Demokraten fordern Rückzug von Biden: Zweifel an „geistiger Fitness“ wachsen

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Die Demokraten sehen Joe Biden vor der US-Wahl 2024 zunehmend als Belastung. Nach außen hin gibt sich der US-Präsident unbeeindruckt. Doch wie lange noch?

Washington, D.C. – Der kollektive Druck auf Präsident Joe Biden wird immer stärker. Wenige Monate vor der US-Wahl 2024 fordern immer mehr prominente Demokraten den Rückzug des 81-Jährigen aus dem Rennen um das Weiße Haus. Allein am Freitag (19. Juli) wagten sich erneut etwa ein Dutzend Abgeordnete vor, um Biden zum Ausstieg aufzufordern.

Auch der Ton wird dabei rauer. So legte Seth Moulton, der den Bundesstaat Massachusetts im Repräsentantenhaus vertritt, sogar offen, wie Biden ihn jüngst bei einer Begegnung nicht mehr erkannt habe. In seinem Beitrag für den Boston Globe beschrieb Moulton eine Begegnung mit Biden am Rande der Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag des D-Days in Frankreich. „Zum ersten Mal schien er mich nicht zu erkennen“, so Moulton. Das könne zwar mit zunehmendem Alter passieren, er glaube aber, dass seine Erfahrung in der Normandie „Teil eines tieferen Problems“ sei. 

Biden muss sich bei einer Rede räuspern.
Zieht sich Joe Biden am Ende doch aus der US-Wahl 2024 zurück? © Kent Nishimura/AFP

Diese Demokraten fordern Biden öffentlich zum Rücktritt auf

Das sind die Demokraten, die Biden am 19. Juli zum Rückzug aus dem Rennen aufgefordert haben:

  • Sherrod Brown, Senator (Ohio)
  • Martin Heinrich, Senator (New Mexico)
  • Mark Pocan, Abgeordneter (Wisconsin)
  • Marc Veasey, Abgeordneter (Texas)
  • Greg Landsman, Abgeordneter (Ohio)
  • Jesús G. „Chuy“ García, Abgeordneter (Illinois)
  • Sean Casten, Abgeordneter (Illinois)
  • Gabe Vasquez, Abgeordneter (New Mexico)
  • Morgan McGarvey, Abgeordnete (Kentucky)
  • Betty McCollum, Abgeordnete (Minnesota)
  • Jared Huffman, Abgeordneter (Kalifornien)

Pelosi drängt Biden zum Rückzug vor der US-Wahl 2024, auch Obama äußert Bedenken

Schon seit Tagen versucht auch die erste Reihe der Partei hinter den Kulissen, Biden zum Rückzug zu bewegen. An der Spitze der Bewegung steht dabei Nancy Pelosi. Das Wort der früheren Vorsitzenden des Repräsentantenhauses hat enormes Gewicht bei den Demokraten. Zuletzt hat sie in mehreren Interviews deutlich gemacht, dass Biden zum Wohle der Partei besser nicht noch einmal antreten sollte.

Auch die beiden Top-Demokraten aus dem Kongress, Chuck Schumer und Hakeem Jeffries, haben zuletzt den Druck auf Biden erhöht. Sehr viel zurückhaltender gibt sich nach außen dagegen Barack Obama. Doch auch der Ex-Präsident soll Bedenken geäußert haben. Dagegen steht der progressive Flügel um die Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez und den unabhängigen Senator Bernie Sanders derzeit noch hinter Biden. 

Demokraten sehen in Biden nicht mehr den besten Kandidaten für die US-Wahl 2024

Hintergrund der Revolte sind Zweifel an der geistigen Fitness des Präsidenten. Vor allem scheint fraglich, ob Biden sein Amt noch weitere vier Jahre ausüben kann. Die Zahlen sprechen jedenfalls eindeutig gegen Biden. Nur etwa ein Viertel der Wahlberechtigten hält Biden einer Studie des Pew Research Center überhaupt zufolge noch für „geistig fit“. Das sind sechs Prozentpunkte weniger als bei einer ähnlichen Umfrage im Januar.

