Nach schwerem Unfall in Miesbach: Wie sicher sind Leichtkraftwagen wirklich?

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Miesbach
  4. Miesbach

KommentareDrucken

Gut im Geschäft mit den Leichtkraftwagen: Sepp Ströbl vom Marksteiner Fahrzeughandel in Irschenberg verkauft Fahrzeuge der Firma Aixam. © Stefan Schweihofer

Nach dem schweren Unfall eines Leichtkraftwagens in Miesbach stellt sich die Frage: Wie (un)sicher sind diese Fahrzeuge eigentlich wirklich? Ein Händler und ein Fahrlehrer klären auf.

Miesbach – Obwohl das Fahrzeug nur zwei Sitzplätze hat: Die beiden Insassen des Leichtkraftwagens, der am Mittwochmittag in Miesbach mit einem Lkw kollidiert ist, hatten einen Schutzengel an Bord. Wie die Polizeiinspektion Miesbach gestern auf Nachfrage mitteilte, befindet sich der 16-jährige Fahrer nur noch zur Beobachtung auf der Intensivstation. Die Verletzungen des in Egling im Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen wohnhaften Fahranfängers seien deutlich leichter gewesen als zunächst angenommen. Sein Beifahrer konnte, wie berichtet, sogar unverletzt aus dem nach dem Aufprall des Lasters demolierten Wrack steigen. Eine Frage jedoch bleibt: Wie sicher sind diese auf 45 km/h gedrosselten Wagen überhaupt?

Zumindest deutlich sicherer als die vor ihrer Markteinführung in dieser Fahrer-Altersgruppe dominierenden Roller, sagt Sepp Ströbl vom Marksteiner Fahrzeughandel. Der Irschenberger verkauft bereits seit 2014 die französische Marke Aixam. Zunächst noch vereinzelt gebraucht, mittlerweile allesamt neu ab Werk. Gut 30 der je nach Ausstattung bis zu 15 000 Euro teuren Autos bestellt er im Jahr, aktuell mit 30 Wochen Lieferzeit. „Die Nachfrage ist extrem groß“, sagt Ströbl. Alles, was er früher an Rollern verkauft habe, seien nun Leichtkraftwagen.

Leichtkraftwagen auf dem Land beliebt

Kein Wunder, seien die doch wegen ihrer geschlossenen Bauweise mit Heizung auch bei Regen und in der kalten Jahreszeit für den Weg zur Ausbildungsstätte oder Schule nutzbar. Gerade hier auf dem Land ohne ausreichend Busverbindungen oft die einzige Chance für Jugendliche, ohne auf die Eltern angewiesen zu sein rund um die Uhr von A nach B zu kommen, weiß Ströbl.

Selbstverständlich sei aber auch der Sicherheitsaspekt ein wichtiges Thema im Verkaufsgespräch mit den Eltern. Hier hat Ströbl eine klare Meinung: Dank Dreipunktgurt und Fahrgastzelle aus einem geschweißten Aluminiumrahmen biete der Aixam allemal deutlich mehr Schutz als ein handelsüblicher Roller oder gar ein E-Bike. „Wenn da ein Laster reinfährt, überlebt man das nicht“, sagt der Händler. Zudem verfüge der Wagen über einen Aufprallschutz in den Türen sowie zwei Rohre, auf denen sich Motor und Getriebe bei einem Frontalcrash unter die Fahrgastzelle und damit weg von den Insassen schieben würden.

Alles aus Ihrer Region! Unser Miesbach-Newsletter informiert Sie regelmäßig über alle wichtigen Geschichten aus der Region Miesbach. Melden Sie sich hier an.

Noch etwas hat Ströbl beobachtet: Durch das leichte Leergewicht von weniger als einer halben Tonne böten die Leichtkraftwagen bei einem Unfall weniger Widerstand, was die Aufprallwirkung reduziere. So seien einmal zwei junge Burschen mit einem Aixam in die Wiese geschoben worden, aber es habe ihnen nichts gefehlt. Überhaupt würden die Autos nach einem Unfall oft schlimm ausschauen, die Insassen kämen aber meist glimpflich davon.

Mehr Sicherheit als Roller

Auch der ADAC stellt das im Vergleich zu Roller oder Moped klar bessere Schutzpotenzial der Leichtkraftwagen fest. Lege man aber Crashtest-Maßstäbe für Autos zugrunde, würden die 45 km/h-Wagen meist mangelhaft abschneiden. Zudem sei das Unfallrisiko erhöht, weil andere Autofahrer die niedrige Geschwindigkeit der Leichtkraftfahrzeuge oft nicht richtig einschätzen würden. Um das Fahrverhalten kennenzulernen, sollten Jugendliche den erforderlichen AM-Führerschein eigentlich gleich auf den Leichtkraftwagen absolvieren. Dies sei aber nach aktueller Gesetzgebung nicht möglich.

Das kritisiert auch der Miesbacher Fahrschulinhaber Andreas Thaler. Sämtliche Fahrstunden und auch die Prüfung müssten zwingend auf dem Roller stattfinden. Zwar könne man danach freiwillige Fahrstunden auf dem (eigenen) Leichtkraftwagen buchen, da dürfe er als Fahrlehrer aber dann bei Fehlern nicht eingreifen, um keine Haftungsprobleme zu bekommen. Thalers Sohn fährt übrigens einen Ellenator. Für den auf 20 PS-beschränkten Fiat 500 mit einem reduzierten Radstand auf der Hinterachse brauche man den ab 16 Jahren machbaren A1-Führerschein, profitiere dafür aber von einer mit einem normalen Kleinwagen vergleichbaren Karosserie und Sicherheitsausstattung. Dennoch müsse man auch hier zunächst üben, mit der ungewohnten Fahrzeugbedienung zurechtzukommen, betont Thaler. Ein weiteres Argument für gezielte Fahrstunden auf genau diesem Wagen.

sg

Auch interessant

Kommentare