Hürde auf dem Weg ins Weiße Haus? Wie die Dokumenten-Affäre Trump doch noch zum Verhängnis werden kann

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Richterin Cannon stellte das Strafverfahren gegen Trump wegen der Mar-a-Lago-Dokumente ein. Ihre Begründung könnte jedoch nicht wasserdicht sein.

Fort Pierce – Donald Trump ist der erste Ex-Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, der als verurteilter Straftäter ins erneute Rennen um das Oval Office geht. Bisher wurde er allerdings nur in einem von insgesamt vier Verfahren schuldig gesprochen – für die Schweigegeldzahlungen an Pornostar Stormy Daniels. Zum Prozess gekommen ist es noch nicht in den laufenden Verfahren um (1) versuchten Wahlbetrug und den Sturm auf das Kapitol, (2) versuchte Wahlfälschung in Georgia und (3) das unerlaubte Aufbewahren von Geheimunterlagen in Trumps Privatresidenz Mar-a-Lago in Florida.

Es schien in den vergangenen Tagen, zwischen dem Attentat auf Trump und seiner Kür zum republikanischen Präsidentschaftskandidaten in Milwaukee, dass er sich nicht länger um die Dokumenten-Affäre sorgen müsste. Denn: Aileen Cannon, die zuständige Bezirksrichterin, stellte das Verfahren ein. Sie begründete ihre Entscheidung damit, dass die Ernennung des im November 2022 von Justizminister Merrick Garland auf Trump angesetzten Sonderermittlers Jack Smith gegen die US-Verfassung verstoßen habe. Damit widerspricht sie allerdings allen bisherigen Urteilen.

Die Dokumenten-Affäre könnte für den früheren US-Präsidenten Donald Trump noch zum Problem werden. © Montage: Javier Rojas/imago-images/ Carolyn Kaster/dpa

Richterin in Trumps Dokumenten-Affäre verzögerte wiederholt das Verfahren

Trump wird in dem Mar-a-Lago-Verfahren vorgeworfen, höchst sensible Informationen aus seiner Amtszeit als Präsident zwischen 2017 und 2021 gesetzeswidrig in seinem Privathaus aufbewahrt zu haben. Im August 2022 hatte die Bundespolizei FBI sein Anwesen durchsucht und mehrere als streng geheim eingestufte Dokumenten-Sätze beschlagnahmt. Hinzu kommt der Vorwurf der Verschwörung zur Behinderung der Ermittlungen: Trump soll versucht haben, mithilfe von Mitarbeitern Material aus Überwachungskameras verschwinden und Kisten mit Dokumenten wegschaffen zu lassen. Er plädierte auf nicht schuldig.

Dass das Verfahren an Richterin Cannon übergeben wurde, stieß von vorneherein auf Kritik. Trump hatte sie während seiner Präsidentschaft 2020 zur Bundes-Bezirksrichterin für Süd-Florida mit Sitz in Fort Pierce ernannt, obwohl die heute 43-Jährige für den Posten vergleichsweise unerfahren war. Mehrmals verschob sie seit der Anklage von Sonderermittler Smith im Juni 2023 das Startdatum des Verfahrens nach hinten und soll Anträge besonders langsam bearbeitet haben. Das liegt in Trumps Interesse. Denn sollte er die kommende US-Wahl gewinnen, könnte er als neuer Präsident dem Justiz-Ministerium befehlen, die Anklage gegen ihn fallen zu lassen, wenn noch kein Verfahren begonnen hat.

Richterin Cannon: Ernennung des Sonderermittlers nicht rechtmäßig

In diesem Punkt ist ihm Richterin Cannon nun zuvor gekommen. Sie nahm ein Argument auf, das Trumps Verteidigungs-Team schon früher gegen Sonderermittler Smith vorgebracht hatte und das jüngst auch von Clarence Thomas, Richter am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten, wiederholt worden war: Smith sei nicht rechtmäßig ernannt und habe deshalb keine Befugnis, Trump anzuklagen. Cannon zufolge verleihe kein Bundesgesetz dem Justizminister „das Recht, einen Bundesbeamten mit der Art von Strafverfolgungsbefugnis zu ernennen, wie sie von Sonderermittler Smith ausgeübt wird“.

