„Diesmal muss nichts bezahlt werden“: Pfandleiher gibt 300 Familien ihre Schätze zurück

In Boulogne-sur-Mer, einer 40.000-Einwohner-Stadt im französischen Départment Pas-de-Calais nahe der belgischen Grenze, sorgt ein Pfandhaus für eine besondere Weihnachtsüberraschung. Bis Ende Dezember können rund 300 Familien ihre bei der Crédit municipal hinterlegten Wertgegenstände kostenlos zurückerhalten. 

Die Aktion richtet sich an Kunden, die vor September 2025 Gegenstände im Wert von maximal 50 Euro verpfändet haben. Der Regionalsender France3 Régions hat mit den Ladenbesitzern und ihren Kunden gesprochen.

„Kleine Gegenstände, die für die Besitzer eine große emotionale Bedeutung haben“

Georgette, eine Rentnerin aus Boulogne, war eine der ersten, die von der Aktion profitierte. Sie konnte ihren seit acht Jahren verpfändeten Verlobungsring zurückerhalten, ohne die üblichen Rückzahlungsgebühren von 40 Euro zu leisten. „Ich bin so glücklich. Ich hätte nicht die Mittel gehabt, ihn zurückzukaufen“, sagte sie France3. Die Aktion des Crédit municipal zielt darauf ab, Familien und Einzelpersonen wie Gorgette zu entlasten und ihnen ihre wertvollen Erinnerungsstücke zurückzugeben. 

Bis zu 300 Kunden werden nun denselben Satz zu hören bekommen wie Georgette: „Heute muss nichts bezahlt werden.“ Bertrand Dumaine, Filialleiter des Geschäfts in Boulogne-sur-Mer, erläutert dem Fernsehsender: „Es handelt sich oft um kleine Gegenstände wie Eheringe oder Taufarmbänder, die für die Besitzer eine große emotionale Bedeutung haben.“ Die Aktion läuft noch bis Ende Dezember und soll eine Geste der Solidarität zur Weihnachtszeit sein.

Leihhaus, Brunsbütteler Damm, Spandau, Berlin, Deutschland
Für viele Klienten sind Pfandleihhäuser attraktiv, weil keine Fragen gestellt werden. Bares gibt's auf die Hand (Symbolbild). IMAGO / Schöning

Pfandleiher in Deutschland: „Könnte Regierung dankbar sein“

Ihre finanzielle Situation lässt auch viele Menschen in Deutschland einen Pfandleiher aufsuchen. Stephan Hermann, Geschäftsführer eines Pfandhauses in Koblenz, freut sich über „nie dagewesenen Zulauf“. Besonders sei zudem, dass immer mehr Menschen aus der Mitte der Gesellschaft ihren Besitz verleihen müssen, um Rechnungen zu bezahlen. 

„Sarkastisch könnte ich jetzt natürlich sagen: Ich kann der Regierung dankbar sein“, schließt der Pfandhaus-Besitzer.

Münchner Pfandhaus rechnet vor: 64 Euro Zinsen nach 4 Monaten

Ein Blick ins Inventar eines Münchner Pfandleihauses zeigt, wie breit der Kundenstamm des 700-Quadratmeter-Ladens gegenüber vom Münchner Hauptbahnhof ist:

  • Hier lagern Luxusuhren und Diamanten von bis zu 100.000 Euro Wert. Allerdings gibt es nicht den gesamten Verkaufswert als Kredit.
  • Die Beispielrechnung zeigt Erlös und Zinsen: Für ein ein Jahr altes Smartphone mit einem Neupreis von 800 Euro und einem Gebrauchtwert um 600 Euro würde ein Pfandkredit etwa 400 Euro betragen. Die Auslösefrist beträgt vier Monate, verlängerbar gegen monatlich 16 Euro (ein Prozent Zinsen und drei Prozent Gebühren), sodass bei Auslösung nach vier Monaten 464 Euro fällig werden.
  • Gebühren, Abläufe und Fristen sind in der Pfandleihverordnung von 1961 festgeschrieben.
  • Eine 23‑jährige Barista belieh in dem Münchner Pfandhaus eine Goldkette und ein Kreuz für zusammen 145 Euro, um Lebensmittel zu kaufen. Dem Geschäftsführer bereiten Fälle wie dieser Sorgen vor Überschuldung, sagt er einer Reporterin.