Neues Sondertribunal: Selenskyj und Europarat wollen Putin vor Gericht bringen

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Der Internationale Strafgerichtshof kann Putin nicht wegen des Angriffs auf die Ukraine anklagen. Ein neues Sondertribunal soll diese Lücke schließen.

Straßburg – Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat am Mittwoch im Europarat die Einrichtung eines Sondertribunals zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine besiegelt. Nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP unterzeichnete Selenskyj bei einem Besuch in Straßburg ein entsprechendes Dokument. Die Schaffung des beim Europarat angesiedelten Tribunals hatten die Ukraine und die EU bereits am 9. Mai beschlossen.

„Alle Kriegsverbrecher, auch Russland, müssen wissen, dass Gerechtigkeit geübt wird“, sagte Selenskyj. Alain Berset, der Präsident des 46 europäische Staaten umfassenden Europarats, sprach von einer „entscheidenden Etappe“ zur Einrichtung des Tribunals.

Sondertribunal: Europa und Selenskyj wollen Putin zur Rechenschaft ziehen

Bei seinem Besuch sprach Selenskyj vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, nachdem er vom Nato-Gipfel aus Den Haag angereist war. „Wir brauchen Einheit zwischen Europa und den USA und wir werden siegen“, sagte der ukrainische Regierungschef und fügte hinzu: „Es bedarf einer starken politischen und rechtlichen Zusammenarbeit, um sicherzustellen, dass jeder russische Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt wird, einschließlich Putin.“

Mit dem Sondertribunal soll das russische „Verbrechen der Aggression“ gegen die Ukraine geahndet werden und die politischen sowie militärischen Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen.

Sondertribunal soll rechtliche Lücke schließen

Für die Ahnung von Kriegsverbrechen im Ukraine-Krieg ist der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag zuständig. Dieser hatte im März 2023 einen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin ausgestellt – wegen des Vorwurfs der Zwangsdeportation ukrainischer Kinder nach Russland.

Wladimir Putin sitzt an einem Tisch und hält eine Tasse in seinen Händen.
Sondertribunal: Ein Prozess gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin gilt als unwahrscheinlich. © Vyacheslav Prokofyev/dpa

Allerdings kann der IStGH nicht gegen die russische Führung wegen des „Verbrechens der Aggression“ – also der Entscheidung zum Angriff auf die Ukraine – vorgehen. Diese rechtliche Lücke soll nun das neu eingerichtete Sondertribunal schließen, um Verantwortliche aus dem Kreml vor Gericht zu bringen.

Trotz Sondertribunal: Prozess gegen Putin gilt als unwahrscheinlich

Ein Prozess gegen Putin wäre erst nach dem Ende seiner Präsidentschaft möglich, da amtierende Staatschefs Immunität genießen. Der Europarat hält das Tribunal dennoch für wichtig, etwa um Beweise zu sammeln und Anklagen vorzubereiten.

Nun können interessierte Staaten und die Europäische Union eine Entscheidung treffen, ob sie am Sondertribunal mitwirken möchten. Das Tribunal soll in den kommenden Monaten die Arbeit aufnehmen. Die Vorbereitungen laufen, teilte der Europarat mit. Dem Europarat gehören 46 Staaten mit mehr als 700 Millionen Einwohnern an. Er ist von der EU unabhängig und setzt sich für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte ein. Die Ukraine ist Mitglied. Russland wurde im März 2022 ausgeschlossen.

Derweil setzt Russland den Krieg in der Ukraine fort und wendet offenbar eine neue Taktik an. Ein Grund für den Strategiewechsel sind wohl hohe Verluste. (Jan-Frederik Wendt)

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