„Das geht bis an die Belastungsgrenze“: Betriebswirt hält Proteste der Bauern für gerechtfertigt
Landwirte protestieren weiter gegen den Wegfall der Steuerentlastung. Kritiker halten das für überzogen, doch es gibt auch Befürworter.
Freising – Obwohl die Bundesregierung bereits zurückgerudert ist, protestieren die Bauern weiter gegen den Wegfall der Steuerentlastung beim Agrardiesel. Kritiker halten das für überzogen. Ein Kilo Weizen werde durch die Kürzung beim Agrardiesel rechnerisch nur um 0,24 Cent teurer, hieß es schon vor Wochen in einem Artikel von „Berlin.Table“, ein Liter Milch lediglich um 0,24 Cent.
Der Bayerische Bauernverband sieht das naturgemäß anders. Wie stark die Kürzungen Landwirte belasten, sei pauschal zwar schwer zu sagen, schreibt der Verband auf Nachfrage. Eine Rechnung zeige jedoch, auf was für Ausfälle sich Bauern einstellen müssten. So würde die Mehrbelastung beim vollen Wegfall der Förderung bei 21 Cent je Liter Diesel liegen. Bei einem Verbrauch von 110 bis 120 Liter Diesel je Hektar und einer Durchschnittsgröße der deutschen Höfe von 63 Hektar würde das für jeden Betrieb eine Mehrbelastung von 1500 bis 1600 Euro bedeuten.
Da im Durchschnitt jedoch kleine Nebenerwerbe enthalten sind, dürfte die Summe oft höher liegen. „In Betrieben, die dem Haupterwerb dienen, nimmt die Bundesregierung den Bauernfamilien mehrere Monatseinkommen weg“, kritisierte ein Sprecher des Bauernverbandes gegenüber unserer Zeitung.

Bauern-Proteste für eine Steuerentlastung: „Noch keine Alternative zu Diesel“
Der Betriebswirt Johannes Holzner von der Landwirtschafts-Hochschule Weihenstephan bestätigt die Kalkulation. „In größeren Betrieben können 10 000 bis 15 000 Euro Ausfall zusammenkommen“, sagt er. „Das bringt die Bauern tatsächlich an die Belastungsgrenze.“ Holzner hält die Proteste deshalb für gerechtfertigt.
Ursprünglich wollte die Regierung von den für den Haushalt benötigten 17 Milliarden Euro rund eine Milliarde bei den Bauern holen – 480 Millionen über das Ende der Befreiung bei der Kfz-Steuer für Traktoren und Mähdrescher und 430 Millionen beim Agrardiesel. Gemessen am Anteil der Landwirtschaft von 1,5 Prozent am Gesamthaushalt sei das zu viel.
Immerhin: Der Bund zeigte sich kompromissbereit. Die Befreiung von der Kfz-Steuer bleibt nun doch bestehen und der Agrardiesel wird bis 2026 schrittweise teurer: 2024 wird das Steuerprivileg um 40 Prozent abgebaut und 2025 und 2026 um je weitere 30 Prozent. Das empfindet Holzner jedoch nicht als große Erleichterung für die Branche. „Für Bauern gibt es auch in drei Jahren noch keine Alternative zu Diesel.“ Zudem seien die Dieselpreise in Nachbarländern wie Belgien viel günstiger. Deutsche Bauern bekämen so zunehmend Nachteile im Wettbewerb.
Meine news
Ausnahmejahre bescheren Bauern Rekordgewinne
Was die Bauern weniger betonen: Landwirtschaftliche Betriebe machten im letzten Jahr Rekordgewinne von im Schnitt 115 400 Euro – unter anderem, weil Weizen durch den Krieg in der Ukraine teurer wurde. „Die Steuernachzahlung auf das gestiegene Einkommen wird in diesem Jahr für viele Bauern vermutlich höher sein als die Dieselsteuervergünstigung“, sagt deshalb der Agrarökonom Alfons Balmann von der Uni Halle-Wittenberg.
Sein Weihenstephaner Kollege Holzner findet diese Betrachtung jedoch verkürzt. „Das waren absolute Ausnahmejahre, auf die auch wieder magere Zeiten folgen werden. Und dann kann es für viele Landwirte wieder eng werden.“ (Andreas Höß)