- Teherans Panik vor Protesten: Neue Welle von Verhaftungen

Reza Khandan sitzt erneut hinter Gittern. Er darf nicht einmal mit seiner Familie telefonieren. Der Menschenrechtsaktivist ist der Ehemann der bekannten Anwältin und Menschenrechtsverteidigerin Nasrin Sotoudeh. "Er wurde verhaftet, weil er sich vor sechs Jahren öffentlich gegen den obligatorischen Hijab ausgesprochen hat", sagt Sotoudeh im Gespräch mit der DW.

Sotoudeh ist besorgt um ihren Mann und vermutet, dass die Justiz mit seiner Festnahme nicht nur sie unter Druck setzen, sondern auch eine Warnung an alle Kritiker senden will. Nasrin Sotoudeh, die 2012 mit dem Sacharow-Preis der Europäischen Union ausgezeichnet wurde, kämpft seit über 25 Jahren für Menschen- und Frauenrechte im Iran. Sie gehört zu den bekanntesten Stimmen der iranischen Zivilgesellschaft. Ihr Mann Reza Khandan, von Beruf Grafiker, steht seit Jahren an ihrer Seite und engagiert sich für die Menschenrechte.

"Reza hatte 2018 gemeinsam mit anderen Aktivisten Buttons mit der Aufschrift: 'Ich bin gegen den Kopftuchzwang' entworfen. Er wurde deshalb festgenommen und 2019 zu sechs Jahren Haft verurteilt. Der Fall wurde später offiziell für abgeschlossen erklärt, aber Mitte Dezember 2024 wurde er erneut verhaftet."

Nasrin Sotoudeh selbst saß zwischen 2018 und 2023 im berüchtigten Evin-Gefängnis, weil sie die Verteidigung junger Frauen übernommen hatte, die sich in der Öffentlichkeit gegen den Kopftuchzwang wehrten. Sie wurde damals zu 38,5 Jahren Haft und 148 Peitschenhieben verurteilt. Aufgrund ihrer Herzrhythmusstörungen und ihres schlechten Gesundheitszustands erhielt sie im November 2023 Hafturlaub.

Sie kann jederzeit wieder festgenommen werden, lässt sich aber davon nicht einschüchtern. Mitte Januar hatte Sotoudeh gemeinsam mit der prominenten islamischen Rechtsgelehrten und Frauenrechtlerin Sedigheh Vasmaghi eine Petition veröffentlicht. Darin forderten die beiden die Abschaffung der Todesstrafe und des obligatorischen Hijabs sowie ein Ende der Gewalt gegen Frauen, die sich dem Zwang widersetzen. Die Petition betonte, dass der Kopftuchzwangs im Iran vor allem ein politisches Instrument zur Unterdrückung von Frauen sei.

"Das politische System hat Angst vor Protesten, die wieder aufflammen könnten", sagt sie im Gespräch mit der DW und weist auf die landesweiten Proteste hin, die nach dem Tod von Jina Mahsa Amini im September 2022 begannen. "Deshalb versucht die Justiz, Aktivisten einzuschüchtern." Die Proteste damals wurden brutal nieder geschlagen. Bis heute gibt es fast täglich Nachrichten über die Verhaftung von Aktivisten der Zivilgesellschaft.

Am 4. März schrieb die iranische Dokumentarfilmerin Bahman Dar al-Shafaei auf ihrem Instagram-Account, dass die Bürgeraktivistin Marzieh Ghaffari Mitte Februar dieses Jahres festgenommen und nach 17 Tagen Einzelhaft in die Frauenabteilung des Evin-Gefängnisses verlegt wurde. Laut Bahman Daroshfaei engagiert sich Marzieh Ghaffari, Mitglied des Kulturvereins "Sizdah Aban", seit 25 Jahren ehrenamtlich im Süden Teherans. Ein Teil ihrer Aktivitäten widmet sich schwangeren Müttern und Kindern. Warum sie verhaftet wurde, ist nicht bekannt.

Ende Februar wurde Ali Abdi, ein bekannter Sozialwissenschaftler und Aktivist, ebenfalls hinter Gitter gebracht. Abdi, der in den USA lebte und sich in seinen Forschungsarbeiten mit sozialen Bewegungen, Migration und politischen Transformationen beschäftigte, reiste 2023 nach Teheran, um seine Mutter zu besuchen. Daraufhin wurde er festgenommen und vor Gericht gestellt. Ende Februar 2024 teilte er in einem Video mit, dass er zu 12 Jahren Haft verurteilt wurde; unter anderem wegen seiner Analysen, die er zehn Jahre lang über die landesweiten Proteste von 2009 geschrieben hatte.

"Mein Vater sitzt auch immer noch hinter Gittern", bestätigte Alireza Bakhtiar gegenüber der DW. Sein Vater, Mohammad Baqer Bakhtiar, gehörte zu einer Gruppe von Kriegsveteranen, die Mitte Februar eine stille Protestversammlung vor der Universität Teheran abhielten.

Ziel ihrer Versammlung war unter anderem die Aufhebung des Hausarrests von Mir Hossein Mousavi und seine Frau Zahra Rahnavard, die seit 2009 ohne Gerichtsverfahren unter Hausarrest gestellt wurden. Mousavi, einst selbst Premierminister der Islamischen Republik, fiel nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen von 2009 in Ungnade. Er stellte sich damals auf die Seite der Protestierenden und kritisierte offen die Wahlfälschung sowie die Gewalt gegen Demonstrierende.

Veteranen, die an der Versammlung teilgenommen hatten, gehörten zu den Kämpfern im Iran-Irak-Krieg (1980–1988). Sie werden vom politischen System als Helden gefeiert. Viele von ihnen kritisieren aber seit Langem die zunehmende Unterdrückung der Gesellschaft, insbesondere den brutalen Umgang mit Protesten nach dem Tod von Jina Mahsa Amini.

Sie fordern die Freilassung aller politischen Gefangenen. Dass gerade diese Gruppe nun zur Zielscheibe von Repression wird, zeigt vor allem, wie groß die Angst des Regimes vor neuen Protestwellen ist. Ihre Versammlung Mitte Februar wurde brutal niedergeschlagen, und Hunderte von ihnen wurden verhaftet, darunter Mohammad Bagher Bakhtiar.

"Mein Vater hat wegen seiner kritischen Haltung gegenüber dem politischen System mehrfach Todesdrohungen erhalten", sagt sein Sohn Alireza im Gespräch mit der DW und fügt hinzu: "Als Soldat hat er acht Jahre lang das Land und die Bevölkerung während des Krieges verteidigt. Jetzt sieht er es als seine Aufgabe, gegen die Unterdrückung der Zivilgesellschaft aufzustehen.“

Von Shabnam von Hein

Das Original zu diesem Beitrag "Teherans Panik vor Protesten: Neue Welle von Verhaftungen" stammt von Deutsche Welle.