Explosiver Nachlass: Das versteckte Arsenal des Ebersberger Waffennarren

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Ebersberg
  4. Ebersberg

KommentareDrucken

Waffenteile liegen ausgebreitet vor dem Schuppen in der Bürgermeister-Müller-Straße in Ebersberg, den die eigens aus Erding angerückten Polizeibeamten bis in die Nacht ausräumen. © merkur.de

Beim Ausräumen des maroden Schuppens eines verstorbenen Ebersbergers findet sich in einem Versteck darunter tausende Schuss Munition, zig Granaten und Waffenteile. Der Großeinsatz mit Abtransport und Sprengung dauert bis tief in die Nacht.

Eine Feuerwehrdrohne kreist über dem Anwesen im Ebersberger Stadtteil Friedenseiche, um unvorsichtige Passanten aufzuspüren. Löschschläuche sind im Anschlag, der Rettungsdienst sprintbereit. Zwei Sprengstoffspezialisten des Landeskriminalamts sind als einzige an dem Schuppen in der Bürgermeister-Müller-Straße zugange. Per Seilzug bewegen sie einen Jutesack, in dem zahlreiche rostige Weltkriegsgranaten verkeilt liegen. Die Rettungskräfte harren startklar aus, bis Ebersbergs Polizeichef Ulrich Milius Entwarnung in die Runde gibt: „Was am gefährlichsten war, ist erledigt.“

Bombenfund im Wohngebiet: Anwohner harren draußen aus – Schule cancelt Elternabend

Da ist es kurz nach 20 Uhr am Donnerstagabend. Der Großeinsatz in dem Wohngebiet, unweit der Mittelschule, dauert schon vier Stunden. Die Schule muss einen Elternabend abbrechen. Seit drei Stunden warten rund 60 Menschen, die Anwohner der umliegenden Häuser, auf das Ende der Evakuierungsanordnung. Weil es trotz ein paar Regentropfen draußen gut auszuhalten ist, nehmen sie es gelassen. Einige Hungrige frotzeln, sie könnten sich ja Pizza an den Bordstein bestellen. Kurz darauf dürfen sie zurück in ihre Wohnungen. Nachdem der Polizeibus mit den gefährlichsten Sprengkörpern und den beiden nervenstarken LKA-Beamten vom Hof gerollt ist.

Ein grauer Polizeibus transportiert den Sprengstoff im Blaulicht-Konvoi Richtung Kiesgrube ab.
Ein grauer Polizeibus transportiert den Sprengstoff im Blaulicht-Konvoi Richtung Kiesgrube ab. © Josef Ametsbichler

Im Einsatz sind fast 100 Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst, darunter quasi die gesamte Kreisbrandinspektion. Auslöser ist der unerwartet explosive Nachlass eines 2022 verstorbenen stadtbekannten Ebersberger Unikums und Sammelverrückten. Zig Schrottcontainer hätten die Erben schon vom Grundstück schaffen lassen, erzählen Anwohner. Unter dem doppelten Boden eines Schuppens wartet schließlich die gefährliche Überraschung.

Tausende Schuss Munition, Granaten und Waffen unterm Schuppenboden versteckt

Mehrere tausend Schuss Munition verschiedener Kaliber, viele verschiedene Granaten, Teile von Maschinengewehren und anderen Schusswaffen lagern laut Polizei dort versteckt. Nach und nach spricht sich an der Einsatzstelle herum, dass in der Nachbarschaft kursierte, dass die Sammelleidenschaft des Mannes auch Weltkriegswaffen galt. Als gefährlichstes Erbstück kristallisiert sich der besagte Jutesack heraus.

Ein Sprengstoffspezialist des Landeskriminalamts betritt den Lagerschuppen voller Weltkriegswaffen.
Ein Sprengstoffspezialist des Landeskriminalamts betritt den Lagerschuppen voller Weltkriegswaffen. © SRO

Zwischenzeitlich ist unklar, ob die Granaten überhaupt geborgen werden können. Zündet ein Sprengsatz, weil er falsch bewegt oder angefasst wird, folgt eine Kettenreaktion, gibt einer der Bombenentschärfer bei der Lagebesprechung unmissverständlich zu verstehen. Der Rettungsdienst solle sich auf Knalltraumata, schlimmstenfalls Amputationsverletzungen gefasst machen. Dann bringt der Sprengstoffspezialist ein Schmunzeln auf die Lippen: „Wir gehen nicht davon aus, dass etwas explodiert.“

Blaulicht-Konvoi: Nervenstarke Beamte transportieren Granaten zu Kiesgrube

(Übrigens: Alles aus der Region gibt‘s jetzt auch in unserem regelmäßigen Ebersberg-Newsletter.)

So kommt es dann auch. Wie aus den Lagebesprechungen hervorgeht und auch Bürgermeister Ulrich Proske erklärt, der die Ebersberger Zeitung an der Einsatzstelle informiert, werden die gefährlichsten Sprengsätze per Blaulicht-Konvoi abtransportiert. In Sandwannen umgebettet, die der Ebersberger Bauhof herbeigeschafft hat, fahren die LKA-Spezialisten das Material in einem schlichten, grauen Polizeibus in eine Kiesgrube am Entsorgungszentrum Schafweide im Ebersberger Forst, begleitet von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst. Ein offener Transport des Materials scheidet aus Sicherheitsgründen aus, so Proske. Also nehmen die Bombenentschärfer das Risiko auf sich.

Lagebesprechung der Polizei in der Baldestraße vor dem Anwesen des verstorbenen Waffensammlers.
Lagebesprechung der Polizei in der Baldestraße vor dem Anwesen des verstorbenen Waffensammlers. © Josef Ametsbichler

Es geht alles gut, berichtet Einsatzleiter Milius später am Abend und bewertet die Ausgangssituation als „durchaus sehr gefährlich“. Die „nicht handhabungssicheren“, gefährlichsten Sprengkörper wurden demnach am späten Abend kontrolliert gezündet. Bis tief in die Nacht sortiert und verlädt ein gutes Dutzend Polizisten vom Einsatzdienst aus Erding den Rest der Weltkriegsfunde aus dem Zwischenboden. Juristische Konsequenzen wird der Waffenfund keine haben, ergänzt Inspektionssprecher Stephan Raab tags darauf mit Blick auf den verstorbenen Verursacher: „Es gibt keinen Tatverdächtigen mehr.“ Allerdings lässt das Rathaus laut Bürgermeister Proske per Nachlassgericht prüfen, wem die Kostenrechnung für den Rieseneinsatz ins Haus flattert.

Auch interessant

Kommentare