Laut einer aktuellen Umfrage der Nachrichtenagentur AP sind satte 65 Prozent der Demokraten der Meinung, Biden sollte sich aus dem Rennen um das Weiße Haus zurückziehen. Die Ergebnisse widersprechen damit Bidens eigener Behauptung, der „Durchschnittswähler“ wolle, dass er im Rennen bleibe. Einer YouGov-Umfrage zufolge halten es inzwischen knapp 44 Prozent der Befragten für wahrscheinlich, dass Biden aus dem Rennen um die Präsidentschaftskandidatur 2024 aussteigen wird.

Kritik an Biden vor der US-Wahl 2024 wächst unaufhörlich

Wie aber wird Biden nun auf die neuen Forderungen reagieren? Bisher gibt sich der Präsident, der sich nach einer Infektion mit dem Coronavirus in sein Privathaus in Delaware zurückgezogen hat, nach außen hin völlig unbeeindruckt von der parteiinternen Rebellion. Öffentlich hat er alle Rückzugsforderungen bisher entschieden zurückgewiesen.

Auch sein Wahlkampfteam betont beharrlich, Biden habe nicht vor, hinzuschmeißen. Der Amtsinhaber bleibe „absolut“ im Rennen und sei „entschlossener denn je, Trump zu besiegen“, sagte Wahlkampfmanagerin Jen O‘Malley Dillon dem Sender MSNBC. Biden sei „eindeutig die beste Person, um gegen Donald Trump anzutreten“, betonte sie.

Tatsächlich kündigte Biden am Freitag an, seine Wahlkampftermine wieder aufnehmen zu wollen. „Ich freue mich darauf, nächste Woche wieder auf die Wahlkampftour zu gehen“, hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme des Präsidenten. Er wolle bei den Menschen im Land weiter vor der Gefahr durch die Politik Trumps warnen und gleichzeitig für seine eigene Vision für das Land werben. „Es steht viel auf dem Spiel“, mahnte er und rief seine Partei zu Geschlossenheit auf: „Gemeinsam werden wir gewinnen.“ 

Biden denkt angeblich über Rückzug von der US-Wahl 2024 nach

Doch noch ist offen, ob Biden tatsächlich weitermachen wird. US-Medien zufolge schließt der 81-Jährige insgeheim einen Rückzug offenbar nicht mehr kategorisch aus. So berichtete NBC News, einige von Bidens Familienmitglieder hätten darüber diskutiert, „wie ein Ausstieg aus seiner Kampagne aussehen könnte“. Es gebe jedoch noch keine endgültige Entscheidung über einen möglichen Rückzug.

Trump oder Biden? Es wird spannend im US-Wahlkampf

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Die New York Times zitierte mehrere Stimmen aus Bidens Umfeld, denen zufolge der 81-Jährige anfange zu akzeptieren, dass er bei der Wahl im November gegen seinen Rivalen Trump nicht gewinnen könne. Das Nachrichtenportal Axios berichtete unter Berufung auf Parteivertreter, Biden könne bereits an diesem Wochenende aus dem Wahlkampf aussteigen. Der Sender NBC zitierte eine Biden nahestehende Person mit den Worten: „Wir sind kurz vor dem Ende.“

Als möglicher Ersatz für Biden ist in den vergangenen Wochen Bidens Stellvertreterin Kamala Harris mehr und mehr in den Fokus gerückt. Sie ist während Bidens Abwesenheit weiter im Wahlkampf unterwegs und machte am Freitag einen öffentlichkeitswirksamen Stopp in einer Eisdiele in der Hauptstadt Washington. Die sind üblicherweise dem bekennenden Eis-Liebhaber Biden vorbehalten. (cs/dpa/AFP)

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