„Wesen komplett verändert“ – Diagnose stellt Annettes Leben völlig auf den Kopf

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Demenz trifft zunehmend auch Menschen unter 65 Jahren. Die Herausforderungen für Betroffene und Angehörige sind enorm.

München – In Deutschland sind etwa 1,84 Millionen Menschen von einer Demenzerkrankung betroffen (Stand September 2024). Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft hat mitgeteilt, dass darunter rund 106.000 Personen unter 65 Jahren leiden – das entspricht fast sechs Prozent aller Betroffenen. Diese Gruppe wird „erst seit wenigen Jahren zunehmend wahrgenommen“. Dabei wird sie besonders aus einem aktiven Alltag gerissen – und das meist unerwartet.

„Verstand gar nichts mehr“: Junge Demenz-Patienten werden plötzlich aus dem Leben gerissen

Einzelne Schicksale verdeutlichen, wie einschneidend die Veränderungen für die Betroffenen sind. Lieselotte Klotz (57), eine erfolgreiche Geschäftsführerin eines großen IT-Unternehmens, berichtet der Apotheken Umschau: „Ich schaute auf eine Excel-Tabelle und verstand gar nichts mehr.“ Sie erlebte plötzlich Momente völliger Verwirrung: „Ich fuhr auf der Autobahn und erschrak, als ich merkte, dass ich überhaupt nicht wusste, wohin ich fahren wollte.“ Die Diagnose lautete Lewy-Body-Demenz, eine Form, die anfangs Halluzinationen und Wahnvorstellungen mit sich bringt. Nach dieser Diagnose fühlte sie sich „komplett ausgemustert gefühlt aus der Gesellschaft“.

Zwei Frauen von hinten gehen Arm in Arm, eine davon am Stock, sie wird von der anderen gestützt.
Demenz in jungen Jahren zeigt schwere Einzelschicksale. (Symbolbild) © YAY Images/IMAGO/Symbolbild

Besonders gravierend sind die Auswirkungen der Frontotemporalen Demenz, die häufig Menschen zwischen 45 und 65 Jahren betrifft und die Persönlichkeit stark verändert. Annette Niedernhuber erlebte dies bei ihrem Mann Eberhard (53): „Wenn ich meinen Mann anschaue, sehe ich denselben Mann, den ich geheiratet habe und den ich liebe. Aber sein Wesen hat sich komplett verändert.“ Der einst hilfsbereite Mann begann plötzlich, während der Arbeitszeit mit dem Hund spazieren zu gehen. „Mit einem Mal hörte er auf, irgendetwas im Haus zu machen“, berichtet seine Frau. Inzwischen besucht er an fünf Tagen in der Woche eine Tagespflege, wie die Apotheken Umschau berichtet. Der jüngste bekannte Alzheimer-Fall ist 17 Jahre alt.

Frühe Demenz erkennen: Das sind die Symptome

Zu den frühen Symptomen einer Demenz gehören laut der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e. V.:

  • Gedächtnisprobleme
  • Orientierungsschwierigkeiten
  • Sprachstörungen
  • Verhaltensänderungen
  • Schwierigkeiten, gewohnte Aufgaben zu bewältigen
  • Schwierigkeiten, einem Gespräch in einer Gruppe zu folgen
  • Stimmungsschwankungen

Spezielle Angebote für Patienten und Angehörige bei Demenz-Diagnose in jungen Jahren

Für jüngere Menschen mit Demenz gibt es zunehmend spezielle Angebote, da sie oft körperlich noch fit sind und nach Möglichkeiten suchen, aktiv zu bleiben. In Nordrhein-Westfalen bietet das Projekt „JaDe“ regelmäßige Gruppentreffen und Austausch für Betroffene unter 65 Jahren an, so alzheimer-nrw.de. Auch digitale Helfer sind eine Unterstützung: Lieselotte Klotz nutzt Apps zum Reisen, und ihr Handy erinnert sie an Termine, wie sie der Apotheken Umschau erzählt. Diese Hilfsmittel ermöglichen ihr, ein Stück Selbstständigkeit zu bewahren und nicht bei jeder Aktivität auf fremde Hilfe angewiesen zu sein.

Auch für Angehörige und „Young Carers“ gibt es unterstützende Projekte. Die „Demenz-Buddies“ bieten beispielsweise Online-Gruppen für 16- bis 25-Jährige an, die einen Menschen mit Demenz in der Familie begleiten. „Schnell war klar, dass es gut ist, nicht alleine mit dem Thema zu sein und dass insbesondere der Austausch mit gleichaltrigen anderen Betroffenen hilft“, berichten die Gruppenleiterinnen des Projekts auf desideria.org.

Demenz in jungen Jahren: Auch eine finanzielle Herausforderung

Die Diagnose Demenz in jungen Jahren stellt auch eine finanzielle Herausforderung dar. Annette Niedernhuber fragt sich in der Apotheken Umschau, wie sie die Zuzahlung von bis zu 4000 Euro für einen Heimplatz aufbringen soll. Bartschinski bestätigt: „Durch die Krankheit fällt mindestens ein Verdiener weg. Häufig reduziert auch der Partner die Arbeitszeit, weil die Betreuung anders nicht zu organisieren ist.“

Laut gesundheitsforschung-bmftr.de belaufen sich die jährlichen Kosten im leichten Demenz-Stadium auf etwa 15.000 Euro, im schweren Stadium sogar auf 42.000 Euro (Zahlen 2013). Der Eigenanteil an den Kosten liegt 2025 bundesweit bei 2984 Euro pro Monat im ersten Jahr im Pflegeheim, wie eine Auswertung des Ersatzkassenverbands (vdek) ergab. (jh)

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