Merkel rechnet hart mit Scholz‘ Wutrede zu Ampel-Aus ab – „kein Paradebeispiel von Würde“
Merkel rechnet hart mit Scholz‘ Wutrede ab – „kein Paradebeispiel von Würde“
Altkanzlerin Merkel hat den Auftritt von Olaf Scholz nach dem Bruch der Ampel-Koalition scharf kritisiert. Für den Kanzler erneut Gegenwind mit Blick auf seine erneute Kandidatur.
Berlin – Inmitten der turbulenten Zeiten für Bundeskanzler Olaf Scholz hätte am Donnerstagabend eine Phase der Ruhe beginnen können. Verteidigungsminister Boris Pistorius, Scholz‘ interner Rivale um die Kanzlerkandidatur der SPD, erklärte in einer Videobotschaft, dass er nicht für eine Kandidatur zur Verfügung stehe. Damit war der Weg für eine erneute Kandidatur von Scholz frei. Doch kaum 12 Stunden später gab es für Scholz den nächsten Rückschlag – diesmal von seiner ehemaligen Chefin. Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte sich aus dem Ruhestand und kritisierte das Verhalten ihres Nachfolgers mit deutlichen Worten.

„Ogottogott“ Merkel rügt Scholz für Verhalten nach Ampel aus – „außer Rand und Band“
Merkel kritisierte Scholz vor allem für sein Verhalten nach der Entlassung von Finanzminister Christian Lindner (FDP) und dem daraus resultierenden Bruch der Ampel-Koalition am 6. November. „Manche dachten: Wenn unser Bundeskanzler so außer Rand und Band ist – ogottogott – wie schlecht steht es dann um unser Land?“, äußerte die ehemalige Bundeskanzlerin im Gespräch mit dem Spiegel über die Auswirkungen der Kanzlerrede auf die Bevölkerung.
Auf die Frage nach ihrer persönlichen Reaktion auf die Äußerungen im Anschluss an das Ampel-„Drama“ antwortete die Altkanzlerin kurz: „Mein spontaner Gedanke: Männer!“. Scholz hatte in einer vorbereiteten Erklärung nach dem Bruch der Koalition mit der FDP und insbesondere mit Lindner abgerechnet – auch auf persönlicher Ebene. „Zu oft hat Bundesminister Lindner Gesetze fachfremd blockiert. Zu oft hat er kleinkariert parteipolitisch taktiert. Zu oft hat er mein Vertrauen gebrochen“, waren einige der Vorwürfe des Bundeskanzlers.
Merkel kritisiert Scholz für Aussagen über Lindner: „kein Paradebeispiel von Würde“
Für Merkel war dies „kein Paradebeispiel von Würde“. „Der Bundeskanzler führt das Verfassungsorgan Bundesregierung an. Sein Amt hat eine Würde, und die sollte einen stets leiten“, sagte die Altkanzlerin dem Spiegel. Merkel erklärte weiter, dass sie während ihrer Amtszeit ebenfalls oft mit „harten Bandagen“ zu kämpfen hatte und dass es nur menschlich sei, darauf emotional zu reagieren. „Man verspürt eine Menge Emotionen, aber besser ist, man schreit die Wand in seinem Büro an als die deutsche Öffentlichkeit“, riet Merkel ihrem Nachfolger. „Ich konnte mich als Kanzlerin auch nicht tagelang in meinem Gemütszustand aufhalten, sondern musste die Wut hinter mir lassen und schauen, dass ich vorankomme.“
Mit Blick auf die FDP, mit der auch Merkels Union zwischen 2009 und 2013 in einer schwarz-gelben Koalition regierte, betonte die Altkanzlerin, dass sie diese „nie als einfachen Koalitionspartner erlebt“ habe. „Aber sie existiert, und Politik beginnt eben mit dem Betrachten der Realität“, sagte Merkel. Eine Aussage, die wohl auch als Rat an ihren Nachfolger interpretiert werden kann. Scholz war zwischen 2017 und 2021 Finanzminister und Vizekanzler unter Merkel.
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Deutliche Kritik von Merkel: Erneuter Rückschlag für Scholz vor der Bundestagswahl
In der kommenden Woche wird Merkel ihre Memoiren mit dem Titel „Freiheit“ veröffentlichen. Darin berichtet die ehemalige CDU-Bundeskanzlerin unter anderem über ihre Jugend in der DDR, ihren politischen Aufstieg in der Bundesrepublik, ihre Begegnungen mit den Staatsmännern ihrer Zeit – und sie verteidigt ihre Russland-Politik, die inzwischen auch in ihrer eigenen Partei kritisiert wird.
Die öffentliche Kritik der Altkanzlerin könnte für Scholz ein weiteres Hindernis auf dem Weg zur vorgezogenen Bundestagswahl im Februar 2025 darstellen. Nach dem Verzicht von Verteidigungsminister Boris Pistorius stärkte SPD-Chef Lars Klingbeil dem Kanzler am Freitag jedoch immerhin parteiintern den Rücken. Auch in der SPD-Bundestagsfraktion herrsche große Geschlossenheit hinter einer erneuten Kandidatur des Kanzlers. Dies habe die interne Diskussion am Donnerstagabend nach der Entscheidung von Pistorius gezeigt, sagte Klingbeil am Freitag auf einer SPD-Kommunalveranstaltung. (fd)