Analyse von Josef Seitz - Kinder befragen Scholz und Merz - dabei wird ein großer Unterschied deutlich
Schauspieler wissen: In Rollen mit Kindern und Tieren kannst du nur verlieren. Wie steht das mit den Politik-Darstellern, die sich und ihre Leistungen in diesen Wahlkampf-Wochen bestmöglich verkaufen wollen? „Kannste (nochmal) Kanzler?“, stellt Sat.1 zur besten Sendezeit die Frage. Und tatsächlich: Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz und Möchtegern-Kanzler Friedrich Merz konfrontieren sich mit Kindern. Für den Zuschauer hat das seinen Reiz.
Und das gerade in einer Woche, in der in den sozialen Medien auch die Frage diskutiert wird, ob nicht die Stimmen von Jungwählern mehr Gewicht bekommen sollten als die Stimmen der Älteren – schließlich müssen sie ja länger unter den Folgen falscher Politik leiden. „Wir nehmen Scholz und Merz in die Mangel“, verspricht ein Junge. „So habt ihr die beiden noch nie gesehen“, kündigt ein Mädchen an. Und was sehen wir Zuschauer?
Der Piraten-Kanzler? Das bringt Pluspunkte
Bei seinem Besuch in einer Gesamtschule in Berlin zieht Olaf Scholz seine Piraten-Augenklappe aus der Hosentasche. Das kommt gut an bei den Kindern. Auch wenn es mit größter Wahrscheinlichkeit nicht die Original-Augenklappe war, die er nach seinem Joggingunfall getragen hatte. Sondern eine, die sich der Bundeskanzler für seinen Auftritt schnell noch aus der Apotheke beschaffen hat lassen.
Die Schwindelei stört niemanden, als der Bundeskanzler am 15. Januar die Schule besucht. Tags darauf ist Rivale Friedrich Merz dran. Das blendet Sat.1 zur zeitlichen Einordnung ein. „Wir können uns duzen“, bietet Scholz den Schülern zur Begrüßung an.
Endlich einmal Ganzalleineentscheider
Die Kuschelei endet, als es um die politischen Gegner geht. Die Schüler bieten Scholz an, endlich mal Fragen ganz alleine beantworten zu dürfen, so ganz ohne Rücksicht auf Koalitionspartner. „ Herr Lindner oder Herr Merz?“ Da tut er sich als Ganzalleineentscheider schwer: „Naja, weiß ich nicht.“ Ob er lieber auf die Politik verzichtet, wenn die AfD dafür nicht an die Macht kommt?
Da wird der Bundeskanzler eindeutig: „Die AfD wäre das Schlimmste für Deutschland.“ Da ist er sich übrigens einig mit Merz. Der würde auch auf die Politikerlaufbahn verzichten, wenn er damit die AfD verhindern könnte. Sagt er zumindest.
Kanzler-Nachhilfe mit dem Extrasauer-Kaugummi
Es sind ein paar nette Spiele, die sich die Schüler, die Schule oder Sat.1 einfallen haben lassen. 60 Sekunden bekommt Scholz, um das Wort „Schuldenbremse“ zu erklären. Nach 44 Sekunden ist er schon fertig. Das kriegt Friedrich Merz am Tag darauf deutlich schlechter hin. In einem Spiel ohne Worte soll Scholz nur mit Mimik antworten. Das ist sicher nicht seine Stärke. Da muss ein „supersaurer“ Kaugummi nachhelfen. Die Frage dazu: „Wie würden Sie schauen, wenn Sie mit der AfD zusammenarbeiten müssten?“ Und was sagt der Bundeskanzler: „Bitte was? Das mache ich nicht!“
Den Kindern erklärt der Kanzler, dass er „sehr klar“ sei, wenn es um Menschen in Deutschland ohne Pass geht. Das macht in der Klasse auch Angst. „Würde ich abgeschoben werden, wenn meine Eltern eine Straftat begehen?“, will ein Mädchen wissen. Das hänge vom Alter ab. Das hänge auch von der Straftat ab. Zur Sicherheit rät der Bundeskanzler vom Schwarzfahren ab.
Merz punktet als Pilot
Sehr viel entspannter geht Friedrich Merz die Gespräche mit den Kindern an. Da zahlen sich die drei Kinder und sieben Enkelkinder als Trainingspartner offensichtlich aus. „Krass, dass er Flugzeug fliegen kann“, beeindruckt ziemlich einfach. In der Schulklasse zählt noch der Flugschein, nicht die Flugscham – da ist Pilotsein einfach cool. „Du hattest ja noch nie eine wichtige Rolle“, muss er sich dann doch fragen lassen.
„Ich habe über 20 Jahre in der Politik gearbeitet“, gibt er zur Antwort, „Ich bringe beides mit: Erfahrung in der Politik und Erfahrung in der Wirtschaft. Das macht den Unterschied.“ Abgehoben wirkt Merz nur, wenn er gefragt wird, welches Tier er gerne wäre. Da hebt er gerne als Adler ab. Oder läuft sehr elegant als Pferd über die Weide.
Die kleinen Paschas? „Das sind ganz andere!“
Als es ums Bürgergeld geht, kontert er mit der Gegenfrage zur Steuer: „Stell dir mal vor, du bekommst zehn Euro Taschengeld – und davon nimmt der Staat vier. Findest du das gut?“ Da schüttelt das Mädchen, das die Frage stellt, ziemlich energisch den Kopf. Putin vergleicht Friedrich Merz mit dem Schulhof-Rowdy, dem man „irgendwann Einhalt gebieten muss“. Und der Kandidat sagt: „Angst vor Putin zu haben, ist der schlechteste Ratgeber.“
Ein Junge, dessen Eltern aus Syrien kamen, beschwert sich, weil Merz über „die kleinen Paschas“ gesprochen hatte. „Sie positionieren sich sehr wie die AfD!“, bekommt Merz zu hören. Der antwortet ausführlich. Wann die Eltern gekommen sind? Ob der Junge in Deutschland geboren ist? „In meiner Partei redet keiner über euch“, versichert er. „Wir reden über die, die sich nicht integrieren wollen. Das sind nicht Leute wie du, das sind ganz andere.“
Scholz wird befragt, Merz fragt zurück
Der Unterschied ist klar. Olaf Scholz wird von den Kindern befragt. Friedrich Merz schafft den Dialog. Wenn Kinder wählen könnten: Sie würden sich wahrscheinlich für ihn entscheiden. „Man sieht an ihm, dass er Kinder hat“, lobt einer der Schüler zum Schluss. „Ganz schwierig“, findet ein anderer.
Und was sagt Merz selbst, als er sich und Olaf Scholz einordnen soll? „Ich glaube, der Olaf Scholz wäre eher der Streber. Ich wäre in meiner Schulzeit eher der Chaot gewesen.“