Ein Adventsspaß in alter Klostertradition

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Mit Feuereifer dabei: Kurz vor dem Start begutachten die Kinder noch einmal ihre selbst gebauten Schifferl, wie hier bei der Windlichtregatta 2018. © Archiv tp

Wenn am heutigen Freitag zur Tegernseer Windlichtregatta wieder liebevoll gebaute Schifferl den Alpbach in Richtung See schippern, dann wird Franz Josef Pütz erstmals nicht als Startleiter mit dabei sein.

Tegernsee – Franz Josef Pütz war von der ersten Stunde an Startleiter der Tegernseer Windlichtregatta. Ein wachsames Auge will der ehemalige Lehrer und Kulturreferent der Stadt allerdings schon auf „seine“ Regatta haben: Immerhin hat Pütz den Adventsspaß, der heute zu den beliebtesten Traditionen in Tegernsee gehört, vor 49 Jahren ins Leben gerufen – damals als Unterrichtsprojekt im Fach Werken.

Alben voller Erinnerungen: Franz Josef Pütz war bisher bei jeder Windlichtregatta mit dabei.
Alben voller Erinnerungen: Franz Josef Pütz war bisher bei jeder Windlichtregatta mit dabei. © THOMAS PLETTENBERG

„Das war zu einer Zeit, als die Lehrpläne noch nicht so strikt vorgegeben waren und man sich als Lehrer noch etwas einfallen lassen musste“, erinnert sich der 84-jährige Pütz. Auf dem Lehrplan für die fünften Klassen an Grund- und Hauptschulen stand in den 1970er-Jahren nichts Konkretes, sondern lediglich die Angabe „Holz“. Dazu fiel Lehrer Pütz, der sich seit jungen Jahren brennend für die Geschichte und Kultur der Stadt und des Klosters interessierte, der 1972 den ersten Christkindlmarkt im Landkreis in der Tegernseer Rosenstraße und 1974 die Tegernseer Woche ins Leben gerufen hat, eine alte Klostergeschichte ein.

Schifferlbau in alter Klostertradition

In der Kißlinger Chronik von 1907 standen unter dem Kapitel „St. Nikolaus – Beschenkung der Kinder, welche an St. Nikolaus Briefe schrieben“ zwei in Versform gehaltene Briefe. Einer aus dem Jahr 1730 und einer von 1505. Darin ist sinngemäß vom Bischof St. Niklas und einem kleinen Schifferl die Rede. Aus den Versen und der beigefügten Erklärung Kißlingers entnahm Pütz drei Dinge: erstens, dass zu Klosterzeiten der Heilige Nikolaus als Patron gegen Wassergefahren galt. „Was ihn auch heute zu einem recht aktuellen Heiligen macht“, sagt Pütz schmunzelnd und mit Blick auf das aktuelle Sturzflutmanagement der Stadt. Zweitens, dass am Nikolaustag ein Bittgottesdienst gehalten wurde, um die damals schon gegenwärtige Gefahr von Wasser abzuhalten. Und drittens, dass die Kinder um kleine Gaben baten, die nicht in irgendwelche Stiefel oder Socken gesteckt wurden, sondern in ihre Schifferl. Somit ließ Lehrer Pütz 1975 in alter Klostertradition von seinen Schülern Schifferl bauen. Und weil deren Fahrtüchtigkeit zu überprüfen war und sie allgemein zum Einsatz kommen sollten, ließ man sie auf dem Alpbach fahren.

Immer mehr Kinder wollten mitmachen

Begründet haben die Tradition also die 24 Kinder von Pütz‘ damaligen fünften Klasse. Schnell beteiligten sich alle Mädchen und Buben der Tegernseer Grund- und Hauptschule und auch des Kindergartens an der Fahrt, die schon bald zu einer Regatta wurde. „Bis zu 140 Kinder ließen ihre Schifferl zu Wasser und gegeneinander antreten“, erinnert sich Erfinder Pütz. Das sei auch die Obergrenze, welche die Organisatoren der Windlichtregatta, zu denen die jeweilige Schulleitung zählt, ziehen mussten, als immer mehr Kinder auch aus den Nachbargemeinden mitmachen wollten.

Ein Schutzengerl für jeden Teilnehmer

Seit nunmehr fast 50 Jahren werden an einem Freitag in der Adventszeit – immer um den Nikolaustag herum – im Beisein des jeweiligen Bürgermeisters die Schiffe alle zehn Sekunden im Alpbach zu Wasser gelassen und unten auf Höhe des Juweliergeschäfts Bertele herausgefischt. Das Unternehmen Bertele spendiert übrigens bis heute den Teilnehmern jedes Jahr ein eigens angefertigtes Schutzengerl.

Die Feuerwehr hilft mit

Das Herausfischen übernehmen wiederum die Tegernseer Feuerwehrler, die meisten von ihnen selbst ehemalige Regatta-Teilnehmer. Generell sind die Teilnehmer der ersten Windlichtregatten heute als Großeltern und Eltern bei der Regatta mit dabei. „So manch einer hilft dem Regattanachwuchs auch beim Basteln des Schifferls“, weiß Pütz und erinnert sich, dass der ein oder andere einen derartigen Ehrgeiz entwickelt habe, dass Schifferl sogar im Luftkanal getestet wurden.

Ein Spaß für Kinder

Weil sich irgendwann einige Eltern geradezu verbissen in den Schifferlbau hineingesteigert hätten, fand drei oder vier Jahre lang eine „Erwachsenen-Regatta“ statt. Da die Konstruktionen sehr technisch wurden, gab es viermal sogar eine „Bergaufregatta“. Dabei mussten es die Schifferl – ausgestattet mit zwei Wasserrädern – aus eigener Kraft alpbachaufwärts schaffen. „Sie wurden wieder abgeschafft, weil der Spaß der Kinder am Basteln und an der Tradition im Vordergrund stehen sollte“, sagt Pütz. Dass sie den auch heute noch haben, davon will sich der 84-jährige Windlichtregatta-Initiator und jahrelange Organisator am heutigen Freitag als Zuschauer überzeugen. Der Startschuss fällt um 17 Uhr, bereits ab 16.15 Uhr ist für Bewirtung und Geselligkeit gesorgt.

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