Verantwortung für sechs Unternehmen

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Die Verlegung der Fernwärme-Hauptleitungen (hier in der Bahnhofstraße), ist ein teures Unterfangen, um das sich die gemeindliche Fernwärmenetz Gräfelfing GmbH kümmert. Aushub, Verlegen und Verschweißen der Rohre, Kontrolle und Dämmen dauern drei bis vier Wochen für einen 50-Meter-Abschnitt. © Dagmar Rutt

Die Gemeinde Gräfelfing ist nicht nur als wirtschaftsfreundlich bekannt; sie wurde in den letzten Jahren auch zunehmend selbst unternehmerisch tätig. Ganze sechs Unternehmen gehören ihr inzwischen (mehrheitlich). Ein Engagement, für das es unterschiedliche, jedoch jeweils gute Gründe gibt.

Gräfelfing – „Kommunen sollten nicht Unternehmen gründen, um Geld zu verdienen, sondern um Aufgaben zu erfüllen“, lautet das Credo von Gräfelfings Bürgermeister Peter Köstler. Jahrzehntelang umfasste der jährlich vom Kämmerer vorgelegte „Beteiligungsbericht“ der Gemeinde – neben der Mitgliedschaft in Zweckverbänden – gerade mal einen Punkt: Gräfelfing war 90-prozentiger Eigentümer der Gemeindebau Gräfelfing GmbH. Inzwischen sind eine ganze Reihe von Firmen hinzugekommen, und das bringt nicht nur ein zusätzliches Arbeitspensum mit sich, sondern auch Verantwortung, deren Last der Bürgermeister durchaus spürt.

„Vor 60 Jahren musste sich dringend jemand um bezahlbaren, vornehmlich sozialen Wohnungsbau kümmern“, sagt Peter Köstler. Die Kreissparkasse, die damals auf diesem Feld sehr aktiv war, und die Gemeinde schlossen sich zur Gemeindebau Gräfelfing GmbH zusammen. Der Dinosaurier in der Landschaft der kommunalen Firmen in Gräfelfing ist tatsächlich zu beeindruckender Größe gewachsen: 344 Wohnungen und zwei gewerbliche Einheiten (Kindertagesstätte und Malteser Hilfsdienst) in 43 Häusern verwaltet die von Geschäftsführer Till Reichert geleitete GmbH, außerdem 157 Garagen- und Tiefgaragenstellplätze sowie 19 oberirdische Stellplätze. Die gesamte Wohn- und Nutzfläche: 26 414 Quadratmeter.

Jahresüberschuss wird reinvestiert

Vor zwei Jahren nahm der Landkreis München die Stelle der Kreissparkasse als Gesellschafter ein, und die Aufgaben werden nicht weniger. Die Gesellschaft erwirtschaftet einen Jahresüberschuss zwischen 200 000 und 1 Million Euro, doch der wird umgehend reinvestiert in Unterhalt und Neubau. Stets braucht die GmbH auch Fremdkapital in Form von Darlehen, vor allem von der Gemeinde. Und die setzt den Zins am untersten Ende des Markt-Spektrums an. Schließlich ist sie der Satzung verpflichtet, in der „leistbarer Wohnungsbau“ als Ziel steht.

Aus ganz anderem Grund entstand die Rudolf und Maria Gunst-Haus gGmbH. Als sich die Gemeinde vor einigen Jahren entschloss, das Alten- und Pflegeheim in Lochham (RMG) in eigene Trägerschaft zu übernehmen, brauchte es eine korrekte Rechtsform. „Das ging nicht nebenbei, wir brauchten Kompetenzen und Personal“, so Köstler. Diese GmbH, die eine 100-prozentige Gemeindetochter ist und von einer externen Geschäftsführung professionell geleitet wird, ist nicht gewinnorientiert, sondern belässt etwaige Überschüsse in der Firma. Investitionen gibt es im Zuge der geplanten Erneuerung des RMG genug zu tätigen; 2023 startete der Bau eines neuen Pflegeheims, und weitere Neubauten sollen in zwei Bauabschnitten für Dutzende Millionen Euro folgen.

