Demütigung im alten Libanon-Krieg: Ist Israels Bodenoffensive diesmal besser auf Hisbollah vorbereitet?

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Israel startet eine neue Bodenoffensive gegen die Hisbollah. Die Erinnerungen an den verlustreichen Libanon-Krieg 2006 sind noch frisch.

Beirut – Die israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) könnten in ihrer Bodenoffensive auf altbekannte Taktiken und Herausforderungen der Hisbollah stoßen. Der aktuelle Konflikt weist viele Ähnlichkeiten mit dem zweiten Libanon-Krieg von 2006 auf, in dem die Hisbollah der israelischen Armee erhebliche Verluste zufügte. Die IDF hofft jedoch, nach intensiver Vorbereitung besser gegen die Strategien der Terrormiliz gerüstet zu sein.

Die IDF hat es sich zum Ziel gesetzt, die verbleibende Infrastruktur der Radwan-Einheit, einer offensiven Spezialeinheit der Hisbollah, zu zerstören, nachdem bereits der Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah getötet wurde. Gleichzeitig sollen Echtzeitangriffe vermieden werden, die die IDF-Soldaten und Nordisrael im Jahr 2006 besonders hart getroffen haben.

Panzer der israelischen Armee manövrieren in einem Bereitstellungsraum im Norden Israels nahe der israelisch-libanesischen Grenze.
Am 30. September begann Israel die Bodenoffensive im Libanon. © picture alliance/dpa/AP | Baz Ratner

Israel startet Bodenoffensive gegen Hisbollah: Libanon-Krieg sitzt noch tief in den Knochen

Im zweiten Libanon-Krieg feuerte die Hisbollah täglich etwa hundert Raketen auf Nordisrael ab, was in beiden Ländern eine massive Fluchtwelle auslöste. Ein israelischer Regierungsbericht zum Libanon-Krieg 2006 identifizierte eine mangelnde Effizienz der Armee und Defizite in den Entscheidungsprozessen als Hauptprobleme. Die hohen Verluste auf beiden Seiten waren auch auf die unzureichende Vorbereitung der Armee auf die Taktiken einer Terrormiliz zurückzuführen. Im Rückblick wurde der Krieg als eine „verlorene Gelegenheit“ bezeichnet.

Israel unternimmt nun einen neuen Versuch im Libanon. „Die IDF bereiteten sich 18 Jahre lang auf diesen Angriff vor, nach der Demütigung des zweiten Libanon-Kriegs 2006, als die IDF unvorbereitet auf die Art des Krieges waren, der geführt wurde“, so Aluf Benn, Chefredakteur von Haaretz, in einem aktuellen Podcast. „Viele Jahre lang lag der Schwerpunkt des israelischen Geheimdienstes, der israelischen Übungen und der Einsatzplanung auf der Hisbollah.“

Der Libanon-Krieg 2006, auch als 33-Tage-Krieg bekannt, war geprägt von Kämpfen zwischen Israel und der Hisbollah, die von Juli bis August 2006 andauerten. Der Konflikt begann mit Luftangriffen im Libanon und einer von Israel verhängten Seeblockade, gefolgt von einer Bodenoffensive im Südlibanon. Auch der aktuelle Bodenangriff wurde von Luftangriffen eingeleitet.

Israels IDF verlässt sicheren Raum – Bodenoffensive im Libanon birgt Risiken

Die Bodenoffensive ist ein riskantes Unterfangen, da Israel sich mit seinen IDF aus der Defensive heraus in eine verwundbare Position begibt, in der die Soldaten anfälliger für direkte Angriffe sind. Die Armee hat daher einige Vorkehrungen getroffen. Laut der Jerusalem Post sind bereits drei Divisionen an der Grenze stationiert und es haben in den letzten Monaten immer wieder Einsätze in Grenznähe stattgefunden.

Die Hisbollah wird sich sicherlich nicht kampflos ergeben, obwohl einer ihrer wichtigsten Anführer getötet wurde. „Die Widerstandskräfte sind für eine Bodenoffensive bereit“, erklärte Scheich Naim Qassem nach dem Tod von Nasrallah. Er verwies auf den Libanon-Krieg von 2006 als Beweis für die Fähigkeit der Hisbollah, den IDF zu widerstehen.

Die Soldaten sind umso ungeschützter, je weiter sie in den Libanon vordringen. In der Nähe der israelischen Grenze wären schnelle Unterstützung und potenzielle Rückzugsmöglichkeiten besser gegeben. Laut Angaben der IDF auf der Onlineplattform X wird es zunächst nur „lokale und gezielte Bodenangriffe“ in libanesischen Wohnorten nahe der Grenze geben.

Von Pufferzone zu Siedlerkolonialismus: Ziel der Bodenoffensive im Libanon unklar

Die IDF machte jedoch keine Angaben zur Dauer der Offensive, sodass die genauen geplanten Ausmaße unklar sind. „Die IDF operieren weiter, um die Ziele des Krieges zu erreichen, und tun alles, was notwendig ist, um die Bürger Israels zu verteidigen und die Bürger Nordisraels in ihre Häuser zurückzubringen.“

Was nach dieser Phase kommt, ist unklar. „Für die Rechtsextremen ist der Südlibanon wie Gaza, Dörfer sollen besetzt, zerstört und mit israelischen Siedlern ersetzt werden“, sagte Benn. Auch die Frage der Unterstützung bleibt offen, denn US-Präsident Biden plädierte vor Beginn der Bodenoffensive laut The Guardian für einen Waffenstillstand mit der Hisbollah, den Israel ablehnte.

Der ehemalige CIA-Analyst Michael P. DiMino gab gegenüber dem ZDF an, dass auch „eine temporäre Pufferzone“ das Ziel der Bodenoffensive sein könnte. Dann könnten die Kurzstreckenraketen der Hisbollah das israelische Territorium nicht mehr so zuverlässig erreichen. Die Hisbollah könnte sogar geschwächt werden, so DiMino. „Doch selbst wenn die Hisbollah verschwindet, wird eine andere schiitische Miliz an ihre Stelle treten.“

Zivilbevölkerung in Israel und Libanon leidet unter Konflikt mit der Hisbollah

Die Zivilbevölkerung, die bei einer Invasion ins Kreuzfeuer geraten könnte, stellt eine weitere Herausforderung dar. Große Teile der Zivilbevölkerung sind bereits geflohen oder wurden evakuiert, aber die Notfallinfrastruktur ist bereits jetzt überlastet. Mehr als 1000 Menschen wurden in den letzten zwei Wochen getötet und die Krankenhäuser sind mit Verwundeten überfüllt.

Die Situation der Bevölkerung im Gazastreifen könnte ein Vorbote dafür sein, was auch die Zivilbevölkerung im Libanon erwarten könnte. Auch beim Libanonkrieg 2006 übte die internationale Gemeinschaft aufgrund der hohen Zahl ziviler Opfer Druck auf Israel aus, der schließlich zu einem Waffenstillstand führte.

Auch auf der israelischen Seite der Grenze leidet die Zivilbevölkerung. Laut der Economic Times wurden bereits Tausende von Israelis in den nördlichen Gemeinden vertrieben. Die Hisbollah, die bereits Gegenschläge angekündigt hatte, wird vermutlich weiterhin auch auf israelischem Gebiet angreifen, sodass die dortige Bevölkerung ebenfalls unter dem Konflikt leidet. (lismah)

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