Emotionale Debatte um Alte Post in Murnau: Gemeinderat entscheidet sich für gewerbliche Nutzung statt Bürgerhaus
Der Murnauer Gemeinderat hat entschieden: Statt einem Bürgerhaus wird das denkmalgeschützte Postgebäude an ein Gewerbe vermietet, was eine kontroverse Diskussion auslöste.
Murnau – Bei dem einen schlagen gefühlt zwei Herzen in der Brust, bei dem anderen fühlt sich der Beschluss wie eine Entscheidung zwischen Herz und Verstand an. Letztlich brachten diese emotionalen Umschreibungen aus dem Murnauer Marktgemeinderat der Initiative Alte Post herzlich wenig. Denn in der Sitzung des Gremiums am Dienstagabend wurde der finale Beschluss über die Nachnutzung des Postgebäudes gefasst – und die Mehrheit votierte dafür, das denkmalgeschützte Haus an ein Gewerbe zu vermieten und nicht von sozialen Einrichtungen als Bürgerhaus nutzen zu lassen.
Die Zuhörerreihen waren voll. Die meisten werden wegen des Postgebäudes da sein, vermutete Bürgermeister Rolf Beuting (ÖDP/Bürgerforum). Richtig, denn nachdem die Entscheidung gefallen war, leerten sich die Reihen fast vollständig. Verwundernd war die Fülle nicht, fast 20 Einrichtungen sind Teil der Initiative Alte Post. Sie alle wollen in dem ehemaligen Postgebäude ein Haus der Gemeinschaft in Murnaus Herzen realisieren. Wollten, musst man nun sagen. Aufgrund der Haushaltslage soll nun nämlich ein Gewerbe in die sanierungsbedürftige, denkmalgeschützte Liegenschaft ziehen. Seitwerk hatte eine Anfrage zur Nutzung der alten Post als Gewerbefläche eingereicht. Sollte das Unternehmen einziehen, könnten die Mieter im zweiten Stock drinbleiben, informierte Daniela Pelka aus der Wirtschaftsförderung unter anderem. Ferner würde sich das Unternehmen an der Sanierung beteiligen. Ein umfangreiches Konzept wurde in der öffentlichen Sitzung aber nicht aufgezeigt.
„Entscheidung zwischen Herz und Verstand“
Neue Arbeitsplätze, auch inklusive, eine Belebung der Bahnhofstraße und des Ödön-von-Horváth-Platzes, Synergien mit dem KTM, Begegnungsraum für alle Generationen, ein Café für jeden Geldbeutel und ohne Konsumzwang, Raum und Garten für kooperative Projekte und ein Ort, an dem viele Institutionen eine neue Heimat finden, die von allen Menschen niederschwellig aufgesucht werden kann. Die Liste an Argumenten pro Bürgerhaus hätte Felix Burger (SPD) noch verlängern können. In seinem rund siebenminütigen Vortrag stand er ein letztes Mal für das Bürgerhaus ein. Burger erinnerte auch an den Beschluss aus Dezember 2023. Damals sprach sich der Gemeinderat geschlossen für eine grundsätzliche Befürwortung der Nachnutzung der alten Post als Bürgerhaus aus – unter Bedingungen, die Burger erfüllt sah: eine gGmbH würde sich bei positivem Beschluss gründen, mehrere potentielle Träger waren gefunden und der Markt wäre beteiligt, nicht aber finanziell.
Aus für das Bürgerhaus: Mehrheit des Murnauer Marktgemeinderates stimmt für gewerbliche Nutzung des Postgebäudes
Eine Entscheidung zwischen Herz und Verstand, meinte Beuting. Die finanziellen Bedingungen würden das Ganze schwierig machen. „Wenn wir das alte Gebäude, das Denkmal, aufmachen, weiß niemand, was wir zu sehen bekommen.“ Der Bürgermeister holte weit aus, um seine Hin- und Hergerissenheit zu verdeutlichen, und führte große Projekte wie Kinderhaus und Feuerwehrgerätehaus auf, ebenso die hohe Kreisumlage. „Unsere Beinfreiheit für neue Projekte ist knapp.“ Er bat um Verständnis, dass man sich ein Projekt wie das Bürgerhaus derzeit nicht leisten könne. Er bot den sozialen Einrichtungen aber an, am 7. November zum Gespräch im Sitzungssaal zusammenzukommen.