Die Gemeindewerke Gräfelfing Verwaltungs GmbH und die Gemeindewerke Gräfelfing GmbH & Co. KG gehören jeweils zu 51 Prozent der Gemeinde. Sie entstanden, als der Bundesgesetzgeber vor gut zehn Jahren die Rekommunalisierung der Aufgaben der Daseinsvorsorge vorantrieb und die Gemeinde aktiv werden musste. Sie schloss sich mit dem vorherigen Betreiber Bayernwerk Netz GmbH (früher: E.on) zusammen, der 49 Prozent hält. Die Gemeindewerke sind Netzeigentümerin, um den Betrieb kümmert sich das Bayernwerk, das dafür Pacht an das gemeinsame Unternehmen zahlt. Durch Einnahmen aus Konzession und Wegenutzung waren die Gemeindewerke vom ersten Tag an profitabel (anders als das südlich gelegene Regionalwerk Würmtal) und schütten an die Gemeinde jährlich etwa 400 000 Euro aus. Ein wichtiger Unterschied zum Regionalwerk, dem Planegg, Krailling und Gauting angehören: „Wir wollten nie Stromanbieter sein, weil das nicht eine kommunale Aufgabe ist“, so Köstler. „Lieber investieren wir in die Modernisierung des Netzes.“

Quartierverstromung auf Schulcampus

Ein Vorteil dieser Zusammenarbeit mit dem Netzbetreiber zeigte sich jüngst, als es Gräfelfing gelang, eine Quartierverstromung auf dem Schulcampus Lochham umzusetzen. Der gesamte Campus verfügt nur noch über einen Anschluss ans Netz und kann den auf den Dächern selbst erzeugten Strom aus Fotovoltaik bedarfsgerecht in den Gebäuden des Campus verwenden oder ins Netz einspeisen. Neben ökologischem Gewinn spart dieses Vorgehen auch viel Geld; die Investitionen sollen in wenigen Jahren amortisiert sein.

Die Fernwärmenetz Gräfelfing GmbH gehört zu 100 Prozent der Gemeinde. Ihre Gründung entsprang ebenfalls einer Notwendigkeit. Als die Bio-Wärme Gräfelfing GmbH 2010 mit den Planungen für Fernwärme aus Biomasse (Hackschnitzel) begann, wollte die Gemeinde sich am benötigten Fernwärmenetz beteiligen und investierte in eine größere Dimensionierung.

Zusätzliche Bedeutung erwarb die Fernwärmenetz GmbH, als 2022 die Geothermie Gräfelfing GmbH & Co. KG gegründet wurde, an der sie 51 Prozent hält und die Silenos Energy GmbH & Co. KG 49 Prozent. Wie der Name nahelegt, kümmert diese Gesellschaft sich um alle Stadien der geplanten Geothermie-Förderung in Gräfelfing, bis hin zum Vertrieb.

„Energieversorgung ist Daseinsvorsorge“, sagt Bürgermeister Köstler. „Privatwirtschaftlich würde in Gräfelfing niemand von sich aus mit dem Netzausbau beginnen, weil riesige Investitionen nötig wären. Das klappt ja schon beim Glasfasernetzausbau schlecht.“ Also musste auch hier die Gemeinde einspringen – mit einer neuen Unternehmensgründung.

Bürgermeister im Aufsichtsrat

Der Bürgermeister gehört den Firmen nicht nur als Vertreter des Gesellschafters Gemeinde an, sondern auch als Mitglied im Aufsichtsrat, unterschreibt für Investitionen in Millionenhöhe und langfristige Verträge. „Das ist echte, persönliche Verantwortung, in der man als Bürgermeister steht, trotz der Deckung durch Gemeinderatsbeschlüsse. Und das ist nicht ohne“, so Köstler. Zudem kommt ein hohes Arbeitspensum damit einher; gerade bei der Geothermie sei das „heftig“, so Köstler. „Ich bin schließlich kein Geologe und kein Krankenhausmanager.“

Die erforderliche Mitsprache der Gemeinde ist rechtlich über die Mehrheitsanteile gesichert, personell über den Gemeinderat, aus dessen Mitte einige Vertreter Mitglieder der Aufsichtsräte sind – neben externen Fachleuten. Anders als bei Großkonzernen, wird man in Gräfelfing als kommunaler Aufsichtsrat freilich nicht reich. Die Gemeinderäte bekommen auch hier pro Sitzung zwischen 50 und 100 Euro brutto – ähnlich wie für Gemeinderatssitzungen. Es ist faktisch ein Ehrenamt.

Geht es nach Bürgermeister Peter Köstler, soll die Serie der gemeindlichen Firmengründungen damit erst mal beendet sein. Im Merkur-Gespräch sagte er mit spürbarer Erleichterung: „Ich kann mir aktuell kein weiteres Feld vorstellen, wo wir unternehmerisch tätig werden müssten.“

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