Die große Streichliste: Deutsche Konzerne bauen Stellen ab – trotz Fachkräftemangel

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Die deutschen Unternehmen stehen unter Druck. Zahlreiche Konzerne haben jüngst Sparprogramme angekündigt. Das hat gravierende Folgen für Mitarbeiter.

Berlin – Schwache Konjunktur, hartnäckige Inflation, hohe Zinsen und steigende Energiepreise: Es sind harte Zeiten für Unternehmen. Viele führende Firmen in Deutschland bauen Stellen ab. Tausende Beschäftigte, teils hoch qualifiziert, werden offenbar nicht mehr gebraucht – obwohl überall Fachkräfte fehlen.

Großer Stellenabbau in Deutschland – Tausende Mitarbeiter von Umbau bei SAP betroffen

So will Europas größter Softwarehersteller SAP will mit einem Großumbau die Geschäfte mit Künstlicher Intelligenz (KI) vorantreiben. Wegen des Umbaus werden rund 8.000 Mitarbeitende gestrichen. Das Unternehmen hatte vor rund einem Jahr bereits 3.000 Jobs gestrichen, um sich schlanker aufzustellen und sich wieder mehr auf das Kerngeschäft rund um die Software zur Unternehmenssteuerung zu konzentrieren.

Personal Abbau, Schriftzug auf einem Brief.
Immer mehr deutsche Unternehmen streichen Stellen. © Bihlmayerfotografie/imago

„Wir gehen jetzt in die nächste Phase der Transformation“, sagte Konzernchef Christian Klein zu tagesschau.de in einem Beitrag vom 24. Januar 2024). Mit dem Umbau verlagere SAP verstärkt Investitionen in strategische Wachstumsbereiche, in erster Linie in Künstliche Intelligenz (KI). Bis Ende 2025 werde SAP knapp eine Milliarde Euro in diesen Bereich stecken.

Stellenabbau in Deutschland: In der Automobilindustrie werden weniger Leute gebraucht

Autozulieferer Bosch plant derweil den Abbau von rund 3.700 Stellen. Grund sind die steigenden Kostendrucks und unsicheren Aussichten im Geschäft mit dem autonomen Fahren. Das wurde in mehreren Runden seit Dezember angekündigt. 1500 Arbeitsplätze sollen in der Antriebssparte wegfallen, 1.200 in der Abteilung für autonome Autos, 500 bei Steuergeräten und 560 in der Abteilung für Heimwerken und Gartenarbeit, berichtet der focus.

Betroffen sind demnach der Hauptsitz in Leinfelden sowie die Standorte in Ansbach, Reutlingen, Salzgitter und Schwieberdingen. Entlassen werden soll niemand, bei Personalwechseln sollen Stellen einfach nicht neu ausgeschrieben werden. 

Jüngst gab es bereits düstere Prognosen für die Mitarbeiter der Automobilzulieferindustrie, in der derzeit knapp 270.000 der insgesamt rund 780.000 Beschäftigten arbeiten. „Die rund 310.000 Beschäftigten in den Jahren 2018 und 2019 gehören der Geschichte an“, sagte Frank Schwope, Dozent für Automobilwirtschaft an der Hochschule FHM Hannover, der Zeitschrift Automobilwoche.

In Deutschland werden zudem immer weniger Autos produziert. Nach dem Höchststand von 5,7 Millionen Fahrzeugen im Jahr 2016, sank die Zahl über 4,7 Millionen in 2019 auf 4,1 Millionen im vergangenen Jahr. Und die Aussichten werden nicht besser. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) prognostiziert für 2024 eine Stagnation der Inlandsproduktion bei 4,1 Millionen Pkw.

Deutsche Bank will trotz Gewinnrückgang über 3.000 Stellen abbauen

Die Bayer AG treibt Umbau und Stellenabbau in Deutschland mit Nachdruck voran und hat bereits einen Plan zum Abbau von Stellen bis Ende 2025 beschlossen. Um wie viele Arbeitsplätze es sich handelt, wurde nicht kommuniziert. Der Chemie- und Pharmariese beschäftigt 22.000 Mitarbeiter in Deutschland und rund 100.000 weltweit. Den betroffenen Beschäftigten werden hohe Angebote für Abfindungen und Vorruhestandregelungen gemacht.

Trotz besserer Geschäfte hat die Deutsche Bank im vergangenen Jahr unter dem Strich weniger verdient als ein Jahr zuvor. Jetzt plant Deutschlands größtes Geldhaus weitere Einsparungen und will dazu 3.500 Arbeitsplätze abbauen, wie es heute mitteilte. Der auf die Anteilseigner des DAX-Konzerns entfallende Überschuss lag 2023 mit gut 4,2 Milliarden Euro um 16 Prozent unter dem Vorjahresniveau.

Stellenabbau bei Miele: Unternehmen muss 2.000 Stellen streichen

Für großen Aufruhr hatte auch der Stellenabbau beim Vorzeigeunternehmen Miele gesorgt. Die Sparpläne bei Miele, über die zunächst das Manager Magazin exklusiv berichtet hatte, seien inzwischen auch der Belegschaft des Waschmaschinenherstellers mitgeteilt worden.

Bei dem „weltweiten Effizienzprogramm“ sollen bis zu 2.700 der weltweit 23.000 Stellen des Unternehmens betroffen sein, wie Miele Mitte Februar 2024 mitteilte. Zu den 2.000 Jobs, die ohnehin gestrichen würden, sollen weitere 700 Arbeitsplätze an andere Standorte verlegt werden, heißt es. Ein wesentlicher Teil der Restrukturierung betrifft außerdem die Verlagerung der Waschmaschinenproduktion ins polnische Werk in Ksawerów ab 2027.

Deutschland wird offenbar unattraktiver als Wirtschaftsstandort

Nicht nur der zunehmende Stellenabbau könnte der Wirtschaft Sorge bereiten. Offenbar verliert Deutschlands als Wirtschaftsstandort an Attraktivität. Erst kürzlich stellte das Solar-Unternehmen Meyer Burger die Modulproduktion in Deutschland ein. 57 Prozent der befragten Unternehmen stellen sich laut einer Umfrage des ifo Instituts (Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung) im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen darauf ein (Stand 2022), geplante Investitionen zu verschieben. Fast jeder zehnte Betrieb plant nach eigenen Angaben, Betriebsstätten ins Ausland zu verlagern.

Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen, bezeichnete die Ergebnisse als „Alarmsignal“. Es gebe seit einiger Zeit eine schleichende Verlagerung industrieller Wertschöpfung. „Diese fatale Entwicklung am Standort Deutschland beschleunigt sich. Die Unternehmen fahren die Fertigung in Deutschland zurück oder verlagern ihre Produktion dorthin, wo Energiekosten, Steuern und Bürokratielasten niedriger sind.“ . (bohy)

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