Union schlägt sich auf Seite vom FDP-Chef: „Mutiges Papier“ geht laut Merz „in die richtige Richtung“
Christian Lindner hat mit seinem jüngsten wirtschaftspolitischen Grundsatzpapier bei den Koalitionspartnern für Verstimmung gesorgt – jedoch nicht bei CDU-Chef Friedrich Merz. Ganz im Gegenteil.
Berlin – Friedrich Merz sieht erhebliche Schnittmengen zwischen den wirtschaftspolitischen Vorstellungen von FDP und Union. Das jüngste Papier von FDP-Chef Lindner enthalte Vorschläge, die zum Teil wörtlich aus Anträgen übernommen seien, die die Unionsfraktion in den vergangenen zwei Jahren in den Bundestag eingebracht hätte, schreibt der Kanzlerkandidat der Union in seinem E-Mail-Newsletter „MerzMail“.
Merz zum Lindner-Papier: „Die Vorschläge gehen in die richtige Richtung“
„Über Einzelheiten mag man diskutieren, aber die Vorschläge gehen in die richtige Richtung. Sie sind insgesamt auf die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft ausgerichtet und damit im Kern und zutreffend angebotsorientierte Wirtschaftspolitik“, so Merz. Zur Rettung von Unternehmen und Arbeitsplätzen müsse mehr geschehen als die Fortsetzung und Vertiefung eines Streites in der deutschen Regierung um den richtigen Kurs in der Wirtschaftspolitik.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich zu dem jüngsten wirtschaftspolitischen Grundsatzpapier von Lindner bisher nicht geäußert. „Und wie fast immer in den letzten Jahren, wenn es um diese Richtungsentscheidungen ging: Hat eigentlich der deutsche Bundeskanzler zu all diesen Themen auch eine Meinung?“, schreibt Merz. „Und erfahren wir sie vielleicht auch irgendwann in den nächsten Tagen?“
Lindners Grundsatzpapier erhöht den Druck auf die Ampel-Koalition – Ende droht
Zum Hintergrund: Das Grundsatzpapier ist ein 18-seitiges Papier von Christian Lindner und es fordert eine umfassende „Wirtschaftswende“ sowie eine „teilweise grundlegenden Revision politischer Leitentscheidungen“, um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu schützen. Konkret ist von einem sofortigen Moratorium zum Stopp aller neuen Regulierungen die Rede. Weiter heißt es, als Sofortmaßnahme sollte der Solidaritätszuschlag für alle entfallen, und nationale Klimaziele müssten durch europäische ersetzt werden.

ZDF-Korrespondent Wulf Schmiese erklärt, dass Lindner mit diesem Papier Aufmerksamkeit erregen und Druck auf die anstehenden Haushaltsverhandlungen innerhalb der Ampelkoalition ausüben möchte. In den Medien wird bereits von einem möglichen „Scheidungspapier“ gesprochen, was auf mögliche Spannungen innerhalb der Koalition hindeutet.
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Nach Lindner-Papier: SPD und Grüne unzufrieden
Bei den Koalitionspartnern SPD und Grüne hat das Papier für Verärgerung gesorgt. Aus der Opposition kommt hingegen Beifall. „Der Finanzminister hat ein mutiges Papier vorgelegt, das die desaströse Lage unserer Wirtschaft schonungslos analysiert und grundsätzlich die richtigen angebotspolitischen Antworten gibt“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), der Deutschen Presse-Agentur.
Allerdings seien Lindners Vorschläge „das glatte Gegenteil von dem, was die Ampel seit drei Jahren macht“ und nicht in Einklang zu bringen mit den „schuldenfinanzierten Staatsfonds-Ideen“ von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), betonte Frei. Vielmehr sei Lindners nun bekanntgewordenes Papier eine „Kampfansage an die Grünen“.
Ampel-Koalition: Spekulationen über den Koalitionsbruch
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge warf den Ampel-Partnern am Samstag zwar mangelnden Teamgeist vor, machte aber gleichwohl deutlich, dass die Grünen an der Koalition festhalten wollten. Zu Spekulationen über ein vorzeitiges Ende der Ampel-Koalition sagte sie: „Ich finde, wir haben eine Verantwortung. Wenn man von den Wählern den Auftrag bekommt, eine Regierung zu bilden, dann sollte man das auch vier Jahre tun.“
Ähnlich äußerte sich der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil. „Ich merke, dass gerade in diesen Tagen das politische Berlin supernervös ist und viel spekuliert wird, wie es weitergeht“, sagte er der Augsburger Allgemeinen. „Aber genau das ist es, was die Menschen in diesem Land nervt. Mich übrigens auch.“
Bundesverkehrsminister plädiert für Verbleib der FDP in der Ampel-Koalition
Bundesverkehrsminister Volker Wissing hatte sich am Freitag in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeinen Zeitung für den Verbleib seiner Partei in der Koalition ausgesprochen und an die Verantwortung des Regierungsbündnisses erinnert. Kurz darauf wurde das Grundsatzpapier von Lindner bekannt, das die Spekulationen über einen möglichen Ausstieg der FDP aus der Regierung weiter befeuert.
Auch innerhalb der FDP wird Kritik an Überlegungen zu einem Ende der Ampel-Koalition laut. „Die weltpolitische Lage mit Krisen und Kriegen ist sehr gefährlich. In dieser Situation braucht Deutschland eine handlungsfähige Bundesregierung und keinen Wahlkampf“, sagte der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) dem Tagesspiegel. „Wenn die FDP jetzt die Ampel verlässt, wäre das politischer Selbstmord aus Angst vor dem Tod.“ (dpa/jal)