EZB verliert Milliarden Euro –Erster Verlust seit 20 Jahren
Wegen der gestiegenen Zinsen schreibt die Europäische Zentralbank (EZB) rote Zahlen. Eine Ausschüttung an die nationalen Banken fällt aus. Es stehen Verlustjahre bevor.
Frankfurt am Main – Zum ersten Mal seit etwa 20 Jahren hat die Europäische Zentralbank einen Verlust zu verzeichnen. Insgesamt sollen sich die Verluste auf 1,266 Milliarden Euro belaufen. Ursprünglich wäre die Summe deutlich höher gewesen, doch die Bank hatte ihre Rückstellungen für finanzielle Risiken aufgelöst. So konnte sie bereits 6,6 Milliarden Euro an Verlusten im Voraus tilgen. Hauptsächlich seien die gestiegenen Zinsen für diese Entwicklung verantwortlich.
Gesamtverlust der EZB (2023) | 1,266 Milliarden Euro |
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Durch die EZB festgelegter Leitzins (Februar 2024) | 4,5 Prozent |
Zielbereich der Inflation | 2 Prozent |
Letztes Verlustjahr der EZB vorher | 2004 |
EZB verliert durch geldpolitische Maßnahmen Milliarden von Euro
Als Grund für diesen Verlust gab die EZB „erforderliche geldpolitische Maßnahmen des Eurosystems“ an. Im Zuge der immer weiter steigenden Inflation zwischen 2022 und 2023 hatte die EZB mehrfach den Leitzins angehoben, was sich jetzt auf sie selbst negativ auswirkte. Durch die gestiegenen Zinsen wuchsen nämlich die Beträge, die die Notenbank im Rahmen von flexibel verzinsten Verbindlichkeiten zahlen musste.

Zwar bringen ihre Vermögenswerte der EZB gleichzeitig Gewinne, aber diese wachsen nicht in demselben Umfang. Für sie sind überwiegend fixe Zinssätze und lange Laufzeiten festgelegt. Das wiederum führt dazu, dass das Geldhaus auch in den kommenden Jahren Verluste schreiben wird. „Danach sollte sie aber wieder nachhaltige Gewinne erzielen“, teilte die EZB in einer entsprechenden Meldung mit. Ihre Finanzkraft beziffert die Bank auf 46 Milliarden Euro – hier kämen das Kapital und „umfangreiche Ausgleichsposten aus Neubewertung“ zusammen. „In jedem Fall kann die EZB ungeachtet jeglicher Verluste wirksam handeln und ihr vorrangiges Mandat – die Gewährleistung von Preisstabilität – erfüllen.“
Kein Wirtschaftseinbruch in Deutschland zu befürchten
Für die nationalen Zentralbanken in der Eurozone bedeutet das: Die normalerweise übliche Gewinnausschüttung durch die EZB fällt auch in diesem Jahr aus. Bereits 2023 hatte die Zentralbank ihre Ausschüttung ausgesetzt, weil das Ergebnis hier lediglich ausgeglichen geblieben war. Den letzten Verlust hatte die EZB im Jahr 2004 ausgewiesen. Damals hatte er sich auf 1,6 Milliarden Euro belaufen.
Isabel Schnabel, die Direktorin der EZB, zeigte sich zuversichtlich, dass die EZB mit ihrer Zinspolitik keinen Wirtschaftseinbruch in Deutschland riskiere. Ihrer Meinung nach gebe es Hoffnung auf eine „weiche Landung“, sagte sie am Freitag in Mailand. So könnte es der EZB gelingen, die Inflation zu dämpfen, ohne für eine Rezession zu sorgen. Die EZB könne genug Vertrauen in ein nachhaltiges Senken der Inflation in Richtung des viel beschworenen 2-Prozent-Ziels schöpfen. Gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters ließ Schnabel allerdings offen, wann dies passieren solle.
