Grüne brechen Veranstaltung wegen Bauern-Protest ab: Heftige Kritik an Söder – „Damit zündelt er“
Ein unangemeldeter Bauernprotest sorgte für den Abbruch einer Veranstaltung der Grünen in Bayern. Deren Sprecher kritisiert gegenüber Merkur.de auch Markus Söder.
Bamberg - „Die Teilnehmenden wurden angeschrien, beleidigt und eingeschüchtert.“ Das berichten die Grünen Bamberg-Land auf ihrer Website über einen Vorfall vor einigen Wochen. Am Mittwoch, 21. Februar, fand demnach in der Alten Schule in Hirschaid die Jahreshauptversammlung der Grünen Bamberg-Land statt - diese wurde „massiv von einer unangemeldeten Demonstration in Hirschaid gestört.“
Wütender Bauern-Protest stört Jahreshauptversammlung: Grüne brechen Veranstaltung ab
Bereits im Vorfeld habe es Ankündigungen und Warnungen gegeben, dass die Veranstaltung gestört werden soll. „Wir hatten als Kreisvorstand ein Angebot gemacht, dass wir ab 19 Uhr bis 19.30 Uhr gerne ins Gespräch treten können. Leider wurde
dieses Angebot von nur sehr wenigen vor Ort genutzt, aber vereinzelt gab es Gespräche“, erklärt Tim-Luca Rosenheimer, Sprecher Bündnis 90/Die Grünen Bamberg-Land gegenüber Merkur.de.
Ein „Mob von circa 300 Leuten“ stand den Schilderungen zufolge vor der Schule und störte die Versammlung. „Immer wieder wurde aggressiv gegen die Scheiben gehauen, mit Strahllichtern reingeleuchtet und reingefilmt. Den größten Schock gab es, als es einen lauten Explosionsknall gab“, heißt es auf der Website weiter. Aus Sicherheitsgründen musste die Veranstaltung dann beendet werden. Die Parteimitglieder „mussten unter Polizeischutz gruppenweise durch den sichtlich aufgeheizten Mob geführt werden. Dabei kam es zu heftigsten Beleidigungen, Einschüchterungen und Drohungen gegenüber Grünen-Mitgliedern.“
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„Ziel war (...) massiv zu stören und einzuschüchtern“: Grünen-Veranstaltung in Hirschaid abgebrochen
„Mich hat besonders die Aggression erschreckt, die uns Ehrenamtlichen gegenüber geschwappt ist. Ziel war hier nicht in einen Diskurs zu treten, sondern unsere Versammlung massiv zu stören und einzuschüchtern. Im Gegensatz zu uns. Meine Sprecherkollegin und ich sind aktiv auf die Gegenaktionisten zugegangen und haben Gespräche angeboten“, berichtet Rosenheimer Wochen nach dem Vorfall über seine Eindrücke.
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Die „schnellen und solidarischen Äußerungen von vielen demokratischen Parteien haben uns gefreut“, so Rosenheimer weiter. Gleiches gilt für die Solidaritätsbekundungen von partei- und organisationsübergreifenden Bündnissen in Bamberg, die Eindeutigkeit von Ilse Aigners Aussage und die des Fraktionsvorsitzenden der Freien Wähler im Landtag sowie die Reaktion des Hirschaider Bürgermeisters. „Bedenklich finde ich, dass die CSU in der Breite sich so schwer damit tut, Grenzüberschreitungen gegen demokratische Versammlungen ohne (Teil-)Relativierungen zu verurteilen“, kritisiert Rosenheimer.
