45 Menschen in der Todeszelle: Taiwan hält an der Todesstrafe fest – aber mit dieser Einschränkung
Taiwans Verfassungsgericht hat entschieden, dass Hinrichtungen weiterhin legal sind. Für FDP-Menschenrechtsexpertin Renata Alt ist das Urteil dennoch „ein Schritt in die richtige Richtung“.
Taiwans Verfassungsgericht hat die Vollstreckung der Todesstrafe in dem Land für verfassungskonform erklärt. In einer am Freitag verkündeten Entscheidung schränkte das oberste Gericht allerdings ein, dass die Todesstrafe nur bei „besonders schweren“ Vergehen verhängt werden dürfe. Was genau damit gemeint ist, blieb zunächst unklar.
Obwohl das Recht auf Leben gemäß der taiwanesischen Verfassungsordnung geschützt werden solle, sei dieser Schutz „nicht absolut“, sagte Hsu Tzong-li, einer der zwölf an dem Urteil beteiligten Richter, laut der taiwanischen Nachrichtenagentur CNA. Die Todesstrafe sei weiterhin eine „notwendige“ Form der Vergeltung in Bezug auf die begangenen Verbrechen und habe eine „abschreckende“ Wirkung, so Hsu. Geklagt hatten 37 Menschen, die derzeit in der Todeszelle sitzen.

Taiwan ist eines der wenigen westlich orientierten Länder, die noch an der Todesstrafe festhalten. Laut der taiwanischen Menschenrechtsorganisation Judicial Reform Foundation befinden sich in dem Land derzeit 45 Menschen in der Todeszelle, darunter acht, gegen deren Urteile Berufung eingelegt wurde. Die Zahl der Exekutionen ist seit Jahren allerdings rückläufig, vollstreckt wurde ein Todesurteil zuletzt 2020. Laut einer im Mai veröffentlichten Umfrage der Taiwanese Public Opinion Foundation befürworten knapp 85 Prozent der Befragten die Todesstrafe, zehn Prozent lehnen sie ab.
„Taiwans Beschränkung der Todesstrafe auf schwerste Verbrechen ist ein Fortschritt“
„Dass das taiwanesische Verfassungsgericht die Anwendung der Todesstrafe eingeschränkt hat, ist ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt Renata Alt (FDP), die Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe im Deutschen Bundestag. „Dass viele Länder die Todesstrafe als Kulturtradition bezeichnen und sie im gewöhnlichen Strafrecht haben und anwenden, verstößt gegen die allgemeine Erklärung der Menschenrechte und gegen internationales Recht. Deswegen ist Taiwans Beschränkung der Todesstrafe auf schwerste Verbrechen ein Fortschritt“, so Alt zu IPPEN.MEDIA. Sie selbst kämpfe in Gesprächen mit taiwanischen Diplomaten und Politikern „seit mehreren Jahren für die vollständige Abschaffung der Todesstrafe“.
Auch Taiwans Regierungspartei DPP verfolgt das Ziel, die Todesstrafe auf lange Sicht abzuschaffen. Der im Mai vereidigte Präsident Lai Ching-te hatte im Wahlkampf allerdings Verständnis dafür geäußert, dass die meisten Taiwaner die Todesstrafe beibehalten wollten. Für die Abschaffung sei ein hohes Maß an öffentlicher Unterstützung erforderlich, sagte Lai Ende Dezember in einer Fernsehdebatte. Die oppositionelle KMT hatte der Regierung zuvor vorgeworfen, die Todesstrafe faktisch abgeschafft zu haben, da kaum noch Urteile vollstreckt würden. Insgesamt wurden seit der Machtübernahme durch die DPP im Jahr 2016 zwei Menschen hingerichtet. Unter der KMT-Vorgängerregierung wurden seit 2008 insgesamt 33 Todesurteile vollstreckt.
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Immer weniger Länder vollstrecken die Todesstrafe
Dass in Taiwan seit Jahren keine Menschen mehr hingerichtet werden, folgt einem weltweiten Trend. Laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International wurde die Todesstrafe im vergangenen Jahr in 16 Ländern vollstreckt, ein historischer Tiefstand. Allerdings richteten diese 16 Staaten so viele Menschen hin wie seit fast zehn Jahren nicht mehr, wie aus dem im Mai veröffentlichten Amnesty-Jahresbericht zur weltweiten Anwendung der Todesstrafe hervorgeht. Von den 1153 von Amnesty registrierten Exekutionen wurden die meisten in Iran vollstreckt, wo mindestens 853 Menschen hingerichtet wurden. An zweiter Stelle folgt Saudi-Arabien mit 172 Exekutionen.
Nicht gelistet sind in dem Amnesty-Bericht allerdings Hinrichtungen in China, da das Land seit Jahren kaum Todesurteile öffentlich macht. In der Volksrepublik seien 2023 wohl „Tausende von Menschen zum Tode verurteilt und hingerichtet“ worden, heißt es in dem Bericht: „Amnesty International glaubt, dass die chinesischen Behörden erneut mehr Hinrichtungen vollstreckt haben als der Rest der Welt zusammengenommen.“