Verbote der Gruppen hinter der Demo. Der Anmelder der Kundgebung steht nach Informationen des Hamburger Verfassungsschutzes der Gruppierung „Muslim Interaktiv“ nahe. Sie ist als gesichert extremistische Bestrebung eingestuft und gilt als Ableger der Islamisten-Organisation „Hizb u-Tahrir“. Die Hamburgische Bürgerschaft hatte es am Mittwoch aber mehrheitlich mit den Stimmen der SPD und Grünen gegen die Stimmen der CDU und AfD abgelehnt, ein Verbotsverfahren gegen „Muslim Interaktiv“ anzustrengen. In Bayern hat „Muslim Interaktiv“ laut Innenministerium keine mit Hamburg vergleichbare Struktur.

Ein Verbot einer Versammlung sei das letzte Mittel, sagte Stefanie Grünewald, Professorin für Öffentliches Recht an der Akademie der Polizei Hamburg. „Insbesondere bei der unmittelbaren Gefahr, dass im Rahmen der Versammlung schwere Straftaten begangen werden, kann ein Verbot gerechtfertigt sein. Aber dafür müssen zum Zeitpunkt des Erlasses des Verbots bereits konkrete Hinweise auf diese Straftaten vorliegen. Dies wird von den Gerichten auch sehr genau überprüft. Es reicht eben gerade nicht, dass nur die Vermutung besteht, dass es zu Straftaten kommen wird.“

Der Botschafter der Vereinigten Arabischen Emirate in Deutschland, Ahmed Alattar, sagte, es sei „unglaublich, inakzeptabel und unverständlich, wie sich Menschen, die in Deutschland eine Heimat gefunden haben, gegen Deutschland wenden. Aber das ist typisch für politische Islamisten.“ (Rabea Gruber, Markus Klemm, Christian Deutschländer)

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