Bundesbank mit neutralem Ergebnis; für 2024 steht Verlust bevor
Für die deutsche Bundesbank bedeuten die jüngsten Ereignisse rund um die EZB gleich in zweifacher Hinsicht einen Verlust. Erstens üben die hohen Zinsen schon einen hohen Druck auf das Geldhaus aus, zweitens fällt die erwähnte Gewinnausschüttung durch die EZB aus. Am Freitag konnte die Bundesbank dennoch für 2023 ein ausgeglichenes Ergebnis ausweisen. Dies sei allerdings nur möglich, weil sie ihre Reserven für die Risikovorsorge vollständig ausgeschöpft und die Rücklagen verringert hatte.
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Damit fällt wiederum jegliche Ausschüttung an den Bund aus. Das ist nichts Neues; bereits in den Vorjahren hatte sich die Bundesbank hier zurückhaltend zeigen müssen. Für 2024 allerdings befürchtet die Bundesbank rote Zahlen. „Wir gehen davon aus, dass die Belastungen für das laufende Jahr erneut erheblich sein werden. Sie dürften die verbliebenen Rücklagen übersteigen“, erklärte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel in einer Pressemeldung.
Von Strafzinsen zu Mega-Zinsen
Die Bundesbank hat dabei ähnliche Probleme wie die EZB auf europäischer Ebene. In den Bilanzen der Notenbanken sind Staatsanleihen, die normalerweise kontinuierlich Geld einbringen, niedrig verzinst und werfen auf absehbare Zeit weiter eher geringe Erträge ab. Auf Einlagen von Geschäftsbanken dagegen muss die Bundesbank stets den aktuellen Einlagezins zahlen: vier Prozent.
Das war bis Mitte 2022 noch anders. Der Einlagensatz hatte minus 0,5 Prozent betragen, was bedeutete, dass Banken, die bei der Bundesbank Geld parkten, „Strafzinsen“ zahlten. Nach der rapiden Zinswende sind es wiederum die Notenbanken, die draufzahlen.
Auf die Bundesbank kommen nun bis 2034 rund 200 Milliarden Euro Verluste zu. Auf diese Summe kam das Centre for European Policy Studies (CEPS), das für das Handelsblatt die Verluste aus den Anleihekaufprogrammen PSPP und PEPP berechnet hatte. Das PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) ist ein zeitlich befristetes Ankaufprogramm für Anleihen öffentlicher und privater Schuldner, das im Rahmen der Coronavirus-Pandemie entstand. Es sollte die Wirtschaft stützen. Ursprünglich war ein Umfang von 750 Milliarden Euro vorgesehen, später erhöhte der EZB-Rat das Volumen mehrfach. Insgesamt waren es am Ende 1,85 Billionen Euro.
Auswirkungen auf Haushalt und Politik
So wie die EZB nun auf die Ausschüttung an die nationalen Banken verzichten muss, bleibt auf nationaler Ebene die Auszahlung des Gewinnüberschusses der Bundesbank an das Finanzministerium aus. Frühestens sei 2032 wieder mit einer solchen Zahlung zu rechnen, teilte der Internationale Währungsfonds (IWF) mit. Damit fehlt dem Bundeshaushalt direkt ein Teil seiner Mittel. „Am Ende bedeutet das Verluste für uns alle – für alle Steuerzahler“, zitierte das Handelsblatt dabei Reiner Holznagel, Präsident des Bunds der Steuerzahler.
Zwar kam hier bereits die Idee ins Spiel, dass die Regierung der Bundesbank Geld zuschießen sollte, was die Bank aber selbst ablehnte – es gebe genügend Instrumente, um die finanziellen Mittel aufzustocken. Die Wirtschaftsweisen warnten jedoch auch vor politischer Einflussnahme durch eine solche Rekapitalisierung. Diese könnte am Ende zu größeren Risiken als nur finanziellen führen. Sollten die Verluste über einen langen Zeitraum zu hoch bleiben, wäre ein Eingreifen der Regierung ein angemessenes Mittel.
Mit Material von Reuters