„Wirtschaftsweisen“ - Rente, Steuern, Arbeitsmarkt: Diese Aufgaben muss die Regierung sofort anpacken
Die deutsche Wirtschaft stagniert und steht vor gewaltigen Problemen. Für Claudia Schnitzer, renommierte Wirtschaftsexpertin und Chefin der Wirtschaftsweisen, ist klar, dass 2025 ein entscheidendes Jahr für Deutschland wird.
Schnitzer fordert ein entschlossenes Handeln in zentralen Bereichen, um Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Sie nennt fünf Kernbereiche, die sofort angegangen werden müssen.

1. „Rente mit 63 sofort abschaffen“
Die Rente ist eines der drängendsten Themen. Doch in der Politik fehlt laut Schnitzer der Mut zu echten Reformen. „Die SPD betont immer, sie wolle die Renten stabil halten. Tatsächlich will sie aber den Rentenanstieg stabil halten, durch die Kopplung des Rentenanstiegs an die Lohnsteigerungen. Das aber ist in einer alternden Gesellschaft nicht zu bezahlen.“
Der Rentenbeitrag werde von jetzt 18,6 Prozent auf über 21 Prozent im Jahr 2035 und auf über 26 Prozent im Jahr 2060 steigen. Eine mögliche Lösung? Eine Regelbindung des Rentenalters an die Lebenserwartung und eine Anhebung der Rente lediglich an die Inflation. Der Vorschlag der Wirtschaftsweisin: Zwei Drittel der zusätzlichen Lebenszeit sollen in die Arbeit und ein Drittel in Ruhestand fließen.
Die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren („Rente mit 63“) müsse „sofort“ abgeschafft werden, da sie die falschen Empfänger bevorzuge. „Wir müssen uns auf ein nachhaltiges Rentensystem konzentrieren.“
CDU und SPD seien in dieser Hinsicht mutlos. „Wenn es zu einer neuen großen Koalition käme, wird bei der Rente nichts passieren“, prophezeit Schnitzer.
2. Steuersenkungen - aber nur unter einer Bedingung
In der Diskussion um die Entlastung von Unternehmen warnt Monika Schnitzer vor vorschnellen Maßnahmen: „Von einer Steuersenkung auf Pump – und nur die scheint derzeit möglich – halte ich gar nichts.“ Deutschland gehört bereits jetzt zu den Ländern mit einer hohen Steuerlast im internationalen Vergleich, doch eine Finanzierung solcher Maßnahmen über Kredite sieht die Wirtschaftsweise kritisch.
Stattdessen plädiert Schnitzer dafür, die knappen Kreditspielräume gezielt einzusetzen: „Man sollte die Kreditspielräume für Infrastrukturinvestitionen oder für die Verteidigung nutzen. Diese Investitionen kommen bisher zu kurz.“ Sie sieht darin einen nachhaltigeren Weg, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu stärken und den Standort zukunftssicher zu machen.
3. Transformation der Industrie: Grüner Stahl und digitale Souveränität
Die deutsche Industrie, das Rückgrat der Wirtschaft, braucht Planungssicherheit. „Wir müssen die Diskussion um das Verbrenner-Aus endlich beenden und den Fokus klar Richtung E-Autos drehen“, fordert Schnitzer.
Sie sieht Defizite in der Ladeinfrastruktur und mahnt: „Hier müssen die Kommunen den notwendigen Platz bereitstellen. Auch fehlt es bei den Anbietern der Ladesäulen an Wettbewerb und Transparenz.“ Ohne klare Rahmenbedingungen drohe Deutschland ins Hintertreffen zu geraten.
Schnitzer sieht in der Transformation der Stahlindustrie einen entscheidenden Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit der deutschen Wirtschaft. „Wenn erneuerbare Energien flexibel eingesetzt und gespeichert werden können, dann dürften sie sehr günstig sein.“ Doch selbst mit günstiger grüner Energie werde sich die Stahlproduktion in ihrem bisherigen Umfang in Deutschland nicht halten lassen. „Man muss sich auf hochwertigen Stahl fokussieren.“
Um diese Transformation voranzutreiben, schlägt Schnitzer gezielte Maßnahmen vor: „Man könnte dies unterstützen, indem man vorschreibt, dass eine bestimmte Menge grüner Stahl in Autos oder Panzern eingesetzt werden muss, mit Verweis auf nationale Souveränität.“ Solche Vorschriften würden dazu beitragen, dass Auto- und Panzerhersteller auch bereit sind, den teureren grünen Stahl zu kaufen, und gleichzeitig die heimische Industrie stärken.
4. Arbeitsmarkt und Zuwanderung: Fachkräftemangel beheben
Der demografische Wandel droht Deutschlands Arbeitsmarkt zu lähmen. „Ohne Zuwanderung wird es schwer, unseren Wohlstand zu halten. Wir brauchen im Jahr 400.000 Zuwanderer netto, wenn wir die Anzahl der Erwerbspersonen konstant halten wollen.“
Schnitzer fordert eine gezielte Zuwanderungspolitik, um qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen: „Deutschland muss attraktiver werden, etwa für Programmierer aus Indien oder Pflegekräfte aus Mexiko.“
5. Bildung und Infrastruktur: Digitale Verwaltung voranbringen
Einer der größten Schwachpunkte Deutschlands sei die veraltete Infrastruktur und die schleppende Digitalisierung.
„Die Bundesregierung muss die längst fälligen Investitionen in die marode Infrastruktur angehen“, mahnt Schnitzer. Dabei gehe es nicht nur um Straßen und Brücken, sondern vor allem um die Beschleunigung der Energiewende und den Ausbau der Netzinfrastruktur.
„Nur so schaffen wir die Transformation zur klimaneutralen Wirtschaft.“ Gleichzeitig fordert sie eine leistungsfähige, digitalisierte öffentliche Verwaltung, die mit der Geschwindigkeit des Wandels Schritt halten kann.