Gipfeltreffen am Tegernsee: Joachim Gauck erhält Freiheitspreis – „Dürfen stolz sein“

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Zugeschaltet aus Berlin: Bundestagspräsidentin Julia Klöckner im Gespräch mit Christiane Goetz-Weimer. © THOMAS PLETTENBERG

Einen Tag nach der Kanzlerwahl haben sich Politiker, Unternehmer und Gäste zum Ludwig-Erhard-Gipfel zusammengefunden. Zum Auftakt auf Gut Kaltenbrunn rief Verlegerin und Gastgeberin Christiane Goetz-Weimer zu Optimismus auf. Nachdenklicher gab sich Joachim Gauck, der den Freiheitspreis entgegennahm.

Gmund – Getragen von ehrfürchtiger Musik und begleitet von Journalisten hat Christiane Goetz-Weimer gestern den „Frühlingsauftakt der Entscheider“ in der Tenne von Gut Kaltenbrunn eröffnet. Zwischen Politikern und Top-Managern standen inhaltlich die Bundespolitik und die Weltwirtschaftslage im Vordergrund, von einer kleinen Demo gegen eine Asylunterkunft in Rott am Inn nahmen die Gäste wohl beim Vorbeigehen Notiz. Doch trotz der sonst weltpolitischen Themen schien der Tegernsee für keinen der hochkarätigen Sprecher nur ein gewöhnlicher Gipfelort zu sein.

Ministerpräsident Markus Söder feierte sein Heimspiel „im Zentrum von Deutschland und Bayern“, während die aus Berlin zugeschaltete Bundestagspräsidentin Julia Klöckner an den Namensgeber des Gipfels erinnerte: „Ludwig Erhard hat sich nicht ohne Grund am Tegernsee seinen Rückzugsort gesucht.“ Hier habe der Kanzler – unbehelligt vom Treiben in der Hauptstadt – seine Gedanken ordnen können. Gleiches wünschte Klöckner auch den Gipfelgästen.

Rolle des Gipfels hervorgehoben

Aber nicht nur das Arbeiten steht beim „Meinungsführertreffen“, wie die Weimer Media Group den Gipfel gerne beschreibt, dieser Tage an. Den feierlichen Höhepunkt hatte die Verlegerin gleich zum Auftakt eingeplant: Joachim Gauck, Bundespräsident a.D., nahm gestern den Freiheitspreis entgegen, den die Veranstalter jährlich vergeben. Hinleiten durfte – ebenfalls ein Heimspiel – Ilse Aigner. Die Landtagspräsidentin hieß das Publikum „ganz bescheiden“ in ihrem Stimmkreis willkommen und nahm auch Bezug auf Friedrich Merz und dessen Frau, die ihre Urlaube gerne im Tal verbringen.

Volles Haus: Die Tenne von Gut Kaltenbrunn war zum Auftakt mit Politikern, Top-Managern und Gästen bis zum letzten Platz gefüllt.
Volles Haus: Die Tenne von Gut Kaltenbrunn war zum Auftakt mit Politikern, Top-Managern und Gästen bis zum letzten Platz gefüllt. © THOMAS PLETTENBERG

Weniger bescheiden umschrieben Goetz-Weimer und die Bühnengäste die Rolle des Gipfels: Nicht nur als Davos für Deutschland oder Siko für Wirtschaft wurde die Veranstaltung geehrt, auch die neue Regierung sei getragen vom Erhard-Geist, meinte die Verlegerin in Bezug auf die noch pünktlich geglückte Kanzlerwahl. Klöckner attestierte dem Gipfel, er würde dem Bundestag einen Schubs geben, es besser zu machen. Der Gipfel stoße Debatten an, konstatierte Goetz-Weimar, die in ihrer Eröffnungsrede Optimismus beschwor und zahlreiche Beispiele aufzählte, die Grund dafür gäben.

Ebenfalls durchs Auftaktprogramm zog sich eine Positionierung mehrerer Redner gegen die AfD. „Wir verweigern Radikalen von rechts und links die Teilnahme“, erklärte die Gastgeberin. Klöckner sprach sich zwar gegen ein Verbotsverfahren aus, mit dem Gedanken sich nicht verbieten ließen; „man kann sie aber vielleicht wegregieren“. Söder begründete seine Social-Media-Präsenz ebenfalls mit klaren Worten: „Ich habe keine Lust, irgendwelchen extremen Kräften die Zukunft unseres Landes zu überlassen.“ Aigner sieht die „Demokratie von innen bedroht“ und warnte: Ein Nato-, EU- oder Euro-Austritt sowie eine Freundschaft zu Putin würde weniger Freiheit bedeuten.

Bundespräsident a.D. Joachim Gauck als „Freiheitsapostel“ geehrt

Als „Freiheitsapostel der Gegenwart“ beschrieb die Jury indes Joachim Gauck. Laudatorin Dalia Grybauskaite, ehemalige Präsidentin von Litauen, hob Gaucks Engagement für ihr Land hervor und ermutigte Deutschland nun zu mehr Selbstvertrauen. Den Freiheitspreis habe Gauck „verdient wie kein anderer“.

Der Bundespräsident a.D. zeigte sich „bewegt und dankbar“, doch schäme er sich angesichts der „Schöpfkelle des Lobs“ schon fast: „Ich sehe mich weniger als ein Apostel, denn als Bürger, der seinen Mund aufzumachen hat.“ Übertreiben dürfe man es mit dem Lob nicht – er sei ja doch noch evangelisch, merkte er an. Ernster wurde der Gauck zum Stichwort Freiheit: „Wir haben Werte geschaffen, die es wirklich wert sind, verteidigt zu werden“, mahnte er. „Dieses zögerliche Hinblicken und Abwarten halte ich für eine friedensgefährdende Politik.“

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Den Zuhörern rief er zu: „Wir dürfen stolz auf dieses Deutschland sein.“ In seiner Amtszeit habe er Zurückhaltung fast schon als politische Tugend unter den Menschen ausgemacht. Doch man könne auch verlieren, was man bereits hat. „In diesem Wachwerden befinden wir uns gerade“, sagte Gauck. „Ich lebe in einem Land, das dabei ist, etwas neu zu lernen.“ Als „Schubs“ verstanden, wie es Klöckner formuliert hatte, würde der Gipfel damit seiner Rolle schon zum Auftakt gerecht. nap

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