Tempo 20 und Straßenmöbel - floppt der Traum von der Flaniermeile trotzdem?

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Eines der zwei Parklets steht gegenüber dem AEZ in der Schöngeisinger Straße. © Peter Weber

Die Schöngeisinger Straße in Fürstenfeldbruck soll zum Verweilen und Flanieren einladen. Doch Geschäfte schließen, einige Ladenflächen sind schon jahrelang verwaist.

Im Oktober ist es schon zwei Jahre her, dass die Schöngeisinger Straße zur Tempo-20-Zone bestimmt wurde. Der Abschnitt zwischen Lederer- und Kapuzinerstraße gilt seither als „verkehrsberuhigter Geschäftsbereich“. Die Straße in der Innenstadt soll im selben Zug attraktiver werden und mehr Aufenthaltsqualität erhalten. Stichwort: Flaniermeile.

Damit die Zone attraktiver wird, hat die Stadt vor kurzem sogenannte Parklets aufgestellt, also Möbel aus Paletten oder ähnlichem Holz, die auf Parkplätzen aufgebaut werden. Auf diesen Möbeln mit Holzbänken und bepflanzten Kübeln können sich Passanten hinsetzen, so die Idee aus dem Rathaus.

Höhe der Ledererstraße beginnt der sogenannte verkehrsberuhigte Geschäftsbereich. Tagsüber gilt Tempo 20.
Höhe der Ledererstraße beginnt der sogenannte verkehrsberuhigte Geschäftsbereich. Tagsüber gilt hier Tempo 20. © Peter Weber

Dass das überhaupt geschieht, bezweifelt Benjamin Michel. Der 41-jährige Busfahrer fährt täglich früh oder spät – je nach Schicht – durch die Tempo-20-Zone. „Wer setzt sich da denn hin?“, sagt er gegenüber unserer Zeitung. „Ich sehe dort nie jemanden.“ Ein Café oder ähnliches sei dort nicht in der Nähe. „Man kann sich nur hinsetzen und die Hauswand anschauen“, sagt Michel.

Straßenmöbel auf Parkplätzen

Mittlerweile hat die Stadt weitere Holzmöbel auf Stellplätzen aufgestellt, unter anderem Pflanzkübel mit Fahrradständern. „Diese Parkplätze fehlen definitiv den Kunden“, sagt Benjamin Michel. „Die Leute, die noch in die Innenstadt kommen, werden durch solche Maßnahmen verdrängt.“ Michel, dessen Eltern über 20 Jahre lang das Café Fino in der Schöngeisinger Straße führten, erklärt: Ein Großteil des Umsatzes der Geschäfte komme nicht aus der Stadt, sondern aus dem Umland. Und für diese Kunden müsse es Parkplätze geben.

Leerstand in Brucks Innenstadt. Hier in der Schöngeisinger Straße.
Gewerbefläche in der ersten Reihe: Hier und da herrscht trotzdem Leerstand in der Schöngeisinger Straße. © Peter Weber

Anfang Juni hat Benjamin Michels Vater Thomas Michel die Café-Fino-Filiale an der Schöngeisinger Straße nach 23 Jahren zugesperrt und betreibt seitdem einzig den Hauptsitz in Mammendorf. Zugesperrt hat er in Bruck aus Personalgründen. Dennoch sagt Thomas Michel: „Die Schöngeisinger Straße ist tot.“ Wenn er an die Anfangszeit zurückdenke, mit Frühjahrsmarkt und Sommermarkt: „Das war ein Traum. Da war noch was los“, sagt der Café-Fino-Chef.

Eine leerstehende Ladenfläche in der Schöngeisinger Straße.
Gähnende Leere im Schaufenster: Auch diese Ladenfläche ist schon länger ungenutzt. Die Stadt versucht, Eigentümer bei der Suche nach Mietern zu unterstützen. © Lisa Fischer

Immer wieder stehen in der Tempo-20-Zone Läden leer. Bei den einen, wie beim Café Fino, sind bald wieder Nachmieter eingezogen. Aber es gibt auch die Läden, die beim Flanieren durch die Schöngeisinger Straße auffallen, weil sie verwaist wirken. Die Jalousien sind vergilbt, die alte Werbefolie blättert ab. Hier ist schon lange nichts mehr passiert.

Bernd Streifeneder ist mit seinem gleichnamigen Unternehmen seit Jahrzehnten in der Schöngeisinger Straße ansässig. Und er ist in direkter Nachbarschaft eines solchen verwaisten Geschäftsgebäudes. „Es ist schlimm, was in Fürstenfeldbruck passiert“, sagt er. Früher habe es zehn Schuhgeschäfte gegeben. „Jetzt ist es nur noch eins“, so Streifeneder. „Und es wird noch viel passieren, weil noch mehr wegziehen.“

Bei Felix Kretz, Wirtschaftsförderer der Stadt, ist das Thema Leerstand in der Schöngeisinger Straße und der Innenstadt im Allgemeinen keine Unbekannte. Doch wer wo welche Ladenfläche bezieht, darüber kann die Stadt nicht handhaben, betont er. Dass ein Nachmieter einzieht, liegt jeweils an den Eigentümern der Flächen.

Eigentümer vor neuen Herausforderungen

Und, betont Kretz: „Es kommen viele Faktoren zusammen.“ Zum einen gehe es dem Einzelhandel nicht gut. Zum anderen hat sich das Blatt bei der Nachvermietung gewendet – ähnlich wie in der Berufswelt. „Früher waren Nachmieter sofort da.“ Das mache es für Eigentümer nicht einfacher.

Busfahrer Benjamin Michel fährt täglich durch die Schöngeisinger Straße.
Busfahrer Benjamin Michel fährt täglich durch die Tempo-20-Zone und meint: „Wer setzt sich denn dort hin?“ © Lisa Fischer

Man versuche aber immer zu reagieren, wenn man von drohendem Leerstand höre, sagt Felix Kretz von der Wirtschaftsförderung. „Wir bitten darum, uns rechtzeitig einzuschalten.“ Die Stadt unterstütze dann beispielsweise mit Ideen, welches Sortiment wo reinpassen könnte. Auch Kretz ist der Meinung: „Es braucht starke Zugpferde wie Fuchsweber und Fischbeck, also weitere Frequenzbringer.“

Peter Schmid, Vorsitzender des Stadtmarketings, sagt: „Natürlich müssen wir die Innenstadt attraktiver gestalten.“ Die Umwidmung der Schöngeisinger Straße allein würde nicht weniger Verkehr erzeugen. Es brauche eine klare Regelung. An ein, zwei Parkplätzen weniger würde es nicht liegen, in München könne man auch nicht vor jedem Laden parken. „Es ist die Aufenthaltsqualität in der Schöngeisinger Straße. So etwas ist den Leuten viel wichtiger, wie wir es an der Amperbrücke sehen.“

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