Alarmstufe Rot bei Apotheken: „Patienten werden weitere Wege haben“ – Ärger über Günther Jauch
Apothekensprecher Christopher Hummel erklärt im Interview die Gründe für die Protestaktion und die Situation im Landkreis. Dabei regt er sich auch über Günther Jauch auf.
Bad Tölz-Wolfratshausen – „Wir sehen rot“. Unter diesem Motto führen bundesweit Apotheken eine Protestaktion durch. Dabei tauschen in dieser Woche Apotheker ihren weißen Kittel gegen rote Oberteile und machen Patienten auf die wirtschaftliche Schieflage in ihrer Branche aufmerksam. Sie wollen laut Mitteilung des Bayerischen Apothekerverbands ein Zeichen „gegen die Sparpolitik der Regierung“ setzen. Der Sprecher der Landkreisapotheken, Christopher Hummel, erklärt im Interview seine Beweggründe für den Protest und die Lage vor Ort.
Herr Hummel, der Protest der Apotheken hat auch zum Ziel, vor einem weiteren Rückgang der öffentlichen Apotheken zu warnen. Mit aktuell 2768 Apotheken haben wir in Bayern den niedrigsten Stand seit den 1970er-Jahren. Wie ist die Lage hier?
Noch sind wir im Landkreis gut versorgt. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis sich das ändert. Wir haben hier viele Kollegen, die aus Altersgründen bald aufhören wollen und Nachfolger suchen.
Die goldenen Zeiten sind klar vorbei.
Ist es schwer, einen Nachfolger für eine Apotheke zu finden?
Absolut. Die goldenen Zeiten sind klar vorbei. Das kommt für ganz viele nicht mehr in Frage. Zum einen leiden Apotheker enorm unter Fachkräftemangel. Kein Wunder, man hat uns mit dringend notwendigen Lohnerhöhungen viele Jahre vergessen. Das bedeutet, dass wir diese an unsere Mitarbeiter, die das redlich verdient hätten, nicht weitergeben können. Noch dazu gibt es in einer Apotheke weder Gleitzeit noch Homeoffice und dafür aber Arbeit an Wochenenden und auch Nachtschichten. Man darf auch nicht vergessen, dass wir als Arbeitgeber vor allem hier vor Ort durch die Pharmakonzerne eine große Konkurrenz haben. Wir müssen schlichtweg auch auf eine längst überfällige Honoraranpassung aufmerksam machen.
Das würde wahrscheinlich bei der Personalproblematik helfen. Darüber hinaus gibt es ja noch andere Themen ...
Natürlich. Da gibt es sehr viel. Unser Bundesgesundheitsminister hat es geschafft, in zwei Jahren das komplette Gesundheitswesen gegen die Wand zu fahren. Das wird so nicht mehr lange funktionieren. Wir haben keinerlei Sicherheit mehr, und so wird auch die Selbstständigkeit immer unattraktiver.
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Was bedeutet das für die Kunden und Patienten?
Wenn sich nichts ändert, wird es weniger Apotheken geben. Die Patienten werden weitere Wege auf sich nehmen müssen und man wird die Beratung und individuellen Angebote zurückfahren müssen. Das betrifft Medizin, die wir selbst herstellen. Beispielsweise für Medikamente, die speziell über eine Sonde Neugeborenen verabreicht werden. Wir geben in den Apotheken wirklich viel. Wenn man dieses Angebot so weiter haben und schützen will, muss dringend mehr gemacht werden. Auch, dass der Onlinehandel so erstarkt, ist dabei ein großes Problem.
Ärger über Günther Jauch wegen Werbung für Internet-Apotheke
Merken Sie, dass viele im Internet Medikamente bestellen?
Natürlich liegt das im Trend. Immerhin haben diese Firmen ihren Sitz in Holland, da fallen dann schonmal 19 Prozent Mehrwertsteuer weg, so ist vieles für den Verbraucher günstiger. Und ein Günther Jauch stellt sich dann noch hin und macht im Fernsehen groß Werbung dafür. Da frage ich mich schon, ob der Mann hinterm Mond lebt. Das ist eine völlig falsche Botschaft. Denn Online-Apotheken werden ganz sicher nicht des Rätsels Lösung sein. Damit fällt jede Beratung und jedes individuelle Angebot komplett raus.
Infos und Umfrage im Internet auf www.apoliebe.de
Was wollen Sie hier vor Ort konkret bewirken?
Wir wollen ein Zeichen setzen. Wir sprechen Patienten aktiv darauf an und geben ihnen Infomaterial mit. Dazu machen wir sie auf eine für uns wichtige Online-Umfrage aufmerksam.