Macht harter Asyl-Kurs Sinn? An einer Grenze bekommt man Zweifel
Die Bundespolizei fährt die Grenzkontrollen hoch. An mehreren Übergängen im sächsischen Zittau stehen Einheiten bereit, um die Autos in Augenschein zu nehmen.
Mit dem Erlass von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt gilt für die Beamten seit Mittwochnachmittag, dass sie auch Asylbewerber an der Grenze zurückweisen sollen. Doch in den ersten Stunden seit Inkrafttreten des verschärften Grenzregimes war das noch gar nicht notwendig – die Einsatzkräfte haben keine unerlaubten Grenzübertritte festgestellt.
Seit Monaten kaum noch Asylsuchende an deutscher Grenze
Bereits seit mehreren Monaten verzeichnet die Bundespolizei hier ohnehin kaum noch Aufgriffe von Asylsuchenden und Migranten, sagt Sprecher Alfred Klaner FOCUS online vor Ort. Seit März seien es etwa 20 gewesen.
Seine Bundespolizeiinspektion Ebersbach kennt deutlich turbulentere Zeiten. Bis die Kontrollen hier im Dreiländereck zu Polen und Tschechien im Oktober 2023 wieder eingeführt wurden, entwickelte sich Zittau zum Nadelöhr. Hier liefen gleich zwei Schleuserrouten aus Belarus und dem Balkan zusammen.
Klaner erzählt von einem Fall mit 49 Migranten, die in einem Transporter regelrecht zusammengepfercht worden seien. Gleich mehrere Verfolgungsjagden habe sich die Bundespolizei mit Schleusern geliefert.
Doch seit mehr als einem Jahr ist das Geschichte. „Die letzte richtige Schleusung hatten wir im November 2024“, sagt Klaner. Da seien 14 Migranten von einem Schleuser im Gebirge abgesetzt worden.
Abgebaute Grenzkontrollen sollen nicht wieder aufgebaut werden
Weil auch die osteuropäischen Nachbarn wirkungsvolle Maßnahmen ergriffen hätten, sei es am Dreiländereck Deutschland-Tschechien-Polen zu einem „Abbruch“ an unerlaubten Einreisen gekommen. In Spitzenmonaten wie Oktober 2023 zählte die übergeordnete Bundespolizeidirektion 7400 unerlaubte Einreisen. In den ersten drei Monaten dieses Jahres waren es zusammen 1320.
In der Folge baute die Bundespolizei erst Ende 2024 stationäre Kontrollstellen wie Container an der Friedensstraße ab. Und die sollen auch jetzt nach dem Vorstoß der neuen Bundesregierung in Sachen forcierter Grenzkontrollen erst einmal nicht wieder aufgestellt werden, sagt der Sprecher. Denn die flexiblen, mobilen Kontrollen hätten sich bewährt. „Fahnden, fahnden, fahnden“, beschreibt Klaner das Motto hier im ländlichen Raum.
Durch die zusätzlichen Unterstützungseinheiten stünden zudem mehr Kräfte zur Verfügung, um an bestimmten Übergängen rund um die Uhr präsent zu sein. Und es könne mehr in die Tiefe kontrolliert werden – das Einsatzgebiet der Bundespolizei reicht bis 30 Kilometer ins Landesinnere.

Zurück nach Polen statt in Erstaufnahmeeinrichtung
Doch auch mit der Verstärkung sei eine dauerhafte Kontrolle aller 21 Straßenübergänge im Zuständigkeitsbereich nicht realisierbar. Darin sieht der Bundespolizeisprecher ohnehin wenig Sinn: „Nur bestimmte Wege sind auch interessant für die Schleuser.“ Zumal mit dem Schengenraum nach wie vor das Prinzip offener Grenzen gelte. Anwohner, Touristen und Pendler sollen möglichst freie Fahrt ohne Einschränkungen genießen – nur die irreguläre Migration soll verhindert werden. „Schlangen sind nicht Sinn und Zweck der Kontrollen. Wir versuchen einen Mittelweg, um alle Interessen zu bedienen“, sagt er.
Mit dem Erlass für Zurückweisungen – vulnerable Gruppen ausgenommen – hat die Bundespolizei nun eine neue Handlungsoption erhalten. In der Praxis ändere sich für die Beamten aber gar nicht so viel, wie Klaner erklärt. Denn schon in den vergangenen Monaten habe rund die Hälfte der unerlaubt Eingereisten keinen Asylantrag gestellt und sei entsprechend zurückgewiesen worden.
Dass sie für eine erkennungsdienstliche Behandlung, die Belehrung, die Strafanzeige wegen (versuchter) unerlaubter Einreise mit auf die Dienststelle kommen müssten, bleibe auch weiterhin Bestandteil des Prozederes. Nur soll es künftig statt in eine Erstaufnahmeeinrichtung für die meisten Asylsuchenden dann zurück nach Polen oder Tschechien gehen.
Unklar, wie sich neue Grenzpolitik auswirken wird
Wie sich das in der Praxis auswirken wird, bleibt bis zu den ersten Aufgriffen offen. „Wir warten ab, welche Erfahrungen wir machen werden“, sagt der Bundespolizeisprecher. Die dortigen Behörden würden über Zurückweisungen stets informiert und könnten die Menschen auch persönlich an einem Treffpunkt abholen.
Ob sich der ganze Aufwand für eine Handvoll von Zurückweisungen lohnt? „Jede Kontrolle hilft uns in der Wahrnehmung unserer Aufgaben“, sagt Klaner. Schließlich gibt es für die Bundespolizei auch allerlei "Beifang" bei den Grenzfahrern – wie etwa das Fahren unter Alkohol oder Drogen, unerlaubter Waffenbesitz, Haftbefehle, gefälschte Dokumente.
So auch an diesem Grenztag: Um 16:25 Uhr wurde der Fahrgast eines tschechischen Taxis mit verbotenem Teleskopschlagstock und wohl Drogen aufgegriffen, am Abend dann ein ukrainischer Autofahrer mit eigentlich stillgelegtem PKW eingereist.
Nur ist das nicht, was Bundeskanzler Friedrich Merz und sein Innenminister Alexander Dobrindt im Wahlkampf vollmundig versprochen haben.