Kritik an Markus Söder nach Äußerungen zu Vorfall um Bamberger Grüne
Das gelte besonders für Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder. In einem offenen Brief kurz nach dem Vorfall kritisieren die Grünen Bamberg-Land den CSU-Chef massiv: „In dieser langen Liste an Solidaritätsbekundungen fehlen jedoch die des Bauernverbandes und des Verbandes LSV. Aber nicht nur das! Von Ihnen, Herr Ministerpräsident, wird uns ‚Mimosenhaftigkeit‘ und eine abstrakte Mitschuld an diesen, sich häufenden Vorfällen unterstellt.“
Ausschnitt aus dem Offenen Brief der Grünen Bamberg-Land
Das können wir so nicht stehen lassen! Sie nehmen mit einer solchen Aussage indirekt die Täter in Schutz und geben den GRÜNEN die Schuld an den Ausschreitungen des „Mobs“. Und vor allem beleidigen Sie mit Ihrer Aussage uns, die wir an diesem Abend eine eigentlich unspektakuläre Jahreshauptversammlung trotz aller Anfeindungen so lange als möglich geordnet durchgeführt haben. Erst als es gar nicht mehr anders ging, haben wir auf Anraten der Polizei abgebrochen. Wir sind standhaft geblieben. Wir haben als Ehrenamtliche Gesicht für die Demokratie gezeigt und unter Polizeischutz und üblen Beschimpfungen das Gebäude durch den Vordereingang verlassen.
Gerade Ihnen als „Landesvater“ sollte bewusst sein, welchen Bärendienst Sie dem Ehrenamt erweisen, wenn Sie Spott und Hohn über die betroffenen Ehrenamtlichen ausgießen. Es liegt in Ihrer Verantwortung als Ministerpräsident sich uneingeschränkt vor diese zu stellen. Uneingeschränkte Solidarität zu zeigen, sollte hier genauso Selbstverständlichkeit sein, wie für unverhandelbaren Schutz von Ehrenamtlichen über Partei- und Organisationsgrenzen hinweg zu sorgen.
Unsere Demokratie und unsere Gesellschaft lebt vom Engagement dieser Menschen. Es liegt in Ihrer Verantwortung als Ministerpräsident sich uneingeschränkt vor diese zu stellen.
Dies erwarten wir auch von Ihrem Stellvertreter Hubert Aiwanger und vom Fraktionsvorsitzenden der CSU im bayrischen Landtag Klaus Holetschek.
In der Hoffnung auf ein klares Statement und engagierten Schutz ehrenamtlicher Arbeit in Bayern verbleiben wir mit freundlichen Grüßen
Auszug aus dem Offenen Brief vom 29. Februar, unterzeichnet von Thomas Ochs und Helga Bieberstein
„Relativierung von Gewalt“: Grünen-Kritik an CSU-Chef Söder
„Ich erwarte vom bayerischen Ministerpräsidenten, dass er sich schützend vor alle demokratischen Versammlungen stellt, ohne wenn und aber“, fordert Rosenheimer gegenüber Merkur.de. „Söder sagte selbst bei Caren Miosga am vergangen Sonntag:: [...] Ich hab wirklich kein Problem zu sagen, wenn es um Freiheit der Demokratie, um Rechtsstaatlichkeit geht, da ist überhaupt kein wenn und aber, aber dass man die Politik der Grünen nicht mehr kritisieren dürfe [...]‘.“ Söder wisse also, dass er sich schützend vor demokratische Versammlungen stellen müsste, schaffe es aber nicht einmal in diesem Satz das „aber“ wegzulassen, so Rosenheimer.
„Wie eine hängende Schallplatte wiederholt Söder seine Relativierung von Gewalt gegen Demokrat:innen a là ‚ja selber schuld, wenn ihr so eine Politik macht‘. Damit zündelt er“, findet der Sprecher der Grünen Bamberg-Land deutliche Worte.
„Ich als Ehrenamtlicher kann dazu folgende Punkte sagen: Ich bin Ehrenamtlicher vor Ort und ‚mache nicht die Politik‘, dieses politische Verständnis traue ich unserem Ministerpräsidenten zu. Zum Anderen sind es verschiedene paar Stiefel: Der erste Stiefel ist, Oppositionsarbeit zu machen und Regierungen zu kritisieren - das ist vollkommen legitim und bereichernd für unsere Politik. Der zweite Stiefel ist, ob man Übergriffe auf demokratische Versammlungen verurteilt oder nicht. Und wenn man diese verurteilt, dann sollte dies, wie Söder selbst sagt, ohne Wenn und Aber sein.“ (kam)
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