Riskante „Menschenbomben“-Taktik soll Ukraine-Verluste erhöhen – Putin setzt alte Nazi-Methode im Krieg ein

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Russlands Präsident Wladimir Putin während einer Gedenkfeier für die gefallenen Soldaten des Zweiten Weltkriegs. (Archivfoto) © Sergey Guneev/Imago

Neues Kalkül im Ukraine-Krieg: Russlands Militär schickt inzwischen Soldaten los, um Stellungen aus nächster Nähe mit Bomben zu bewerfen.

Moskau – Im Ukraine-Krieg sind bislang sowohl vom ukrainischen Militär als auch von der russischen Armee unzählig viele Taktiken angewandt worden. Mit improvisierten, skurrilen und oft sehr gefährlichen Methoden versuchen die Kriegsparteien an verschiedenen Punkten der Front, den Widerstand des Feindes zu durchbrechen und einen Vorteil zu erarbeiten. Die jüngste Taktik kommt dabei vom russischen Militär im Osten der Ukraine: sogenannte „Menschenbomben“.

„Menschenbomben“-Taktik im Ukraine-Krieg: Explosionen durch TNT

Russische Soldaten wurden in den vergangenen Wochen mehrmals dabei gefilmt, wie sie sich an ukrainische Stellungen anschleichen und aus nächster Nähe mit Bomben bewerfen. Dabei haben sie selbst nur wenige Sekunden Zeit, um den meist gewaltigen Explosionen durch TNT-Ladungen oder Panzerabwehrminen zu entgehen. Meistens werden Häuser, die von ukrainischen Soldaten als Stellung benutzt werden, ins Visier genommen.

Anders als der Beschuss mit etwa Artillerie aus der Ferne birgt die Taktik mehrere Gefahren. Zum einen muss der gefährliche und oft mit Minen übersäte Weg zu den ukrainischen Stellungen überquert werden. Nicht zuletzt zeigte die Schlacht von Bachmut, die mehrere Monate dauerte, wie riskant das Gebiet unmittelbar an der Frontlinie ist. Videoaufnahmen während und nach der Schlacht zeigten, wie das Gebiet zwischen russischen und ukrainischen Stellungen mit Leichen bedeckt war.

Neue Taktik im Ukraine-Krieg bedeutet hohe Verluste für beide Seiten

Ist der Weg überquert, so ist die Gefahr nicht hinüber. Schließlich könnten die ukrainischen Soldaten ihre russischen Feinde entdecken und mit leichten Waffen ausschalten, noch bevor die Bombe ihr Ziel erreicht – wenn dies nicht schon im Niemandsland mit zum Beispiel Drohnen erledigt wurde. Selbstverständlich kann die Explosion selbst auch dazu führen, dass nicht nur die ukrainischen Soldaten, sondern auch die russischen Angreifer sterben. Nur wenige Augenblicke trennen die russischen Soldaten, die die Angriffe durchführen, vom Tod. Die Aktion der Soldaten von Kreml-Chef Wladimir Putin kommt einem Selbstmord gleich.

Die Videos unter anderem im Kurznachrichtendienst Telegram zeigen dabei, wie nicht nur reguläre russische Truppen, sondern auch pro-russische Milizen im Osten der Ukraine die gleiche Taktik anwenden. Dazu gehört zum Beispiel auch das sogenannte Somalia-Bataillon, eine der bekanntesten pro-russischen Separatistengruppen im Donbass.

Das Bataillon wurde schon im Jahr 2014 zu Beginn der Zusammenstöße im Osten der Ukraine gegründet. Der Name stammt dabei Gerüchten zufolge von ihrer ungeordneten Kleidung in ihren ersten Aufnahmen, die nicht an Soldaten, sondern etwa somalische Piraten erinnerte. Hinzu kommt: Ihr legendärer Kommandeur und der pro-russische Separatist Mikhail „Givi“ Tolstykh behauptete, sie seien „furchtlos wie somalische Piraten“. Der Gruppe wird immer wieder vorgeworfen, eine nazionalsozialistische Ideologie zu verfolgen. Ihr hochrangiger Kommandeur Roman Worobjow etwa wurde mit Nazi-Tattoos gesichtet.

Nazis setzten im Zweiten Weltkrieg ebenfalls „Menschenbomben“-Taktik ein

Nicht nur ihre Ideologie, sondern die erwähnte „Menschenbomben“-Taktik, die auch das Somalia-Bataillon einsetzt, stammen tatsächlich von den Nazis aus dem Zweiten Weltkrieg. Laut einem Bericht der italienischen Zeitung Reppublica setzen Nazi-Einheiten dieselbe Taktik bei der Schlacht mit alliierten Truppen um das Kloster Monte Cassino in Italien im Jahr 1944 ein. So wurden Taschen mit Sprengstoff gegen alliierte Soldaten eingesetzt. Später hätten auch italienische Soldaten entlang der deutschen Verteidigungsfront, die sogenannte „Gustav-Linie“, die gleiche Methode eingesetzt.

Doch nicht nur im Zweiten Weltkrieg, sondern auch in späteren Konflikten wie etwa im Nahen Osten wurde diese Taktik mehrfach beobachtet. Nicht zuletzt im Irak-Krieg 2003: Mehrere Videos zeigen, wie US-Panzer und Fahrzeuge mit Sprengladungen in Plastikbehältern beworfen werden, die wenige Augenblicke später explodieren.

Schildkrötenpanzer 2.0: Putins Truppen machen aus Panzern fahrende Baracken

Im ersten Tschetschenienkrieg zwischen 1994 und 1996 wurde der tschetschenische Wrestling-Coach Kabozh Chatujew zur Legende: Er schlich sich an russische Panzer und gepanzerte Fahrzeuge an, warf Sprengstoff rein, sprang runter und floh. So soll er dutzende russische Fahrzeuge ausgeschaltet haben. Ein weit verbreitetes Video im Netz zeigt Chatujew aus der Ferne in weißer Kleidung, als er mit einem Rückwärtssalto von einem teilweise brennenden russischen BTR-Fahrzeug springt.

Die „Menschenbomben“-Taktik ist nicht die einzige Methode, die auf russischer Seite eingesetzt wird. Zuletzt wurden auch sogenannte „Schildkrötenpanzer“ berühmt: Ein Metalldach auf den Panzern zielt darauf ab, sie gegen Angriffe durch ukrainische Drohnen zu bewahren und zu verstärken. (bb)

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