Wenn die Semmel zum Teller wird: So arbeiten die Lebensmittelretter auf der Brass Wiesn in Eching

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Bestens vorbereitet: das Foodsharing-Team, das heuer auf der Echinger Brass Wiesn im Einsatz war. Dazu gehörte auch das Lasten-E-Bike „Nora“. © Wilms

Ihr Einsatz beginnt, wenn die Festivalbesucher in ihren Zelten verschwinden. Die Rede ist von den lokalen Foodsavern, die heuer bereits zum siebten Mal auf der Echinger Brass Wiesn Lebensmittel gerettet haben.

Eching – Wertvolle Lebensmittel vor der Mülltonne zu bewahren, ist für die Familie Sachs eine Herzensangelegenheit. Angefangen mit Foodsharing und auch den ersten Kontakt zum Festival aufgenommen haben die beiden Schwestern Anna und Sophia. Ihre Mutter Astrid, gemeinsam mit ihrem Ehemann in Eching zu Hause und vielen als Kirchenmusikerin und Musiklehrerin bekannt, engagiert sich ebenfalls. Sie hat in diesem Jahr die Koordination und Organisation der Lebensmittelretter aus dem Landkreis bei der Brass Wiesn übernommen. „Foodsharing auf Festivals ist durchaus verbreitet“, erklärt sie. „Die meisten Caterer freuen sich, wenn die zubereiteten Speisen und frischen Zutaten nicht im Müll landen, sondern verwertet und verwendet werden.“

Wenn die Stände schließen, geht‘s los

Bereits ein paar Monate vor Beginn des Festivals kontaktieren die Lebensmittelretter den Veranstalter und klären Fragen zu Standort und Ausstattung. Dann wird das Team zusammengestellt. In Videokonferenzen wird gemeinsam besprochen, wer was mitbringt: Banner und Infozettel, Eimer, Besteck für die Ausgabe, Lebensmittel und Getränke für die eigene Verpflegung und so weiter. Erste Informationen werden bereits vom Veranstalter an die teilnehmenden Standbetreiber und Gastronomen weitergegeben.

Wenn die anderen schlafen, sind sie auf dem Festivalgelände unterwegs: die lokalen Foodsaver.
Wenn die anderen schlafen, sind sie auf dem Festivalgelände unterwegs: die lokalen Foodsaver. © Wilms

Am ersten Abend des Festivals nehmen die Essensretter dann vor Ort Kontakt auf und fragen überall, ob oder wann eine Abholung erfolgen kann. Erst wenn der Konzertbereich geräumt wird und die Stände schließen, geht es los: Die Teams verteilen sich nach Plan, es müssen viele Eimer mit Deckel bereit stehen und die geretteten Lebensmittel müssen zum Crew-Camping transportiert werden. Interessantes Detail: Für diese Wege kam als Transportmittel „Nora“ zum Einsatz, das in Eching stationierte, kostenlos entleihbare Lasten-E-Bike, das zur Flotte der Leihräder innerhalb der NordAllianz-Kommunen gehört.

Ihren temporären „Fairteiler“ hat die Gruppe also auf dem Mitarbeiter-Campingplatz aufgeschlagen – sehr zur Freude der vielen Einsatzkräfte, die nach Beendigung ihrer Service-, Sicherheits- und Facility-Dienste müde und erschöpft ins Camp kamen und sehr dankbar dafür waren, sich vor dem Schlafengehen noch stärken zu können. Die Essensausgabe beginnt, sobald die erste Lieferung angekommen ist, und dauert immer bis zu den frühen Morgenstunden. So stehen durchgehend fünf bis zehn erwartungsvolle „Kunden“ am Verteiler. Und was gibt‘s? Schwer zu sagen. Denn das Speisenangebot wechselt von Jahr zu Jahr. Und außerdem weiß man nicht, was übrig geblieben ist.

Wie viel oder wenig in der Tonne landet

Dabei spielt auch das Wetter eine wesentliche Rolle: Wenn wegen Unwetterwarnung das Gelände geräumt werden muss, ist kein Verkauf mehr möglich. Allerdings kann auch nicht mehr alles gerettet werden. Bei schönem Wetter wiederum geht der Verkauf deutlich länger. Egal, wie gut geplant und berechnet wird: Die Mengen, die ohne Foodsharing in der Mülltonne landen würden, sind riesig – aus der Sicht eines Privathaushaltes. Verglichen mit den Mengen, die im Laufe der Brass Wiesn über die diversen Theken gehen, ist es trotzdem nur ein sehr geringer Prozentsatz.

Mangels Besteck wurden kurzerhand Semmeln zu Festivaltellern umfunktioniert.
Mangels Besteck wurden kurzerhand Semmeln zu Festivaltellern umfunktioniert. © Wilms

Da die ehrenamtlichen Foodsaver kein Gastronomiebetrieb sind, können sie auch nicht mit Teller und Besteck in großer Zahl aufwarten. Einweggeschirr wäre teuer und widerspricht dem umweltbewussten Bemühen. Kurzerhand werden die in großer Zahl vorhandenen Semmeln zum „Festivalteller“ erklärt und mit allem gefüllt, was noch vorhanden ist: Nudeln, Kässpätzle, Würstel, Rührei etc.

Foodsharing in Freising

Seit 2014 ist Freising Foodsharing-Stadt, also bereits zwei Jahre, nachdem sich Foodsharing Deutschland gegründet hat. Dabei wird an vielen verschiedenen Standorten eine direkte lokale Kooperation mit Supermärkten, Bäckereien, Cafés oder auch Wochen- und Weihnachtsmärkten aufgebaut. Als Ausgabestellen (Fairteiler) in Freising sind die Hochschulgemeinde und das Café übrig e.V. im Einsatz. Neben der Brass Wiesn kooperieren die lokalen Foodsaver übrigens auch mit dem Uferlos Festival und dem Afrika Fest. Infos/Kontakt: www.foodsharing.de.

Ab und zu bleiben auch Dosen übrig

Auch am Vormittag kommen noch hungrige Gäste vorbei, sodass viele Eimer leer werden, die dann aber auch wieder gespült werden müssen. Am Sonntag steht die Abreise der Camper an. In den ersten Jahren wurde da viel abgegeben, was die Besucher mitgebracht hatten: Ravioli und andere Konservendosen, Grillfleisch, Bierdosen. Teilweise wurde es beim Foodsharing-Stand abgegeben, teilweise auch einfach am Campingplatz zurückgelassen. Dabei konnten geeignete Lebensmittel an die Tafel weitergegeben werden.

Nach der Brass Wiesn ist vor der Brass Wiesn – und da laufen schon jetzt die Überlegungen für den erneuten Einsatz 2025: Genügend Kühlschrankkapazität ist mitten im August das größte Problem, denn es wäre schade, wenn die geretteten Lebensmittel dann wegen Hitze doch noch verloren gehen. In den vergangenen Jahren waren extreme Wetterbedingungen eine große Herausforderung. „Neben dem unmittelbaren Retten von wertvollen Lebensmitteln geht es auch darum, ein Bewusstsein für den achtsamen Umgang mit den Ressourcen zu schaffen“, sagt Astrid Sachs. „Denn Foodsharing ist für alle ein Gewinn.“  

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