Gefesselte Leichen im Meer: Spaniens Polizei vermutet Morde auf Flüchtlingsboot
In den Gewässern vor der Urlauberinsel Mallorca und einigen Nachbarinseln sind nach Angaben der spanischen Polizei die Leichen von an Händen und Füßen gefesselten Ertrunkenen gefunden worden.
Die Polizei nahm nach den grausigen Funden Ermittlungen wegen Mordes auf, wie ein Sprecher auf Anfrage bestätigte. Mutmaßlich handelt es sich bei den Toten um Migranten, die von Nordafrika aus über das Mittelmeer Richtung Europa gelangen wollten. „Da die Ermittlungen laufen, können wir keine weiteren Einzelheiten nennen“, sagte ein Beamte zunächst.
Ermittler: Migranten wurden während Überfahrt gezielt getötet
Gegenüber "Welt" nannten Ermittler allerdings doch Details. Sie sagen, dass die Männer während der Überfahrt von der algerischen Küste auf die Balearen gezielt getötet wurden. Wie genau die Männer zu Tode kamen, sei aber noch unklar.
Zuvor hatten spanische Medien übereinstimmend berichtet, dass in den vergangenen Wochen fünf Leichen in den Gewässern rund um die Balearen gefunden wurden. Warum das erst jetzt bekannt wurde, ist noch unbekannt. Alle seien an Händen und Füßen gefesselt gewesen. Über das Motiv für die Taten und die Täter gibt es nur Mutmaßungen.
Mal drei: Zahl der Geflüchteten auf Balearen-Route wächst enorm
Die Balearen-Route gilt als gefährlicher Migrationsweg von Algerien nach Europa. Im Unterschied zu den Großbooten, den sogenannten "Cayucos", die meist an der Küste der kanarischen Inseln ankommen, sind es meist kleinere Schlauchboote mit durchschnittlich 15 Menschen, die dort ankommen. Doch die Zahl der Menschen, die diese Randroute wählen, wächst: 2024 erreichten knapp 6000 Menschen in rund 350 Booten die Balearen - das sind beinahe dreimal so viele wie ein Jahr zuvor.
Es sind nicht nur Algerier, sondern auch Flüchtlinge aus anderen Ländern, die von dort die Überfahrt wagen. Für diese sind die Balearen oft eine Zwischenstation auf dem Weg nach Deutschland, Belgien oder Frankreich, wo Verwandte leben. Meist sitzen junge Männer in den Booten, die vor dem Aufbruch in der Heimat ihre Ausweise verbrennen, um nicht so leicht abgeschoben zu werden. Das erschwert aber auch die Identifizierung der Leichen.
Doch auch abseits der Todesfälle nimmt die Gewalt auf der Balearen-Route zu. Ermittler prüfen Hinweise auf Misshandlungen während den Fahrten. In einem Fall wurde eine Minderjährige während der Fahrt vergewaltigt. Ein Tatverdächtiger sitzt deshalb in Untersuchungshaft. Auch sollen Menschen in den Schlauchbooten gefesselt oder gezielt über Bord geworfen worden sein.
Spanische Behörden ordnen Obduktion der Leichen an
Hilfsorganisationen warnen bereits seit Monaten. So prangert die spanische Flüchtlingskommission CEAR eine „überlastete und improvisierte“ Aufnahme auf den Balearen an. Derzeit gibt es auf den Balearen nur ein provisorisches Aufnahmezentrum mit 45 Plätzen. Die Forderung der CEAR: Feste Kapazitäten sowie eine engere Kontrolle der Abfahrtsorte in Algerien.
Im aktuellen Fall ordneten die spanischen Behörden eine Obduktion an und speicherten DNA-Proben für den Fall, dass sich eines Tages Angehörige melden. Erst Anfang des Jahres waren mehrere bereits stark verweste Leichen an den Stränden Mallorcas angeschwemmt worden. Die Migranten waren offenbar bei einem Bootsunglück ertrunken.