Kempten: Demonstranten rufen zur Wahl demokratischer Parteien auf
Für den Samstag vor der Europawahl rief das bundesweite Bündnis „Rechtsextremismus stoppen- Demokratie verteidigen“ zu Demonstrationen auf. In Kempten gingen ca. 400 Menschen auf die Straße. Die Kundgebung fand am Hildegardplatz statt.
Kempten – Die Veranstaltung in Kempten organisierte ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis unter dem Namen „Ein Europa für alle“. Die Moderation übernahm die 29-jährige Sarah Gomm. Sie sagte in ihrer Einführung: „Wir sind heute auf der Straße, weil morgen Europawahl ist. Und diese Wahl ist wichtig für unsere Zukunft und die Zukunft Europas. Denn Europa erlebt einen Rechtsruck, unsere Demokratie ist gefährdet und wir dürfen unsere Demokratie, wir dürfen diese Europawahl nicht den Rechtsextremisten überlassen.“

Die Demonstranten versammelten sich vor dem Forum, zogen durch die Innenstadt (Bahnhofstraße, Freudenberg, Kronenstraße, Gerberstraße) zum Hildegardplatz, wo sie von der Band Stolen Fingers musikalisch begrüßt wurden. Eine knappe Stunde mit kurzweiligen Redebeiträgen, Musik und mit dem Poetry Slamer Ivico Michaelovic erwartete die Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Die EU: eine großartige Idee
„Wir sind hier, um Gesicht zu zeigen gegen Menschenfeindlichkeit, gegen rassistische Hetze, gegen Antisemitismus und Nationalismus. Wir sind hier, um gemeinsam ein Zeichen zu setzen für ein weltoffenes, demokratisches und vielfältiges Europa“, betonte Gomm. „Die EU ist aus den Lehren der zwei Weltkriege und des Holocausts entstanden.“

Die EU sei eine großartige Idee, die ein Rechtsruck zerstören würde, sagte die junge Politikwissenschaftlerin. Es gebe noch viele Missstände, wie Ungleichheit, Probleme beim Klimaschutz, Abweisung von Schutzsuchenden an den Grenzen mit tödlichen Folgen. Europa könne man gemeinsam besser machen, wenn man Haltung zeige, auf der Straße und in den Wahlkabinen.
Die kulturelle Vielfalt Europas schützen
„Ich stehe als ein bekennender Europäer vor Ihnen“, begann Oberbürgermeister Thomas Kiechle seine Rede. Er blickte auf die Entstehungsgeschichte der Europäischen Gemeinschaft zurück und auf die Geburt der deutsch-französischen Freundschaft. „Wenn sie draußen in der weiten Welt sind, fühlen wir uns als Europäer. Wenn wir in Europa sind, fühlen wir uns als Deutsche und wenn wir in Deutschland sind, als Allgäuer“, zitierte er Jugendliche, die mit ihm über die Vielfalt Europas sprachen. Man dürfe nationalstaatliches Denken und Fundamentalismus nicht zulassen und müsse Europa vor Fanatikern und Ideologen schützen, die hetzten und Gewalt predigten, so der Oberbürgermeister. Man brauche Menschen, die aufeinander zugehen.
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Pfarrer Dr. Wolfgang Tumser sprach im Namen des Arbeitskreises christlicher Kirchen. Er habe sein ganzes Leben in einem freien Land, in Frieden, in Sicherheit, in der Demokratie verbracht, erzählte er. Er könne sich nicht vorstellen, dass es anders werde. „Das ist aber falsch“, betonte er. Bei den Einschüchterungen und Gewalt, die man heute erlebe, sei eine Änderung nicht einmal unwahrscheinlich. Die faschistischen Tendenzen und Gewaltphantasien zeugten davon, dass etwas nicht stimme. „Wir sind mit unserer Lebensweise an die Grenzen gekommen.“ Man erwarte beispielsweise zu viel vom Staat, der könne diese Erwartungen nicht erfüllen. In der Zeit der Unsicherheit brauche man eine starke Zivilgesellschaft. Diese schrumpfe jedoch, statt zu wachsen: Immer weniger engagierten sich in Vereinen, in den Kirchen, bei der Feuerwehr. Er rief die Anwesenden auf: „Machen Sie mit, wo Menschlichkeit gelebt wird! Engagieren Sie sich in der Zivilgesellschaft!“
Die Wirkungsmacht der Sprache
Elisabeth Brock stellte sich als eine seit Jahrzehnten politisch und feministisch engagierte Kemptnerin und als weibliche Stimme der Zivilgesellschaft vor. Sie stellte die Wirkungsmacht der Sprache in den Mittelpunkt ihrer Rede. Die langjährige Stadträtin und Gründerin der Kemptener Frauenliste hob hervor: „Sprache löst Emotionen aus. Sie kann gezielt eingesetzt werden, um Gewalt zu provozieren und aggressiv zu machen, um Feindbilder zu erzeugen und Kriegsbewunderung Vorschub zu leisten. Wir können aber auch friedensorientiert, respektvoll und menschenfreundlich formulieren und so das gesellschaftliche Klima erwärmen.“

Ihre Kritik konzentrierte sich auf die „rechtsextreme Partei“, die die These vertrete, die Würde des Menschen gelte nicht für alle gleich, krude Deportationspläne schmiede, altbackene Frauen- und Familienbilder vertrete, und am Gedanken, Deutschland solle aus der EU austreten, Gefallen finde. „Na dann, ‚Gut Nacht um fünfe‘ für unseren Wohlstand, Adieu Solidarität, Völkerverständigung und Weltoffenheit“, sagte sie. Dieser Partei dürfe man nicht mit deren sprachlichen Mitteln, die Hass und Hetze verbreiten, entgegentreten. Sie riet: „Halten wir es lieber mit Michelle Obama, die gesagt hat: ‚When they go low, we go high‘, was bedeutet: ‚Wenn die anderen sich nicht benehmen können, antworten wir mit Anstand und Stil.‘“