So schwierig fand Welf Probst (Freie Wähler) die Entscheidung nicht: Es sollte ein Gebäude sein, das „Geld reinspült“. Er sehe den Vorteil eines Bürgerhauses „auf alle Fälle“, meinte Phillip Zoepf (Mehr Bewegen). Doch das Finanzierungskonzept überzeuge seine Fraktion „so gut wie an keiner Ecke auf der Einnahmenseite“.
Wenn man den sozialen Bereich gegen den wirtschaftlichen Bereich aufrechne, verliere Ersterer immer, sagte Stephanie Neumeir-Schrank (Grüne). Sie sah die Langfristigkeit einer Investition in ein Bürgerhaus und würde es bedauern, wenn an einem so zentralen Ort, den man beleben wolle, ein Gewerbe einziehe.
Keine kommunale Pflichtaufgabe
Veronika Jones-Gilch (Grüne) betonte, dass ein Bürgerhaus „keine kommunale Pflichtaufgabe ist“. Sie verwies auf die Entwicklungen seit dem einstimmigen Beschluss, auf explodierende Kosten und große Projekte auf Murnaus Agenda. Er sei nach wie vor ein Befürworter des Bürgerhauses, sagte Lorenz Brey (CSU). Am meisten bedauerte er, dass es nun einen Verlierer geben werde. Man müsse für beide Seiten eine Lösung finden. Das Bürgerhauskonzept funktioniert in seinen Augen nur an diesem einen Ort, Seitwerk könnte an anderer Stelle eine Heimat finden. „Aus meiner Sicht sollte das Gesprächsangebot da hingehen“, betonte Brey. Und „Investitionen kommen so oder so auf uns zu.“
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Das Gebäude muss man sich leisten können
Seitwerk interessiere sich nur für das Postgebäude, meinte Beuting. Das sei wahrscheinlich so, weil die Post noch im Rennen sei, spekulierte Brey. Michael Manlik (ÖDP/Bürgerforum) wies später darauf hin, dass Seitwerk seit über einem Jahrzehnt mit der Marktgemeinde im Gespräch sei. In Josef Bierlings (CSU) Brust schlugen „zwei Herzen“. Das Gebäude wäre „prädestiniert für die Öffentlichkeit, aber man muss es sich leisten können“. Und „wir können uns das einfach schlichtweg nicht leisten“, sagte er, appellierte aber an die Initiative: „Lassen Sie uns gemeinsam nach einer Lösung suchen.“ Die Finanzierung sei „wirtschaftlich risikobehaftet“, sagte Wolfgang Küpper (ÖDP/Bürgerforum). Hans Kohl (Grüne) sah „Unsicherheiten auf beiden Seiten“. Er hätte die Entscheidung lieber getroffen, wenn die Haushaltszahlen vorliegen. Die Finanzlage werde sich in den nächsten Jahren nicht verbessern, antwortete Beuting.
Mehrheit des Murnauer Marktgemeinderates stimmt für gewerbliche Nutzung des Postgebäudes
Burger bedauerte, dass er „immer nur die Zweifel“ höre, nicht aber Aussagen dazu, was es bedeutet, wenn Murnau die Außenstellen von großen Sozialträgern verliere. Denn das drohe. Hinzu kommen Personalmangel und die schwieriger werdende Gewinnung Ehrenamtlicher. Er werde für das Bürgerhaus stimmen, betonte Michael Jungnitsch (ÖDP/Bürgerforum). Er sah ein „tragfähiges Konzept“, das nur an dieser Stelle umsetzbar sei. Am Ende stimmte die Mehrheit des Gremiums jedoch gegen eine Nutzung der einstigen Post als Bürgerhaus. Burger, Neumeir-Schrank, Jungnitsch, Brey, Dr. Julia Stewens (Freie Wähler), Claudia Lehmann (Grüne) und Anna Schlegel-Herz (ÖDP/Bürgerforum) hatten sich für das Bürgerhaus ausgesprochen. Das Gros (15:8) befürwortete anschließend eine gewerbliche Nutzung durch Seitwerk.