Das Justizministerium hat Smith allerdings bereits dazu autorisiert, beim zuständigen Berufungsgerichtshof für den 11. Gerichtsbezirk Berufung gegen Cannons Entscheidung einzulegen. Er werde das wahrscheinlich bald tun und könnte auch direkt beim Obersten Gerichtshof Berufung einlegen, sagte Carl Tobias, Juraprofessor an der Universität Richmond in Virginia, dem US-Nachrichtenportal Newsweek. „Das Berufungsverfahren wird einige Monate dauern, bis die Schriftsätze und Argumente im 11. Bundesberufungsgericht vorliegen“, so Tobias weiter, „und dann wird der Verlierer beim Obersten Gerichtshof Berufung einlegen.“

Dieses Foto, das am 9. Juni 2023 als Teil der einschlägigen Anklage gegen den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump veröffentlicht wurde, zeigt Boxen, in denen sich Dokumente befinden, die in einem Badezimmer von Trumps Mar-a-Lago-Residenz in Florida aufeinandergestapelt sind. Sie sollen als geheim eingestuftes Verschlussmaterial enthalten haben, scheinen aber zwischen Toilette und Dusche gelagert worden zu sein.
In diesen Boxen, die Donald Trump in einem Badezimmer seiner Residenz in Mar-a-Lago zwischen Toilette und Dusche lagerte, sollen als geheim klassifizierte Dokumente gewesen sein, so die Anklage des Sonderermittlers Jack Smith. © IMAGO/ZUMA Wire/Department of Justice

Cannons Entscheidung widerspricht bisheriger US-Rechtsprechung

Diese Prozessschleife dürfte den Fortgang des Verfahrens so weit verzögern, dass ein Urteil erst nach der Präsidentschaftswahl am 5. November zu erwarten ist. Einiges spricht aber dafür, dass eine potenzielle Berufung Smiths erfolgreich sein könnte. Es gab bereits in früheren sensiblen Fällen – wie dem Watergate-Skandal, der Iran-Contra-Affäre und den Ermittlungen zu den Verbindungen von Trumps Wahlkampfteam 2016 nach Russland – Sonderermittler, deren Ernennungen von Gerichten als rechtmäßig bestätigt wurden.

Der Juraprofessor Akhil R. Amar von der Universität Yale nannte Cannons Entscheidung gegenüber der New York Times „sehr aggressiv“. Er wäre nicht überrascht, wenn sie gekippt würde. Greg Germain, Juraprofessor an der Syracuse Universität in New York, hält Cannons Argumentation ebenfalls für „extrem schwach“. Er gab jedoch gegenüber Newsweek zu bedenken, der Oberste Gerichtshof könne angesichts der republikanisch gesinnten Richtermehrheit darin zu dem Schluss kommen, „dass die Regelungen über Sonderermittler zu weit gefasst sind“.

Sonderermittler Smith könnte bei Trump-Prozess weitermachen

Das hieße jedoch nicht unbedingt, dass das Verfahren wegen der Mar-a-Lago-Dokumente gegen Trump eingestellt würde. „Der technische Mangel, der noch nie von den Gerichten festgestellt wurde, kann leicht behoben werden, indem einer der vom Präsidenten ernannten und vom Senat bestätigten US-Staatsanwälte mit der Aufsicht über Jack Smith in diesem Fall betraut wird“, fuhr Germain fort.

Es wäre nicht das erste Mal, dass eine Entscheidung von Richterin Cannon zugunsten von Trump von einem Berufungsgericht kassiert würde. Schon im September 2022 griff sie in die laufende Untersuchung zu den Mar-a-Lago-Dokumenten ein, noch bevor eine Anklage erfolgte. Sie hinderte die Beamten des Justizministeriums vorübergehend daran, das beschlagnahmte Material in ihrer Untersuchung zu verwenden und setzte stattdessen einen Prüfer ein, der es sichten und Cannon Bericht erstatten sollte. Der Berufungsgerichtshof für den 11. Gerichtsbezirk erklärte beide Maßnahmen jedoch für nichtig.

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