Während Trump die Welt ins Chaos stürzt, präsentiert sich China als verlässlicher Partner
Inmitten einer Welt im Umbruch kommt Chinas Parlament zu seiner jährlichen Sitzung zusammen. Was in Peking verkündet wird, hat Folgen nicht nur für die Volksrepublik.
Man kann sich vorstellen, wie sie in diesen Tagen ihr Glück kaum fassen können in Zhongnanhai, dem chinesischen Regierungsviertel. Denn während Donald Trump und JD Vance den Westen vor den Augen der Weltöffentlichkeit zerlegen und die Ukraine den Russen vorwerfen, steht China auf einmal wie ein Stabilitätsanker in einer zunehmend turbulenten Welt da. Gegen Trump und Vance wirkt selbst ein autoritärer Herrscher wie Xi Jinping nur halb so schlimm.
Auf uns ist Verlass in diesen schwierigen Zeiten: Das ist die Botschaft, die Peking vermitteln will, wenn ab Mittwoch das chinesische Parlament zusammenkommt. Die jährliche Sitzung des sogenannten Nationalen Volkskongresses (NVK) werde „der Welt Stabilität und kluges Regieren bescheren“, schrieb am Montag das chinesische Propagandablatt Global Times, es sei ein „Fenster, um Chinas demokratischen Prozess zu beobachten“. Vor allem in den Ländern des Globalen Südens, wo man schon lange kritisch auf die USA blickt und mit viel Wohlwollen auf Peking, kommen solche Botschaften an.
Chinas Nationaler Volkskongress: 3000 Abgeordnete mit sehr wenig Macht
Ab Mittwoch treffen sich in der Großen Halle des Volkes im Herzen Pekings die 2930 Abgeordneten des größten Parlaments der Welt. Mit dem, was man gemeinhin unter Demokratie versteht, hat das XXL-Event aber freilich wenig zu tun. Die Abgeordneten sind nicht frei gewählt, und zu sagen haben sie auch nicht viel. Ihre wichtigste Aufgabe ist es, Gesetze abzunicken, die Chinas Staatsführung längst beschlossen hat. Widerspruch ist unerwünscht und auch nicht zu erwarten bei dieser streng durchchoreografierten Veranstaltung.
Chinas „Zwei Sitzungen“
Der Nationale Volkskongress (NVK) ist mit 2930 Abgeordneten das größte Parlament der Welt. Wirkliche Macht hat er aber nicht: Die Parlamentarier nicken lediglich von der Parteiführung vorab getroffene Entscheidungen ab. Die Abgeordneten werden alle fünf Jahre gewählt und sollen die 34 chinesischen Provinzen und Regionen vertreten, einschließlich Hongkong, Macau und Taiwan.
Die jährliche Sitzung des NVK dauert eine Woche und wird diesmal am 5. März mit dem Arbeitsbericht von Ministerpräsident Li Qiang eröffnet. Bereits einen Tag zuvor beginnt die jährliche Tagung der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes, eines beratenden Gremiums, dem gut 2000 Mitglieder der Kommunistischen Partei und anderer Organisationen angehören. Politisch hat die Konsultativkonferenz eine untergeordnete Bedeutung.
Und dennoch lohnt ab Mittwoch ein Blick nach Peking, vor allem am Eröffnungstag des NVK. Denn dann wird Li Qiang, der chinesische Premierminister, seinen Arbeitsbericht vorstellen. Es sind vor allem zwei Zahlen daraus, die die Schlagzeilen bestimmen werden. Zunächst wird Li verkünden, wie stark der chinesische Verteidigungshaushalt in diesem Jahr steigen wird, in den letzten beiden Jahren waren es jeweils 7,2 Prozent. Nis Grünberg von der China-Denkfabrik Merics erwartet auch diesmal ein ähnliches hohes Wachstum, sagt aber auch, dass Lis Ankündigung mit Vorsicht zu genießen sei. „Das sagt nicht wirklich etwas darüber aus, wie viel China wirklich fürs Militär ausgibt.“ In Wahrheit dürfte China mehr in seine Volksbefreiungsarmee stecken, als es zugibt.
