Es gibt nicht viele, an die ich mein Herz verloren habe, aber an dieser Aussicht von meinem Arbeitszimmer hänge ich: Ich sitze in der zweiten Etage eines etwa 130 Jahre alten Palazzos oberhalb vom Comer See in Norditalien, der Lombardei um genau zu sein. "Ein Haus ohne Risse ist wie ein Mann ohne Narben", sagt unser italienischer Handwerker, der unser bester Freund geworden ist, weil hier mal ein Rohr platzt, da ein Kurzschluss nervt, oder eine Scheibe – klirr – einfach aus dem Rahmen fällt.
Die Idylle am Comer See hat eine besondere Geschichte
Ich blicke auf einen ausgeblichenen-gelben Kirchturm, von dem die Glocke im Halbstundentakt schlägt und meinen Tag besser strukturiert als der Outlook-Kalender. 300 Meter unter mir erstreckt sich blau der Comer See. Bellagio kann ich sehen, ein mondänes Örtchen auf einer Halbinsel im Wasser. Daneben die pompöse Villa Melzi, die sich Napoleons Statthalter baute.
Unten an der Seestraße ist ziemlich genau hier 1945 der italienische Machthaber Mussolini im offenen Cabriolet auf der Flucht von Partisanen erschossen worden. Gemeinsam mit seiner Geliebten Clara Petazzi.
Unseren Palazzo haben wir einst in Corona-Zeiten, als die Lombardei im Koma lag, von einer Familie gekauft, die den Namen Petazzi trug. Der Name ist verbreitet hier. Seitdem leben wir hier, wann immer es unsere Zeit erlaubt. Wir haben uns verliebt.
Was Sie im Italienurlaub lieber nicht tun sollten: Die fünf häufigsten Fehler
Jetzt im Sommer um "Ferragosto", was das deutsche Mariä Himmelfahrt ist, nur mit noch mehr Dolce Vita, füllen sich auch in unserem kleinen Dorf die Parkplätze. Autos mit deutschen, niederländischen und französischen Kennzeichen parken hier. Fensterläden an alten Steinhäusern werden geöffnet, die sonst das ganze Jahr geschlossen sind. Familien sitzen in Gärten und frühstücken, was kein Italiener macht, weil kein Italiener frühstückt.
Vielleicht können all diese Touristen von der Erfahrung profitieren, die ich hier schon gewonnen habe. Vielleicht sollte ich hier mal kurz meine Touri-Fehler schildern, damit sie nicht andere auch noch machen, zumindest nicht alle anderen. Hier kommt also etwas Handfestes zum Nachmachen für alle Norditalien-Urlauber:
1. Beim Trinken nicht hinsetzen
Das gilt jedenfalls für den morgendlichen Espresso oder Cappuccino an der Bar. Er ist im Stehen billiger, mehr als 1,20 Euro sollte der Espresso und mehr als 2 Euro der Cappu nicht kosten. Wer sich setzt, zahlt mehr.
Der Hauswein kostet oft weniger als das Bier und ist meistens genießbar. Eine ordentliche Pizza gibt es noch immer für unter zehn Euro. Beim Essen und Hinsetzen kommt meistens Coperto dazu, also ein Aufschlag pro Nase fürs Gedeck. Ich musste mal eine Freundin auslösen, die mit abgezähltem Geld und Kindern in die Trattoria gegangen war und das vergessen hatte. Im Stehen wäre ihr das nicht passiert.
2. Beim Tanken selbst zapfen
Wenn ich mit dem Auto an die Tankstelle fahre, springt ein strahlender Tankwart auf mich zu, fragt, ob "full" oder für wieviel Euro, und legt los. Wenn ich ihn machen lasse, gilt der Preis an der Zapfsäule nicht mehr, sondern es kommt auch eine Art Tank-Coperto dazu, "Servizio" heißt die Bedienungsgebühr, und macht locker zehn Prozent pro Liter aus.
Keine Scheu habe ich mehr vor Tankautomaten. Mit Glück schaltet das digitale Bedienfeld auf Deutsch um, wenn ich meine deutsche Kreditkarte hineinstecke. Ist die vorgegeben maximale Tanksumme erreicht, hört die Pumpe auf zu pumpen, ich kann den Schlauch einhängen und einfach losfahren. Hat bisher immer geklappt.
