Von Migration bis Bürgergeld: Das planen Union und SPD
Die neue Koalition von Union und SPD nimmt Gestalt an. Auf elf dicht bedruckten Seiten verkünden die neuen Partner ihre Pläne. Ein einordnender Überblick.
Migration: Die neue Koalition plant eine Wende in der Asylpolitik – so, wie es Friedrich Merz vor der Wahl versprochen hatte. Ins Gesetz soll wieder explizit die „Begrenzung“ der Zuwanderung aufgenommen werden. Auch Zurückweisungen an den Grenzen soll es geben, was die SPD bislang als europarechtswidrig bezeichnet hatte. Einschränkung: Das soll „in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn“ erfolgen. Die Gespräche dürften nicht einfach werden: Österreich werde solche Personen nicht annehmen, erklärte gestern das Innenministerium in Wien. Die neue österreichische Regierung aus konservativer ÖVP, sozialdemokratischer SPÖ und liberalen Neos plant selbst restriktive Maßnahmen. Merz schloss deutsche Alleingänge dennoch nicht aus. „An erster Stelle steht für mich die Sicherheit unseres eigenen Landes“, sagte er am Sonntag. Grenzkontrollen werden jedenfalls massiv ausgebaut.
Große Koalition aus Union und SPD: Strenge Regeln in der Migrationspolitik
Auch sonst wollen Union und SPD den Zuzug reduzieren. „Wir setzen den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten befristet aus“, heißt es. Freiwillige Aufnahmeprogramme, beispielsweise aus Afghanistan, würden beendet. Die Liste der sicheren Herkunftsländer wird erweitert. Gleichzeitig plant man eine Rückführungsoffensive. Dazu soll die Bundespolizei die Kompetenz erhalten, ausreisepflichtige Ausländer vorübergehend in Haft zu nehmen. „Den verpflichtend beigestellten Rechtsbeistand vor der Durchsetzung der Abschiebung schaffen wir ab“, heißt es. Herkunftsländer will man bei der Rücknahme stärker in die Pflicht nehmen – Visa-Vergabe, Entwicklungshilfe, Wirtschafts- und Handelsbeziehungen sollen davon abhängig gemacht werden. Nach Afghanistan und Syrien wird wieder abgeschoben, beginnen will man mit Straftätern.
Für die SPD bedeutet dieses Paket viele Zugeständnisse. Ärger könnte es parteiintern noch um die Einigung beim Doppelpass geben. Die SPD konnte laut Parteichef Lars Klingbeil zwar durchsetzen, dass die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts mit kürzeren Einbürgerungsfristen bleibt. Allerdings will man prüfen, ob der Entzug deutscher Staatsbürgerschaft bei Terrorunterstützern, Antisemiten und Extremisten möglich sei. Tim Klüssendorf, Sprecher der Parlamentarischen Linken der SPD, nannte das „sowohl sachlich als auch politisch höchst problematisch und mutmaßlich verfassungswidrig“.
CDU/CSU und SPD: Große Koalition plant eine Reform der Einkommenssteuer
Wirtschaft: Überbordende Bürokratie soll zurückgefahren werden, etwa durch die Abschaffung von Berichts-, Dokumentations- und Statistikpflichten. Die Bürokratiekosten sollen in den kommenden vier Jahren um 25 Prozent sinken. Man verspricht erneut mehr Digitalisierung und Freihandel. Auch von einer „Hightech-Agenda“ ist die Rede. „Der erste Fusionsreaktor der Welt soll in Deutschland stehen.“
Steuern: Zur Entlastung von Unternehmen und privaten Haushalten will die GroKo die Stromsteuer auf den in der EU erlaubten Mindestwert senken – das heißt mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde weniger. Die „breite Mittelschicht“ soll entlastet werden. Geplant ist eine Reform der Einkommensteuer. Details sind noch unklar. Außerdem soll die Pendlerpauschale in der Steuererklärung erhöht werden. Die Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie sinkt dauerhaft auf sieben Prozent.
Pläne der GroKo: Mindestlohn soll auf 15 Euro steigen
Arbeit und Soziales: Die Koalition beendet auf Drängen der Union ein sozialpolitisches Missverständnis: Das Bürgergeld wird abgeschafft und durch eine „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ ersetzt. Merz: „Für Menschen, die arbeiten können und wiederholt zumutbare Arbeit verweigern, wird ein vollständiger Leistungsentzug vorgenommen.“ Sozialmissbrauch soll stärker bekämpft werden. Wohngeld und Kinderzuschlag werden zusammengefasst.
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Im Gegenzug will man jene stärken, die arbeiten. Der Mindestlohn soll – zur Freude der SPD – ab 2026 auf 15 Euro steigen. Tariflöhne müssten wieder die Regel werden, heißt es. Die tägliche Höchstarbeitszeit wird durch eine wöchentliche ersetzt. Überstunden werden dann steuerfrei. Die Pläne in den Sozialversicherungen bleiben vage. Versprochen wird ein stabiles Rentenniveau. Rente mit 63 und gesetzliches Rentenalter bleiben. Wer im Alter noch freiwillig weiterarbeitet, soll bis zu 2000 Euro im Monat steuerfrei dazuverdienen können. Die Mütterrente wird ausgeweitet, ein Anliegen von CSU und SPD. Man kündigt – ohne Details – eine große Pflegereform an und verspricht lapidar eine gesicherte Gesundheitsversorgung.
Grüne: Finanzpaket „nicht zustimmungsfähig“
Die Pläne von Union und SPD für milliardenschwere Investitionen in Infrastruktur und Bundeswehr stoßen bei Grünen in den Ländern auf Ablehnung. Drei Länderminister für Finanzen und Wirtschaft aus Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Bremen halten die geplante Grundgesetzänderung „ohne wesentliche Änderungen für nicht zustimmungsfähig“. In einer gemeinsamen Stellungnahme fordern sie unter anderem die Verdoppelung des Anteils, den die Länder für Investitionen in Infrastruktur bekommen sollen, auf 200 Milliarden Euro.
Kritik gibt es auch an den Ergebnissen der Sondierung. Statt strukturelle Probleme zu lösen, wolle man wie in früheren schwarz-roten Regierungen alles mit Geld zuschütten, erklärte Parteichefin Franziska Brantner. „Das ist Gift für unser Land.“ Co-Parteichef Felix Banaszak betonte: „Von einer Zustimmung sind wir heute weiter entfernt als in den letzten Tagen.“
Große Koalition plant eine Verlängerung der Mietpreisbremse
Verkehr: Viel ist im Papier nicht zu finden: „Wir beraten über die Fortsetzung des Deutschlandtickets sowie den Ausbau und die Modernisierung des öffentlichen Personennahverkehrs“, heißt es nur.
Wohnen: Die Mietpreisbremse soll um zunächst zwei Jahre verlängert, der soziale Wohnungsbau ausgebaut werden.
Wahlrecht: Eine erneute Reform des eben erst geänderten Bundestagswahlrechts soll geprüft werden.
Finanzen: Union und SPD hatten bereits vergangenen Dienstag ein Paket vereinbart, das neben weitreichenden Ausnahmen von der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben auch ein neues Sondervermögen im Umfang von 500 Milliarden Euro für Investitionen in die Infrastruktur vorsieht. Für die erforderliche Verfassungsänderung ist die Zustimmung von Grünen und Freien Wählern erforderlich.