Schon jetzt jedenfalls hat China Schätzungen des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI zufolge den zweitgrößten Verteidigungshaushalt der Welt, hinter den USA und wohl noch vor Russland. Zudem lässt Peking zunehmend seine Muskeln spielen, was vor allem Taiwan zu spüren bekommt, der demokratisch regierte Inselstaat, den sich China notfalls auch mit Gewalt einverleiben will. Im letzten Jahr hatte Peking versucht, die Menschen dort mit mehreren Großmanövern einzuschüchtern, fast täglich schickt China zudem Kriegsschiffe und Kampfjets in die Region.
Wirtschaftswachstum von fünf Prozent ist für China nicht genug
Neben dem Verteidigungshaushalt wird Premierminister Li Qiang auch die angepeilte Wachstumsrate für die chinesische Wirtschaft verkünden. Im letzten Jahr hatte Li ein Wachstumsziel von „um die fünf Prozent“ ausgegeben, das mit einer Punktlandung und angeblich exakt 5,0 Prozent auch erreicht wurde. Merics-Ökonom Jacob Gunter glaubt, dass China auf dem diesjährigen NVK ein ähnlich hohes Ziel vorgeben wird. Es sei allerdings „nicht überraschend, wenn es ein bisschen niedriger liegt“. Denn die letzten beiden Jahre seien „furchtbar“ gewesen für die chinesische Wirtschaft, so Gunter.
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So schwelt noch immer eine gigantische Immobilienkrise, die Jugendarbeitslosigkeit ist hoch, die Wirtschaft kommt seit dem Ende der Corona-Pandemie nicht richtig in Schwung. Vor allem der Binnenkonsum schwächelt, weswegen China vermehrt ausländische Märkte mit seinen Produkten überschwemmt. Auch der Zoll-Streit mit den USA sorgt für Unsicherheit. Im vergangenen Jahr fielen ausländische Direktinvestitionen in China um 27 Prozent und damit so stark wie zuletzt während der Finanzkrise 2008.

Fünf Prozent Wachstum – was für deutsche Verhältnisse nach viel klingt, ist für ein Land, das noch viele Hundert Millionen Menschen aus der Armut holen will, nicht genug. Dennoch schreckt Peking vor tiefgreifenden Reformen zurück. So blieben etwa Maßnahmen zur Ankurbelung des Binnenkonsums hinter den Erwartungen vieler Ökonomen zurück. Immerhin scheint Xi die in den letzten Jahren arg bedrängte Privatwirtschaft wieder etwas stärken zu wollen, vor ein paar Wochen traf er sich medienwirksam erstmals seit 2018 wieder mit Vertretern von Unternehmen wie Alibaba und Huawei. Möglicherweise wird der NVK in den kommenden Tagen ein erstes Gesetz zum Schutz der Privatwirtschaft verabschieden.
China stellt die Sicherheit des Regimes über die Wirtschaft
Xi Jinping geht es vor allem darum, die chinesische Wirtschaft langfristig resilient zu machen gegen externe Schocks. Etwa für den Fall, dass sich der Handelskonflikt mit den USA und mit der EU weiter zuspitzt. China fördert deswegen Investitionen in Bereiche, die als entscheidend angesehen werden, um China unabhängiger vom Westen zu machen, etwa bei Halbleitern und Künstlicher Intelligenz. Dafür nimmt Xi auch kurzfristige wirtschaftliche Verwerfungen in Kauf. Unklar bleibt, ob diese Wette auf die Zukunft aufgeht. „Xi Jinping sagt den Leuten im Prinzip: Esst euer bitteres Gemüse, und irgendwann am Ende gibt es Dessert“, sagt Merics-Ökonom Gunter.
Über allem steht für Xi aber ohnehin etwas anderes: die Sicherung der eigenen Macht. Weil Xi Angst hat vor einer allzu entfesselten Wirtschaft, vor Privatunternehmen mit zu viel Einfluss, hält er auch in Zukunft die Zügel fest in der Hand. Dass die Wirtschaft darunter leidet, wird eingepreist. Er verfolge vor allem ein Ziel, erklärte Xi am vergangenen Freitag vor dem Politbüro, dem obersten Entscheidungsgremium der Kommunistischen Partei: „Wir müssen die Sicherheit des Regimes, des politischen Systems und der Ideologie schützen.“