Ist das Auto kaputt, lohnt sich die Reparatur vor Ort. Wir haben unseren VW immer zum Service ins Dorf gebracht, kostet allenfalls zwei Drittel vom deutschen Werkstattpreis. Die Mechaniker verstehen ihr Handwerk. Ihr Trick: Sie reparieren manchmal wirklich und tauschen nicht nur aus.
Ich hatte ein Loch in einem sonst tadellosen Reifen. Zu Hause hätte ich einen Neuen kaufen müssen. Hier hat ihn jemand mit einer Art Kaugummi geflickt. Hält schon seit ein paar Tausend Kilometern. Nach zwei großen Serviceeinheiten in Italien hatte ich aus dem Geld, was nicht ausgegeben hatte, einen kleinen Urlaub zusammengespart.
3. Vorsicht, Mautpiraten
Dass die Autobahn Maut kostet, weiß jeder. Aber inzwischen konkurrieren eine unübersichtliche Vielzahl von Bezahlsystemen: Der Telepass, den Touristen meistens nicht haben, Bargeld, Kreditkarte, Online-Zahlung, alles ist möglich, Hauptsache der Euro rollt.
Zwei Bezahlarten sind tückisch: Von Mailand zum Flughafen Malpensa führt eine Strecke der Autobahngesellschaft Pedemontana, die ganz ohne Kassenhäuschen auskommt. Wer hier fährt, sollte das wissen, was auf klitzekleinen Schildern am Fahrbahnrand steht: Bezahlen kann man via App innerhalb von 15 Tagen. Ansonsten gibt’s Strafzettel in alle Welt. Die Sache verjährt erst nach zehn Jahren.
Tückisch können auch die digitalen Kassenhäuschen mit Schranke sein. Wer hier die Kreditkarte hineinsteckt, bekommt manchmal die genuschelte Antwort einer digitalen Stimme und die Schranke geht hoch. Manchmal hat die Stimme "Lesefehler" auf Italienisch gesagt, die Schranke hob sich, um keinen Stau entstehen zu lassen.
Dass der Automat auch noch einen Zettel ausspuckte, habe ich oft gar nicht gemerkt. Auf ihm findet sich in solchen Fällen eine Rechnung, die auch innerhalb von zwei Wochen bezahlt werden soll. Ansonsten: saftiger Strafzettel, manchmal erst nach anderthalb Jahren.
4. Keine Angst vor Bus und Bahn
In fast jedem Industrieland der Erde fährt die Bahn schneller und pünktlicher als zu Hause. Das haben Deutsche im Ausland inzwischen festgestellt und als ich selbst mal mit der Bahn nach Rom gefahren bin, war das eine komfortable Kiste.
Auch die Fahrt mit dem Bus zum Bahnhof klappt einwandfrei. Busse halten zuverlässig, wenn ich an der Haltestelle stehe und dazu noch winke, wenn er kommt. Und alle sind glücklich, wenn ich das Ticket vorher an der Bar gekauft habe. Das ist auch preiswerter als beim Fahrer zu bezahlen. Und dass ich neulich bei 35 Grad in einem Bus fuhr, wo sich einer aus der zugestiegenen Pfadfinder-Gruppe nach der dritten Steilkurve übergab – das hätte überall passieren können.
5. Mist, alles zu
"Schatzi, wollen wir heute bummeln gehen?" ist Planungspunkt Nummer eins beim turtelnden Urlaubspaar. Lange Gesichter entstehen dann bei denen, die dieses Programm auf die Zeit nach dem entspannten Aufstehen und dem ersten Sprung ins Wasser legen: Zwischen halb eins und vier Uhr mittags – bei Deutschen gern nachmittags genannt – ist außerhalb der wirklichen Großstädte (also eigentlich nur Mailand) vieles zu.
Dafür schließen manche Läden abends erst, wenn keiner mehr kommt. Montags ist oft ganz geschlossen, auch bei den Bars und Restaurants. Heute ist zum Glück nicht Montag, weswegen ich jetzt in meine Bar unweit der Kirche mit Seeblick gehe und was trinke. Vielleicht sogar im Sitzen.
Dieser Text erscheint in Kooperation mit Business Punk